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Die internationale Verbreitung des Konzepts Physical Literacy (PL) erreichte jüngst auch die Sportpädagogik (Töpfer et al., 2022). Ein Grund für diese Resonanz kann darin gesehen werden, dass das Konzept holistische Grundansprüche postuliert und gleichzeitig die Zusammenhänge von motivation, confidence, physical competence und knowledge/understanding einfach darstellt. Dagegen wirken sportpädagogische Grundbegriffe (Bildung, Erziehung, Entwicklung, usw.) behäbig. Dennoch prägen sie bis heute den deutschsprachigen Diskurs (Scheid & Oesterhelt, 2021). Im Sinne des Tagungsthemas wird daher die Frage gestellt, welchen Wert zur Kalibrierung und zur Selbstvergewisserung das PL-Konzept für die Sportpädagogik hat.
Es wird die These vertreten, dass PL ein Entwicklungskonzept darstellt und es dem Kompetenzparadigma ähnlich ist. Beide Zugänge betrachten menschliche Entwicklung als ganzheitlichen Prozess und integrieren zunächst keine normativen Überlegungen. Um die Frage zu bearbeiten, wird das PL-Konzept mit der Kompetenzorientierung im Sportunterricht abgeglichen und exemplarisch auf motorische Basiskompetenzen (MB) und deren Förderung eingegangen.
Die Überlegungen zeigten, dass die Kompetenzkomponenten Können, Wissen, Wollen (Kurz, 2008) bedeutungsähnlich zu den (oben genannten) PL-Begriffen sind. Sobald allerdings eine sportpädagogisch fundierte Förderung von MB abgeleitet wird, muss Bewegung im Wesentlichen das Medium der Kompetenzentwicklung bleiben und das Subjekt als „Auslöser“ dieser Entwicklung betrachtet werden. PL-Interventionen wirken in diesem Zusammenhang häufig funktional und erwecken den Anschein, dass vordergründig der Körper und die entsprechende körperlichen Aktivität fokussiert wird (vgl. Carl et al., 2022). Insgesamt zeigte sich also auch, dass die Kompetenzentwicklung nicht losgelöst von bildungstheoretischen Überlegungen betrachtet werden kann.
Selbstvergewissernd kann demnach geschlossen werden, dass die Sportpädagogik den PL-Diskurs inhaltlich bereits integriert und dass das Fachgebiet darüber hinaus auch normative Wirkungen entfalten kann. Dennoch fällt der „Platzbedarf“ einer stringenten Argumentationskette auf, indessen sich eine Internationalisierung der Forschung eher über zugänglichere Konzepte beschreiten lässt. Hier könnte ein Ausgangspunkt zur Kalibrierung der Sportpädagogik liegen.
Literatur
Carl, J. et al. (2022). How are physical literacy interventions conceptualized? – A systematic review on intervention design and content. Psychol Sport Exerc, 58, 102091.
Kurz, D. (2008). Der Auftrag des Schulsports (1). Sportunterricht, 57(7), 211-218.
Scheid, V., & Oesterhelt, V. (2021). Grundbegriffe der Sportpädagogik. In E. Balz, S. Reuker, V. Scheid & R. Sygusch (Hrsg.), Sportpädagogik. Eine Grundlegung (S. 17-32). Stuttgart: Kohlhammer.
Töpfer, C. et al. (2022). Physical Literacy – to be discussed: eine Perspektive aus Sicht der deutschsprachigen Sportwissenschaft. Ger J Exerc Sport Res, 52(1), 186-192.
Arbeitskreis | Physical Literacy im sportpädagogischen Diskurs |
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