36. Jahrestagung der dvs Sektion Sportpädagogik

Europe/Berlin
Hamburg

Hamburg

Turmweg 2 20148 Hamburg
Description

Im Jahr 1987 wurde die Sektion Sportpädagogik als Nachfolgerin der Kommission „Schulpraktische Studien/Unterrichtsforschung“ in Bielefeld gegründet. Nicht erst seitdem befinden sich die sportwissenschaftlichen Teildisziplinen Sportpädagogik und Sportdidaktik in einer ständigen Positions- und Gegenstandsbestimmung. Diese erfolgte insbesondere in Legitimationsdebatten mit anderen Teildisziplinen der Sportwissenschaft, aber auch im schulischen Kontext finden sich Legitimationsdiskurse über die Begründung des Faches innerhalb des schulischen Fächerkanons. Im Schnitt etwa alle fünf Jahre widmeten sich seither Sektionstagungen mehr oder minder explizit der Frage nach der Position der eigenen Fachdisziplin und dem Verhältnis zu anderen Akteur:innen und Disziplinen. Diese Reflexionen dienen der Selbstvergewisserung, sie können zu einer Korrektur oder Neubestimmung führen und als Ausgangspunkt für Forschungsaktivitäten dienen – und eben dies soll 2023 in Hamburg nun erneut und explizit erfolgen. Hierzu erscheinen uns Impulse aus unterschiedlichen Bereichen hilfreich zu denen wir vier Hauptvorträge eingeladen haben: aus der Perspektive anderer Fächer und ihrer Didaktiken (Martin Rothgangel, Universität Wien, Religionsdidaktik), aus einer internationalen Perspektive (Fiona Chambers, University College Cork), aus Sicht der internationalen Bildungs- und Sportpolitik (Claude Scheuer, EUPEA) und schließlich aus unserer eigenen Innenperspektive heraus (Eckart Balz & Jonas Wibowo, Universität Wuppertal).

Tagungsteam (Haupttagung & Nachwuchstagung)
    • 11:00 12:15
      Nachwuchstagung: Ankunft und Anmeldung Mollerstraße 10

      Mollerstraße 10

      Mollerstraße 10
    • 12:15 13:00
      Nachwuchstagung: Begrüßung und Kennenlernen Hörsaal

      Hörsaal

    • 13:00 14:00
      Nachwuchstagung: Karrierewege, Qualifikationsanforderungen und -herausforderungen Hörsaal

      Hörsaal

      In einer Coaching- und Beratungssession mit Anne Schreiter (German Scholars Organization - Berlin https://gsonet.org/kontakt/ ) für Nachwuchswissenschaftler:innen werden bisherige wissenschaftliche Werdegänge reflektiert, individuelle Standortbestimmungen vorgenommen sowie Pläne und Vorgehensweisen identifiziert, die bei den nächsten Karriereschritten (Bewerbung auf Professuren) unterstützen können.

    • 14:00 14:30
      Pause 30m
    • 14:30 16:30
      Nachwuchstagung: Karrierewege, Qualifikationsanforderungen und -herausforderungen (Post-Docs) PC-Pool Raum

      PC-Pool Raum

      Convener: Anne Schreiter
    • 14:30 16:30
      Nachwuchstagung: Promotion(sstelle) und jetzt? Seminarraum 13

      Seminarraum 13

      Convener: Ingrid Bähr (Uni Hamburg)
    • 14:30 16:30
      Vorstellung Promotionsvorhaben I: Mentorin – Julia Hapke Fel 01

      Fel 01

      Convener: Julia Hapke (Universität Koblenz)
      • 14:30
        Gesundheitsförderung von Schüler*innen durch Sportunterricht mit digitalen Methoden 30m

        1 Einleitung
        Die Beschäftigung junger Menschen mit digitalen Gesundheitstechnologien wird häufig als risikoreich diskutiert. Es gibt hingegen nur wenige Erkenntnisse über die Chancen, die sich aus digitalen Gesundheitstechnologien ergeben können (Goodyear et al., 2018). Der Einsatz digitaler Medien im Sportunterricht kann die Lehr- und Lernprozesse unterstützen und optimieren (Gómez-García et al., 2016). Ziel dieses Promotionsprojektes ist daher, Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung von Schüler*innen mit digitalen Methoden im Sportunterricht zu identifizieren.

        2 Forschungsstand
        Yang et al. (2020) fanden heraus, dass der Einsatz digitaler Geräte im Sportunterricht, zum Beispiel von Smartphones und „Wearables“ (tragbare Technologien), den Sportunterricht erleichtern und soziale Aspekte fördern kann. Während Universitätsstudierende in diesem Bereich häufiger untersucht wurden, sollte der Fokus in der Forschung mehr auf Schüler*innen gelegt werden (ebd.).

        3 Methodik
        Es wurden Studien in ein systematisches Literaturreview eingeschlossen, um den internationalen Forschungsstand zu digitalbasierter Gesundheitsförderung im Sportunterricht abzubilden. Zuvor wurde ein Scoping Review im deutschsprachigen Raum durchgeführt (Knoke et al., 2022).
        Die zweite Publikation nutzt eine qualitative Methodik für eine Befragung von Lehrkräften, um die Nutzung digitaler Medien zu erfragen. Die Fragestellung „Welche digitalen Medien eignen sich zur Gesundheitsförderung im Sportunterricht und welche Bedingungen sollten diese erfüllen?“ kann durch Kurzinterviews betrachtet werden.
        Die dritte Publikation fungiert als Interventionsstudie als Pilotstudie und entwickelt eine Methode zur Gesundheitsförderung von Schüler*innen durch einen digital gestützten Sportunterricht in der Schule. Untersucht wird, „ob diese Intervention eine Gesundheitsförderung im Sportunterricht mithilfe digitaler Medien bewirkt“.

        4 Literatur
        Goodyear, V. A.; Armour, K. M. & Wood, H. (2018). Young people learning about health: the role of apps and wearable devices. Learning, Media and Technology, 1–18.
        Gómez-García, G., Marín-Marín, J.A., Romero-Rodríguez, J.-M., Ramos Navas-Parejo, M. & Rodríguez Jiménez, C. (2020). Effect of the Flipped Classroom and Gamification Methods in the Development of a Didactic Unit on Healthy Habits and Diet in Primary Education. Nutrients, 12, 2210.
        Knoke, C.; Niessner, C.; Woll, A.; Wagner, I. (2022). Gesundheitsförderung durch digitale Medien im Sportunterricht. Ein Scoping Review. Sportunterricht, (8), 358–363.
        Yang, Q.-F., Hwang, G.-J. & Sung, H.-Y. (2020). Trends and Research Issues of Mobile Learning Studies in Physical Education: A Review of Academic Journal Publication. Interactive Learning Environments, 28 (4), 419-437.

        Speakers: Mrs Carolin Knoke (KIT), Prof. Alexander Woll (Karlsruher Institut für Technologie (KIT)), Prof. Ingo Wagner (Karlsruher Institut für Technologie)
      • 15:00
        Sportunterricht mit Köpfchen – Impulse für die Professionalisierung von Sportlehrkräften zugunsten eines zeitgemäßen Sportunterrichts 30m

        Spätestens seit der Gleichstellung des Faches Sport im Kanon aller Schulfächer im Jahr 1972 wird in der Sportpädagogik und Sportdidaktik über eine vermeintliche Neuausrichtung des Schulfachs Sport diskutiert. In den gut 50 Jahren sind dabei unzählige Konzepte entwickelt und Bezeichnungen verwendet worden: Theorievermittlung, Theorie-Praxis-Verknüpfung, Wissen im Sportunterricht, kognitive Aktivierung, reflektierte Praxis u. v. m. (Wagner, 2016). Trotz der teilweise unterschiedlichen Ausgangspunkte, oder einem differenten methodischen Vorgehen, haben die Konzepte gemeinsam, dass sie als explizites Ziel die Erreichung kognitiver Lernziele im Sportunterricht haben. Dieses Ziel ist auch in den bildungspolitischen Vorgaben verankert (QUA-LiS NRW, 2014).

        Es könnte davon ausgegangen werden, dass nach 50 Jahren Forschung und bildungspolitischer Unterstützung kognitive Lernziele fester Bestandteil des Sportunterrichts wären. Der Schulalltag sieht jedoch anders aus (Miethling, 2020). Als Grund dafür können zum einen interne Herausforderungen identifiziert werden, wie z. B. die individuelle Einstellung vieler Sportlehrkräfte (Kastrup, 2011) und zum anderen externe, wie z. B. ungünstige Rahmenbedingungen der Sportstätten (Wagner, 2016).

        Ziel meines Qualifikationsvorhabens ist es, den Begriffs- und Konzeptdschungel zu durchdringen und nach Berührungspunkten und Erfolgsrezepten zu strukturieren. In drei Teilstudien werde ich die verschiedenen Phasen der Lehrkräftebildung beleuchten und verschiedene Akteure zu Wort kommen lassen, um zu erforschen, wie das Thema in der Lehrkräftebildung bereits umgesetzt wird und zukünftig attraktiv gestaltet werden kann. Es geht um subjektive Deutungsmuster und Sichtweisen, um zu verstehen, wie die Professionalisierung von Sportlehrkräften modifiziert und mit den internen und externen Herausforderungen konstruktiv umgegangen werden kann.

        Mögliche Fragestellungen:
        Phase 1: Kann die Einstellung von angehenden Sportlehrkräften zu kognitiven Lernzielen im Studium beeinflusst werden?
        Phase 2: Welchen Stellenwert und Fokus haben kognitive Lernziele im Vorbereitungsdienst?
        Phase 3: Welche Umsetzungsmöglichkeiten und für kognitive Lernziele sehen aktive Lehrkräfte?

        Literatur
        Kastrup, V. (2011). Was halten Sportlehrkräfte von Theorieanteilen im Sportunterricht? Sportunterricht, 60(12), S.376-380.
        Miethling, W.-D. (2020). Sportlehrerinnenforschung. In E. Balz et al. (Hrsg.), Empirie des Schulsports (S.174-216). Aachen: Meyer & Meyer Verlag.
        Qualitäts- und Unterstützungsagentur – Landesinstitut für Schule NRW (2014). Rahmenvorgaben für den Schulsport. Abruf unter https://www.schulentwicklung.nrw.de/lehrplaene/upload/klp_SI/HS/sp/Rahmenvorgaben_Schulsport_Endfassung.pdf.
        Wagner, I. (2016).
        Wissen im Sportunterricht*. Aachen: Meyer & Meyer.

        Speaker: David Kreß (Universität Duisburg-Essen)
      • 15:30
        Soziale Gerechtigkeit im Sportunterricht – Unterrichtsgestaltung aus der Perspektive der Sportlehrkräfte und ihrer Schüler:innen 30m

        Diversität und die Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit repräsentieren eine fortwährende Herausforderung für verschiedenste gesellschaftliche Teilbereiche. Dies gilt auch für das Bildungssystem und, aufgrund der immanenten Körperlichkeit des Faches, in besonderer Weise für den Sportunterricht (Azzarito et al., 2017; Lynch et al., 2022). Den theoretischen Rahmen des PhD-Projekts bilden Social Justice Pedagogies, welche sich aus dem Anspruch konstituieren, der Diversität der Schüler:innen gerecht zu werden und soziale Gerechtigkeit zu fördern (Adams, 2022). Im sportpädagogischen Diskurs wird dieser Anspruch vielerorts auch für den Sportunterricht erhoben (u.a. Lawson, 2018). Die Erforschung der konkreten Unterrichtspraxis erfährt diesbezüglich allerdings bisher wenig Beachtung. Was Sportlehrkräfte tatsächlich für Diversitätssensibilität und soziale Gerechtigkeit tun, stellt weiterhin eine Forschungslücke dar (Gerdin et al., 2020), welche im PhD-Projekt aufgegriffen wird. Dazu wird eine explorative qualitative Interviewstudie durchgeführt (Creswell, 2014). Mithilfe halbstrukturierter, erzählgenerierender Interviewleitfäden werden Sportlehrkräfte und deren Schüler:innen zu zwei Hauptaspekten befragt: (a) Was tun Sportlehrkräfte, um der Diversität ihrer Schüler:innen gerecht zu werden und soziale Gerechtigkeit zu fördern? und (b) Inwieweit ist der Sportunterricht bereits diversitätssensibel und trägt zu mehr sozialer Gerechtigkeit bei? Die Triangulation der Lehrer:innen- und Schüler:innen-Perspektiven erlaubt eine Evaluation der Unterrichtspraxis, welche für das Formulieren von Entwicklungsperspektiven maßgeblich ist (Azzarito et al., 2017).
        Die Ergebnisse tragen zum Forschungsstand über Unterrichtsgestaltung im Fach Sport hinsichtlich Diversitätssensibilität und sozialer Gerechtigkeit bei. Dies ist für eine Weiterentwicklung und Verbesserung des Sportunterrichts relevant.

        Adams, M. (2022). Roots of Social Justice Pedagogies in Social Movements. In T. Chapman & N. Hobbel (Hrsg.), Language, Culture and Teaching Series. Social Justice Pedagogy Across the Curriculum: The Practice of Freedom (57–83). Routledge Taylor & Francis Group.

        Azzarito, L. et al. (2017). Revitalizing the Physical Education Social-Justice Agenda in the Global Era: Where Do We Go From Here? Quest, 69(2), 205–219.

        Creswell, J. (2014). Research Design: Qualitative, quantitative, and mixed methods approaches. Sage Publications, Inc.

        Gerdin, G. et al. (2020). Social Justice Pedagogies in School Health and Physical Education-Building Relationships, Teaching for Social Cohesion and Addressing Social Inequities. IJERPH, 17(18).

        Lawson, H. (Hrsg.) (2018). Routledge Studies in Physical Education And Youth Sport. Redesigning Physical Education: An Equity Agenda in Which Every Child Matters. Routledge Taylor & Francis Group.

        Lynch, S. et al. (2022). Pedagogies of Social Justice in Physical Education and Youth Sport. Routledge Taylor & Francis Group.

        Speaker: Franziska Heidrich (Universität Wien)
    • 14:30 16:30
      Vorstellung Promotionsvorhaben II: Mentorin – Esther Pürgstaller Lesesaal

      Lesesaal

      Convener: Esther Pürgstaller (University Potsdam)
      • 14:30
        Durch die Brille der Sport-Lehrperson: Handlungsleitende Orientierungsmuster hinsichtlich Geschlecht 30m

        Abstract
        Diese Dissertation leistet einen empirischen Beitrag zur sportdidaktischen Forschung bezüglich Doing Gender Prozessen durch die Lehrpersonen im mono- und koedukativen Sportunterricht auf der Sekundarstufe I und II in der Schweiz. Die Arbeit lässt sich in der Unterrichtsforschung verorten und versucht folgende Frage zu beantworten: Wie produzieren und reproduzieren Lehrpersonen auf der Sekundarstufe I und II Geschlecht im Sportunterricht? Die Beantwortung verlangt einen qualitativ-rekonstruktiven Zugang, um Tiefenstrukturen aufdecken zu können. Beim explorativen Vorgehen wurde mit acht Sportlehrpersonen je ein narratives Interview geführt. Der Unterricht der Lehrpersonen wurde jeweils mit einer Kamera für die Gesamtperspektive und einer Brillenkamera für die Subjektivperspektive aufgenommen. Letztere Aufnahmen wurden in einem Stimulated Recall (Messmer, 2015) herangezogen und dienten als fokussierter Ausgangspunkt für die jeweils 60 - 90 Minuten dauernden narrativen Interviews (Schütze, 1983). Bei der Zusammenführung von aktuellen Erfahrungen mit den vergangenen Unterrichtserfahrungen der Lehrpersonen kann von einem hohen Erkenntnispotenzial ausgegangen werden (Messmer, 2011). Die Daten werden mit der Dokumentarischen Methode (Asbrand & Martens, 2018; Bohnsack et al., 2013) analysiert. Diese Analyseergebnisse werden mithilfe Goffmans (1977) Konzeption der Institutional Reflexivity tentativ in Verbindung gebracht, ohne dabei eine Ergebnisoffenheit zu vernachlässigen. Dies wird als relevant erachtet, da der Lehrperson ein besonderer Stellenwert hinsichtlich Bewegungs- und Verhaltensvorstellungen zugeschrieben wird (Mutz & Burrmann, 2014; Sobiech, 2010).

        Literaturverzeichnis
        Asbrand, B., & Martens, M. (2018). Dokumentarische Unterrichtsforschung. Springer.
        Bohnsack, R., Nentwig-Gesemann, I., & Nohl, A.-M. (2013). Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis (3., aktualisierte Aufl.). Springer VS. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-19895-8_1
        Goffman, E. (1977). The Arrangement between the Sexes. Theory and Society, 4(3), 301-331.
        Messmer, R. (2011). Ordnungen der Alltagserfahrung. Neue Ansätze zum Theorie- Praxisbezug und zur Fallarbeit in der Lehrerbildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften.
        Messmer, R. (2015). Stimulated Recall als fokussierter Zugang zu Handlungs-und Denkprozessen von Lehrpersonen. Forum: Qualitative Social Research, 16(1).
        Mutz, M., & Burrmann, U. (2014). Sind Mädchen im koedukativen Sportunterricht systematisch benachteiligt? Neue Befunde zu einer alten Debatte. Sportwissenschaft, 44(3), 171-181. https://doi.org/DOI 10.1007/s12662-014-0328-x
        Schütze, F. (1983). Biographieforschung und narratives Interview. Neue Praxis, 13(3), 283-293.
        Sobiech, G. (2010). Gender als Schlüsselqualifikation von (Sport-)Lehrkräften. In N. Fessler, A. Hummel, & G. Stibbe (Hrsg.), Handbuch Schulsport (S. 554 - 569). Hofmann-Verlag.

        Speaker: Raphael Willi (FHNW / Uni Basel)
      • 15:00
        Zwischen Nähe und Distanz: Sexualisierte Gewalt im Sportunterricht – Eine Untersuchung der Perspektive von Sportlehrkräften 30m

        Lange Zeit wurde sexualisierte Gewalt, trotz ihrer Existenz in vielfältigen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, tabuisiert. Nachdem im Jahr 2010 mehrere Missbrauchsfälle in kirchlichen und schulischen Einrichtungen aufgedeckt wurden, rückte das Thema in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Aktuelle Studien zur Häufigkeit sexualisierter Gewalt zeigen, dass es sich bei den 2010 aufgedeckten Vorfälle keineswegs um Einzelfälle handelt, sondern dass sexualisierte Gewalt eine weitverbreitete Erfahrung unter Kindern und Jugendlichen ist (u.a. Hartill et al., 2021; Maschke & Stecher, 2018).
        Dem Sportunterricht kommt in Bezug auf das Thema eine besondere Rolle zu. Dies lässt sich zurückführen auf die fachspezifischen Herausforderungen, die sich aus dem Fokus auf Körperlichkeit im Sport ergeben (Hunger et al., 2017). Sowohl in Bezug auf sexualisierte Gewalt unter den Schüler:innen als auch zwischen der Lehrkraft und den Schüler:innen, kommt der Lehrkraft eine besondere Verantwortung in der Prävention und Intervention sexualisierter Gewalt zu. Die Perspektive der Sportlehrkräfte wird jedoch im aktuellen Diskurs nur vereinzelt betrachtet. Quantitative Untersuchungen fehlen weitestgehend. Aus diesem Grund haben die ersten zwei Teilstudien des kumulativen Dissertationsprojekts zum Ziel, ein differenziertes Bild der Perspektive von Sportlehrkräften an weiterführenden Schulen auf sexualisierte Gewalt im Sportunterricht zu generieren. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Wissensstand und der Sensibilität der Sportlehrkräfte für sexualisierte Gewalt im Sportunterricht sowie ihren Strategien zur Prävention und Intervention potenziell grenzverletzender Situationen. Es ergeben sich folgende Forschungsfragen:
        1. Über welches Wissen zu sexualisierter Gewalt in sportbezogenen Settings verfügen Sportlehrkräfte der Sekundarstufe?
        2. Welche Sensibilität weisen Sportlehrkräfte der Sekundarstufe gegenüber sexualisierter Gewalt im Sportunterricht auf?
        3. Über welche Handlungsstrategien zur Prävention und Intervention sexualisierter Gewalt im Sportunterricht verfügen Sportlehrkräfte der Sekundarstufe?
        Im Rahmen der ersten Teilstudie wird auf Grundlage der Forschungsfragen ein standardisierter Fragebogen zur Untersuchung der Lehrer:innenperspektive entwickelt und validiert. Die Datenerhebung und -auswertung ist Gegenstand der zweiten Teilstudie und umfasst eine Zufallsstichprobe von Sportlehrkräften weiterführender Schulen Deutschlands. Gern möchte ich sowohl die Gesamtanlage des Dissertationsprojekts als auch die genannten Forschungsfragen im Rahmen der Nachwuchstagung zur Diskussion stellen.

        Hartill, M.; Rulofs, B. et al. (2021). CASES: Child abuse in sport: European Statistics – Project Report. Edge Hill University.
        Hunger, I., Böhlke, N., & Witte, C. (2017). Körper im Fokus: Erlebte Grenzüberschreitungen im Sportunterricht. Sportunterricht, 66(9), S. 264-269.
        Maschke, S., & Stecher, L. (2018). Sexuelle Gewalt: Erfahrungen Jugendlicher heute. Beltz.

        Speaker: Sophie Glöckner
      • 15:30
        Sportunterricht im Kontext von Fluchterfahrung: Empirische Analysen der Partizipation von geflüchteten Grundschüler*innen unter besonderer Berücksichtigung von Fremdheitserfahrungen im Sportunterricht 30m

        Exposé zur Dissertation: Kinder mit Fluchthintergrund werden immer häufiger in Regelklassen beschult. Hierbei müssen sie sich auf zahlreiche neue Lebensumstände einlassen. Beispielsweise verfügen sie nur selten über ausreichende Sprachkenntnisse oder sind mit den Wertesystemen des Aufnahmelandes nicht vertraut.  Zusätzlich begünstigen Otheringsprozesse im schulischen Umfeld möglicherweise auftretende Akzeptanzprobleme bei den KmF. Hierdurch könnten bei ihnen Fremdheitsgefühle entstehen. Die Dissertation befasst sich daher mit Otheringsprozessen bzw. Fremdheitserfahrungen von KmF im Schulsport. Insbesondere beschäftigt sich die Arbeit mit den Auswirkungen auf Partizipationschancen von KmF. Postkoloniale Theorien werden herangezogen und mögliche Maßnahmen vorgestellt, um den negativen Auswirkungen von Othering entgegenzuwirken. In diesem Kontext betont Axel Honneth, dass nur durch eine reziproke Anerkennung zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft sich die Partizipation der gesellschaftlichen Individuen entwickeln kann. Fremdheitserfahrungen können das Vertrauen eines Kindes in seine Umwelt beeinträchtigen, was seine autonome Teilhabe am öffentlichen Leben und die Interaktionsbeziehungen zwischen den Gesellschaftsmitgliedern beeinträchtigen kann. Anerkennung hilft dabei, dass Kinder sich als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft fühlen. In diesem Zusammenhang ist nach Prengel in der Schule eine Pädagogik der Vielfalt sinnvoll, die auf anerkennende Praktiken basiert und verschiedene Lebensweisen weder unterdrückt noch hierarchisiert. Die Umsetzung einer Pädagogik der Vielfalt kann durch die Erarbeitung von Unterrichtsinhalten unterstützt werden, die die Anerkennungsebenen nach Honneth bedienen. Aus sportpädagogischer Perspektive ist der Sportunterricht nach Prohl u. a. aufgrund seines Doppelauftrags in besonderer Weise dazu geeignet, eine Bildung i. S. v. Klafki zu ermöglichen. Einerseits ermöglicht er den SuS Bewegungsbildung, da sie Sport und Bewegung als Teil einer Bewegungskultur erfahren. Andererseits fördert der Sport die demokratische Persönlichkeitsbildung, sofern er die Selbst- und Mitbestimmung sowie die Solidaritätsfähigkeit ausreichend berücksichtigt. Zur Begründung der wissenschaftlichen Erforschung von Otheringsprozessen im Schulsport ist zu erwähnen, dass bislang keine Forschung aus der Perspektive der geflüchteten Schülerinnen vorliegt. Daher zielt die Dissertation darauf ab, die Wirksamkeit eines inklusiven Sportunterrichts mit Blick auf eine Reduzierung von Fremdheitserfahrungen aus der Sicht von geflüchteten Schülerinnen zu untersuchen. Die Forschungsfragen beziehen sich auf die Fremdheitserfahrungen von KmF im Sportunterricht, auf die Auswirkungen dieser Fremdheitserfahrungen und die Gestaltungsmöglichkeiten eines inklusiven Sportunterrichts. Für die Dissertation wird einen Mixed-Methods-Ansatz genutzt sowie theoretische Grundlagen, die auf sozial- und bildungswissenschaftlichen sowie pädagogischen Theorien aufbauen.

        Speaker: Duygu Scanzano (Universität Bielefeld - Arbeitsbereich Sport und Erziehung)
      • 16:00
        Der legitime Sportlehrkörper – Körperdiskurse angehender Sportlehrkräfte 30m

        Problemaufriss
        Die gesellschaftliche Sport- und Bewegungskultur als wesentliches Referenzfeld des Schulsports erfährt im letzten Jahrzehnt einen Wandel, erfreut sich der Fitnesssport und -lifestyle bei Jugendlichen und Erwachsenen immer größerer Beliebtheit. Neben dem medial verbreiteten und curricular und fachdidaktisch verankerten Leistungsideal erscheinen seit dem auch körperbezogene Gesundheits- und Fitnessideale, die in Differenz zu diversitätssensiblen und inklusiven (Bildungs-)Bemühungen stehen. Diese Entwicklungen spiegeln sich auch im Sportunterricht wider. Obwohl Sportlehrer_innen ein sehr vielschichtiges Verständnis von Schüler_innenkörper haben, tendieren sie dazu, diesen entlang von sportmotorischen, gesundheits- und fitnessbezogenen Idealen zu objektivieren (Ruin, 2017). Welche Anforderungen an den Sportlehrer_innenkörper herangetragen werden und welche Körperbilder (angehende) Sportlehrkräfte über ihr eigenes Berufsfeld entwerfen, wurde bisher nicht untersucht. Diese Frage ist auch in Anbetracht diversitätssensibler und inklusiver Bildungsbemühungen nicht unerheblich, wird Inklusion beispielsweise im Rahmen des Sportunterrichts vermehrt auf Seiten der Lernenden als auf Lehrenden-Seite gedacht (Giese & Sauerbier, 2018).
        Zielstellung
        Ziel des Dissertationsvorhabens ist es herauszuarbeiten, wie angehende Sportlehrkräfte den legitimen Sportlehrkörper konstruieren, d.h. welche Körper als Sportlehrkörper anerkannt werden und welche nicht. Dazu werden diskursive Praktiken (Wrana, 2015) über Körper bzw. Sportlehrkörper in der ersten Phase der Sportlehramtsausbildung analysiert.
        Analytischer Rahmen und Methodik
        Der Zugang zu den diskursiven Praktiken erfolgt diskurs- und subjektivierungsanalytisch über Gruppendiskussionen, die mittels Figurations- und Positionierungsanalysen ausgewertet werden (ebd.). Das diskurs- und subjektivierungsanalytische Verständnis dieser Arbeit folgt einer poststrukturalistisch-praxeologischen Leseart in Anschluss an Foucault und Butler. Der Körper als Untersuchungsgegenstand wird in Anschluss an körpersoziologische Theorien konzipiert.
        Literatur
        Giese, M., & Sauerbier, E. (2018). Scheitern an der Norm? Ableistische und autoethnographische Reflexionen zum sportpädagogischen Umgang mit Körperbehinderungen. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 87(4), S. 276-288.
        Ruin, S. (2017). Vielfältige Körper? Eine empirische Untersuchung zu Körperbildern von Sportlehrkräften vor dem Hintergrund des Inklusionsdiskurses. German Journal of Exercise and Sport Research, 47(3-4), S. 221-231.
        Wrana, D. (2015). Zur Methodik einer Analyse diskursiver Praktiken. In F. Schäfer, A. Daniel, & F. Hillebrandt, Methoden einer Soziologie der Praxis (S. 121-143). transcript.

        Speaker: Tessa Schulz (deutsch)
    • 14:30 16:30
      Vorstellung Promotionsvorhaben III: Mentor – Tim Heemsoth Kaminzimmer

      Kaminzimmer

      Convener: Tim Heemsoth (Europa-Universität Flensburg)
      • 14:30
        Bewegungsförderung in Ganztagsgrundschulen – Wirkanalyse einer Qualifizierungsmaßnahme 30m

        Durch Bewegung kann eine ganzheitliche Entwicklung von Kindern und ein gesundheitsförderlicher Lebensstil frühzeitig unterstützt und aufgebaut werden (Joisten, 2020). Im außerunterrichtlichen Bereich des Grundschulganztags findet sich, insgesamt und auf Bewegung bezogen, sehr heterogen qualifiziertes Personal (Naul et al., 2015; Waldenberg, 2018). Für eine quantitativ und qualitativ gute Bewegungsförderung (Kuss et al., 2022), muss das Personal entsprechend qualifiziert sein. Qualifizierungen werden häufig als Möglichkeit zur Verbesserung der Bewegungsförderung genannt (u.a. Weaver et al., 2015). Bislang wurde nicht untersucht, welche Auswirkungen die Qualifizierungen des Personals tatsächlich auf spezifische Parameter der Kindern haben, welche von der Maßnahme profitieren sollen.
        Ziel dieses Beitrags ist die Vorstellung des Forschungsvorhabens sowie des Designs. Das Vorhaben soll dazu beitragen, die Forschungslücke in Bezug auf evaluierte Qualifizierungsprogramme im Ganztag zu schließen sowie Bewegungsförderung im Grundschulganztag insgesamt in den Blick nehmen. In Anlehnung an Input-Output Modelle sowie Modellen zur Programmevaluation wird in diesem Vorhaben die Wirkung einer Qualifizierungsmaßnahme des Personals auf spezifische Parameter der Kindern untersucht. Dies geschieht in einer längsschnittlichen Interventionsstudie im Kontrollgruppendesign. Zu drei Messzeitpunkten werden an zwei Interventions- und Kontrollschulen Output und Outcome Parameter bei den Kindern (bspw. Bewegungszeiten, sedentäres Verhalten, Freude an Bewegung) erfasst. Es wird untersucht, welche Auswirkungen die Qualifizierung des Personals (in Bezug auf die niederschwellige Implementation von Bewegung im außerunterrichtlichen Ganztag) auf die Kinder hat. Die Erhebung startet voraussichtlich Ende 2023.
        Literaturverzeichnis
        Joisten, C. (2020). Bewegung als Fundament einer gesunden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. In C. Breuer, C. Joisten & W. Schmidt (Hrsg.), Vierter Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht: Gesundheit, Leistung und Gesellschaft, 78-98. Hofmann Verlag.
        Kuss, M.; Lohse, K.; Voss, A. (2022). Bewegungspraktiken von 3-6 jährigen Kindern während der Corona-Pandemie 2020/2021. In Schwier, Jürgen & Seyda, Miriam (Hrsg.), Bewegung, Spiel und Sport im Kindesalter, 77-87. transcript Verlag. doi.org/10.14361/9783839458464
        Naul, R. & Neuber, N. (2015). 11 Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen. In Forschungsgruppe SpOGATA (Hrsg.), Evaluation der Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote an Ganztagsschulen in Nordrhein-Westfalen, 215–220. Meyer & Meyer Verlag.
        Waldenberger, T. (2018). Professionalität im schulischen Ganztag. Schwerpunkt Berufs-Bildung, 76 (13), 77-81.
        Weaver, R. G.; Beets, M. W.; Huberty, J.; Freedman, D.; Turner-Mcgrievy, G. & Ward, D. (2015). Physical Activity Opportunities in Afterschool Programs. Health Promotion Practice, 16 (3). 371–382. DOI:10.1177/1524839914567740

        Speaker: Ida Noetzel
      • 15:00
        Spieltaktisches Lernen mittels digitaler Analysetools 30m

        Einleitung
        Die Diskussion um die Thematik der kognitiven Aktivierung im Sportunterricht ist sehr emotional geprägt – assoziieren doch viele den Sportunterricht mit körperlicher anstatt mit kognitiver Aktivität. Der Sportunterricht steht daher oftmals unter einem „hands-on/minds- off-Verdacht“ (Gogoll, 2010). Mit der Forderung der Sportunterricht soll ein Kompensationsfach zu den „kognitiven Sitzfächern“ wie der Mathematik sein, wird man dem Anspruch des Sportunterrichts keineswegs gerecht. Um die aus der empirischen Bildungsforschung abgeleiteten Qualitätskriterien eines guten (Sport-)Unterrichts zu erfüllen, muss dieser die Lernenden nicht nur körperlich, sondern auch kognitiv aktivieren (Schönfeld, 2020). Niederkofler und Amesberger (2016) verstehen kognitive Aktivierung beispielsweise als Intention der Sportlehrkraft die Repräsentationen der Lernenden neu zu generieren, zu erweitern oder zu verändern. Basierend auf diesem Verständnis der kognitiven Aktivierung untersucht die Studie, inwiefern die Arbeit mit einem digitalen Analysetool zum spieltaktischen Lernen das Potenzial zur kognitiven Aktivierung der Lernenden besitzt. Das Forschungsvorhaben überprüft darüber hinaus, inwiefern das entdeckende Arbeiten von Grundschulkindern im Sportunterricht mit einem digitalen Analysetool zu größeren Zuwächsen bei den sportspielübergreifenden basistaktischen Kompetenzen (Erkennen eines Deckungsschattens und daraus ableitend Konsequenzen für Pass- und Laufwege zu folgern) führt als dies ohne den Einsatz eines digitalen Tools der Fall ist. Die Studie befindet sich aktuell in der Phase der Datenerhebung. Die Daten zur Erfassung der kognitiven Lernziele (Erkennen des Deckungsschattens und daraus ableitend Konsequenzen für Pass- und Laufwege zu folgern) wurden bereits erhoben und werden quantitativ ausgewertet. Das videographierte Material (Spielszenen der Lernenden) soll quantitativ analysiert werden mit dem Ziel, mögliche Veränderungen im spieltaktischen Können abzubilden. Ideen für eine konkrete Methode sollen anhand von ausgewählten Videosequenzen im Anschluss an den Vortrag diskutiert werden.

        Literatur
        Gogoll, A. (2010). Verständnisvolles Lernen im Schulfach Sport. Eine Untersuchung zum Aufbau intelligenten Wissens im Theorie und Praxis verknüpfenden Sportunterricht. Sportwissenschaft, 40(1), 31-38. https://doi.org/10.1007/s12662-010-0104-5

        Niederkofler, B. & Amesberger, G. (2016). Kognitive Handlungsrepräsentationen als Strukturgrundlage zur Definition von kognitiver Aktivierung im Sportunterricht. Sportwissenschaften 46, 188-200. https://doi.org/10.1007/s12662-016-0414-3

        Schönfeld, K. (2020). Kognitive Aktivität im Sportunterricht. Eine empirische Untersuchung zu den Denkprozessen von Schüler*innen der Sekundarstufe I beim Lösen von Aufgaben. Wiesbaden: Springer VS.

        Speaker: Marco Steger
      • 15:30
        Active School: Ein ganzheitliches schulisches Bewegungsförderungsprogramm an CH- Sekundarschulen – Wirkungsanalyse auf Lehrpersonen- und Schüler*innenebenebene 30m

        Die positiven Effekte von regelmässiger körperlicher Aktivität sind gut belegt. Die globale und nationale Bewegungsempfehlung von täglich 60 Minuten körperlicher Aktivität wird jedoch nur von einem Teil der Schweizer Kinder- und Jugendlichen erreicht. Zudem zeigt sich, dass der Alltag der Kinder und Jugendlichen nicht nur durch wenig Bewegung, sondern auch durch langandauerndes Sitzen geprägt ist. Dieser Trend der Bewegungsinaktivität steigt vom Kinder- ins Jugendalter stark an.
        Aufgrund der hohen Inklusivität und der Tatsache, dass Kinder und Jugendliche einen beträchtlichen Teil des Tages in der Schule verbringen, scheint es naheliegend, bei der Bewegungsförderung in der Schule anzusetzen. Die meisten schulischen Bewegungsförderungsprogramme fokussieren jedoch auf die Primarstufe. Programme für die Sekundarstufe sind rar, obwohl sich das Problem der Bewegungsinaktivität für diese Altersstufe verstärkt. Weiter ist die Evidenz der schulbasierten Bewegungsprogrammen gemischt, mit durchaus positiven Effekten auf die Bewegungsaktivität der Schülerinnen, die aber langfristig schwierig aufrecht zu erhalten sind. Um die Effekte von schulischen Bewegungsförderungsprogrammen nachhaltig zu gewährleisten, werden demnach ganzheitliche Ansätze diskutiert, die auf verschiedenen Ebenen des Schulsystems ansetzen.
        Mit dem Projekt Active School wird ein solch ganzheitlicher Ansatz gemäss Carson und Webster (2019) verfolgt und auf den drei Ebenen Schüler
        innen, Lehrpersonen und Leitung angesetzt. Im Rahmen eines Schulversuchs mit drei Schweizer Sekundarschulen wird in Zusammenarbeit mit dem Forschungsteam ein auf die jeweilige Schule angepasstes und ganzheitliches Bewegungsförderungsprogramm entwickelt, implementiert sowie evaluiert. Um eine nachhaltige Implementation von schulischen Bewegungsförderungsprogrammen zu gewährleisten, spielen nebst den zeitlichen Ressourcen insbesondere auch die Kompetenzen und positiven Haltungen der Lehrpersonen bezüglich der Bewegungsförderung eine entscheidende Rolle. Im wissenschaftlichen Diskurs wird darauf hingewiesen, dass eine Verhaltensänderung seitens Lehrpersonen unterstützt werden muss. Es wird davon ausgegangen, dass diejenigen Lehrpersonen, welche eine hohe Selbstwirksamkeit zur schulischen Bewegungsförderung aufweisen, das Projekt positiver bewerten und somit eine höhere Veränderungsbereitschaft zeigen und indes vermehrt bewegungsfördernde Massnahmen umsetzen. Umso besser diese Implementation gelingt, desto grösser sollte der Output, also die Bewegungssteigerung auf Seite der Schülerinnen ausfallen.
        Im Rahmen des Promotionsvorhabens wird mittels einer Längsschnittstudie die Wirkung des Active Schools Projekts auf Ebene der Lehrpersonen sowie der Schüler
        innen untersucht. Geplant sind drei Messzeitpunkte jeweils im Abstand von einem Jahr (Baseline, Post, Follow-up). Zur Analyse der Lehrpersonenebene werden Fragebögen eingesetzt, das Bewegungsverhalten der Schüler*innen wird mittels Akzelerometern gemessen.
        Literaturverzeichnis
        Carson, R., & Webster, C. A. (Eds.). (2019). Comprehensive school physical activity programs: Putting
        evidence-based research into practice. Human Kinetics Publishers.

        Speaker: Marion Gasser
      • 16:00
        Die Rolle von Bewegungskoordinator:innen im schulischen Bewegungsförderungsprogramm Active School. Entwicklung und Evaluation einer Weiterbildung für Lehrpersonen der Primar- und Sekundarstufe 1. 30m

        Der Alltag von jungen Menschen ist geprägt durch wenig Bewegung und langanhaltendes Sitzen. Auf- grund der hohen Inklusivität und der Tatsache, dass Kinder und Jugendliche einen beträchtlichen Teil des Tages in der Schule verbringen, kommt der Schule ein enormes Potenzial bei der Gesundheits- und Bewegungsförderung zu. Hier setzt das vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Bern und dem Fachdidaktikzentrum Sport der Pädagogischen Hochschule Bern initiierte Schulentwicklungspro- jekt Active School mit einem Konzept zur ganzheitlichen schulischen Bewegungsförderung an (in An- lehnung an Carson et al., 2014). Im Rahmen eines Schulversuchs wird ein Bewegungsförderungspro- gramm entwickelt, implementiert und evaluiert, welches die Voraussetzungen einzelner Schulen und die Bedürfnisse aller beteiligten Akteure bereits bei der Entwicklung berücksichtigt.
        Aus dem wissenschaftlichen Diskurs sind Strategien für die erfolgreiche Entwicklung, Implementation und Evaluation von schulischen (Bewegungsförderungs-) Programmen bekannt (Carson et al., 2020). Für die nachhaltige Umsetzung von schulischen Entwicklungsprogrammen sind neben den Merkmalen der Innovation und des schulischen Umfeldes vor allem die Kompetenzen und Haltungen der Lehrper- sonen entscheidend. Aktuelle Programme zur schulischen Bewegungsförderung setzen aus diesem Grund Massnahmen zur Schulung und Unterstützung des Schulpersonals um. Es ist allerdings wenig darüber bekannt, wie schulinterne Unterstützungsstrukturen für Lehrpersonen im konkreten Fall aufge- baut werden können und wie die für Bewegungsförderung verantwortlichen Personen den Schulent- wicklungsprozess beeinflussen. Das Promotionsvorhaben will auf der Grundlage eines entwickelten Weiterbildungsangebots für Bewegungskoordinator:innen a) die Umsetzung von Bewegungsförde- rungsmassnahmen aufzeigen, b) die aufgebauten Unterstützungsstrukturen untersuchen und damit de- ren Einfluss auf c) den Schulentwicklungsprozess an ihrer Schule fokussieren.
        Mit einem Design Research Ansatz kann einerseits das Weiterbildungsangebot für Bewegungskoordi- nator:innen in einem iterativen Prozess (weiter-)entwickelt und geprüft werden. Andererseits wird der Einfluss der Bewegungskoordinator:innen auf den Schulentwicklungsprozess mit verschiedenen quali- tativen Verfahren untersucht. Dokumentenanalysen von Planungs- und Umsetzungsdokumenten der Versuchsschulen, Rekonstruktionen von Entscheidungen und Handlungsweisen der Bewegungskoor- dinator:innen mittels Stimulated Recall sowie die durch Ripple Effekt Mapping (Chazdon et al., 2017) dokumentierten Einflussfaktoren im Entwicklungs- und Implementationsprozess werden inhaltsanaly- tisch ausgewertet.

        Speaker: Andrea-Maria Nadenbousch (Pädagogische Hochschule Bern, Schweiz)
    • 14:30 16:30
      Vorstellung Promotionsvorhaben IV: Mentor – Steffen Greve Fel03

      Fel03

      Convener: Steffen Greve (Leuphana Universität Lüneburg)
      • 14:30
        Inklusion als Thema in der Sportlehrkräftebildung – eine vergleichende Studie 30m

        Die Komponenten Einstellung und Selbstwirksamkeitserwartung (nachfolgend SWE) wurden in den letzten Jahren hinsichtlich ihrer Wirkung und Bedeutung für das Unterrichten in heterogenen Lerngruppen aus der Studierenden- und Lehrer*innenperspektive mehrfach empirisch untersucht (u.a. Thomas & Leineweber, 2018). Dabei konnte der Erhebungsstandort als eine potenzielle einstellungs- und selbstwirksamkeitsrelevante Einflussgröße herausgestellt werden (Ruberg & Porsch, 2017; Hellmich et al., 2016), findet bisher in der nationalen Forschung auf Bundesebene und in Bezug auf Sportunterricht allerdings noch keine Berücksichtigung.
        Angesichts dieses Forschungsdesiderats zielt die erste Studie eines dreiteiligen kumulativen Promotionsvorhabens auf die Erfassung und den Vergleich der Einstellung und SWE von Sportlehramtsstudierenden unterschiedlicher Hochschulstandorte in Bezug auf das Thema Inklusion und inklusives Unterrichten.
        Bei der Studie handelt es sich um eine Querschnittstudie im Mixed-Methods-Design, die im ersten Schritt die Einstellung und SWE von Sportlehramtsstudierenden des ersten Fachsemesters (n=400) an vier Hochschulstandorten mittels eines quantitativen Fragebogens erfasst und mit besonderem Fokus auf dem Erhebungsstandort vergleicht. Als Messinstrument werden die validierte E-Het- und SW-Het-Skala nach Thomas und Leineweber (2018) eingesetzt, die speziell für den Sportunterricht entwickelt wurden. Auf Basis der generierten Erkenntnisse wird im zweiten Schritt anhand qualitativer leitfadengestützter Interviews möglichen Erklärungsansätzen für die Ergebnisse nachgegangen. Dabei werden sowohl standortbezogene als auch biografische Faktoren untersucht.
        In Anknüpfung an die Ergebnisse aus Studie I zielen die Studien II (quantitative Längsschnittstudie) und III (qualitative Längsschnittstudie) auf die Untersuchung der Entwicklung der Einstellung und SWE von Sportlehramtsstudierenden der Universität Leipzig im Studienverlauf.
        Aktuell beschäftige ich mich mit der Datenerhebung und -auswertung von Studie I und würde die Ergebnisse gerne bei der Nachwuchstagung vorstellen und mögliche Anschlusspunkte für Längsschnittstudie II diskutieren.

        Literatur
        Hellmich, F., Görel, G., & Schwab, S. (2016). Einstellungen und Motivation von Lehramtsstudentinnen und-studenten in Bezug auf den inklusiven Unterricht in der Grundschule. Ein Vergleich zwischen Deutschland und Österreich. Empirische Sonderpädagogik, 8(1), 67-85.
        Ruberg, C., & Porsch, R. (2017). Einstellungen von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften zur schulischen Inklusion. Ein systematisches Review deutschsprachiger Forschungsarbeiten. Zeitschrift für Pädagogik, 63(4), 393-415.
        Thomas, M., & Leineweber, H. (2018). Erfassung von Einstellung, Selbstwirksamkeit und Belastungsempfinden von Sportlehrkräften bezogen auf heterogene Lerngruppenzusammensetzungen: Reliabilität und Validität der drei Messinstrumente. Empirische Sonderpädagogik 10(3), 273-293.

        Speaker: Greta Engelke (Universität Leipzig)
      • 15:00
        Entwicklung professioneller Überzeugungen von angehenden Sportlehrkräften im Hinblick auf einen kognitiv aktivierenden Sportunterricht 30m

        Einleitung
        Überzeugungen von (angehenden) Lehrkräften beeinflussen ihr Unterrichtshandeln sowie ihre professionelle Entwicklung (z. B. Aufnahme und Verarbeitung von Professionswissen). Aufgrund ihres biographischen Erwerbs, der u. a. auf sozial geteilten Erfahrungen beruht (z. B. im Sportunterricht, Sportverein), gelten Überzeugungen einerseits als relativ stabil, andererseits aber durchaus als veränderbar (Ferry, 2018). Die Frage nach einer gelingenden Professionalisierung bemisst sich u. a. an einem qualitätsvollen und damit kognitiv aktivierenden Sportunterricht (Herrmann & Gerlach, 2020). Das Promotionsvorhaben fragt, wie sich professionelle Überzeugungen von angehenden Sportlehrkräften im Verlauf der Sportlehrer:innenbildung im Hinblick auf einen kognitiv aktivierenden Sportunterricht entwickeln.

        Methodisches Vorgehen
        In einem Scoping Review wurden zunächst methodisch-didaktische Merkmale eines kognitiv aktivierenden Sportunterrichts analysiert. In einer qualitativen Längsschnittstudie (Trenddesign) wurden Gruppendiskussionen mit angehenden Sportlehrkräften zu vier verschiedenen Zeitpunkten ihrer Ausbildung geführt (Nt1 = 13, Mage = 19,4 Jahre; Nt2 = 12, Mage = 22,4 Jahre; Nt3 = 6, Mage = 26,0 Jahre; Nt4 = 13, Mage = 29,4 Jahre), um kollektiv geteilte Überzeugungen zu erfassen. Die Datenauswertung erfolgt mittels Reflexive Thematic Analysis (Braun & Clarke, 2020), wobei Ergebnisse des Scoping Reviews als Analysekategorien fungieren. Aus dem Vergleich der verschiedenen Querschnittserhebungen werden Erkenntnisse über die qualitative Entwicklung der Überzeugungen generiert.

        Vorläufige Ergebnisse
        Es wurden neun methodisch-didaktische Merkmale eines kognitiv aktivierenden Sportunterrichts identifiziert. Zu Beginn der Sportlehrer:innenbildung dominiert die Überzeugung einer transmissiven Wissensvermittlung, die die Planung kognitiv aktivierender Lernaufgaben begrenzt. Die systematische Auswertung der weiteren Erhebungszeitpunkte steht noch aus. Es deutet sich aber an, dass eine elaborierte Berücksichtigung kognitiver Aktivierung über den gesamten Verlauf der Sportlehrer:innenbildung eine Herausforderung darstellt und dem Erwerb von Bewegungskompetenzen oftmals nachgeordnet wird.

        Literatur
        Braun, V. & Clarke, V. (2020). One size fits all? What counts as quality practice in (reflexive) thematic analysis? Qualitative Research in Psychology, 1-25. doi:10.1080/14780887.2020.1769238
        Ferry, M. (2018). Physical education preservice teachers’ perceptions of the subject and profession: development during 2005–2016. Physical Education and Sport Pedagogy, 23(4), 358–370.
        Herrmann, C. & Gerlach, E. (2020). Unterrichtsqualität im Fach Sport – Ein Überblicksbeitrag zum Forschungsstand in Theorie und Empirie. Unterrichtswissenschaft, 48(3), 361–384.

        Speaker: Sophie Engelhardt (Eberhard Karls Universität Tübingen)
      • 15:30
        Förderung von Kompetenzen von Lehrpersonen in der Umsetzung inklusiven Sportunterrichts - Analyse eines evidenzbasierten Weiterbildungsprojekts 30m

        Schlüsselwörter: Inklusiver Sportunterricht, Weiterbildungskonzept, soziale Partizipation

        Einleitung
        Im Rahmen eines Dissertationsprojekts wurde ein evidenzbasiertes Konzept einer Fortbildung zum Thema «vielfältig kooperieren im inklusiven Sportunterricht» entwickelt. An-schliessend wurde die Fortbildung mit Lehrpersonen, welche alle ein Kind mit kognitiver Beeinträchtigung im Fach Sport inklusiv unterrichteten, durchgeführt. Diese zielte darauf ab, den Umgang mit heterogenen Sportklassen mittels Einstellungsveränderungen und praxisbezogenen Umsetzungsideen zu verbessern, um den integrierten Kindern mit kognitiver Beeinträchtigung eine verbesserte soziale Partizipation im inklusiven Sportunterricht zu er-möglichen. Dabei wurde vor Weiterbildungsbeginn die personell-situativen Voraussetzungen der einzelnen Lehrpersonen untersucht, um deren Herausforderungen zu verstehen und deren Entwicklung während der Weiterbildungs- und Umsetzungsphase schliesslich in Fallstudien darstellen zu können. Die einzelnen Fallstudien dienen dazu, die Wirksamkeit des Konzepts zu beurteilen, um dieses aufgrund der Befunde zu optimieren.

        Methode
        Der erste Messzeitpunkt (T1) erfolgte kurz vor dem Start der Weiterbildung. Dazu gehörten eine Lehrpersonenbefragung mittels Online-Fragebogen sowie ein Interview mit den Lehrpersonen. Der Einstieg ins Interview beinhaltete ein Stimulated Recall zu einer kritischen Szene aus dem eigenen Unterricht. Um die Umsetzungserfahrungen nach drei Monaten zu eruieren, erfolgte ein weiteres Interview (T2) und ein erneutes Ausfüllen des Online-Fragebogens in gekürzter Form. Nach der zweiten Treatmentphase wurde die Untersuchung mit einem ausführlichen Interview und einer Wiederholung des Stimulated Recalls zur selben Szene wie bei T1 abgeschlossen. Ebenfalls protokollierten die Lehrpersonen die Implementierung der Kursinhalte. Alle Interviews werden nun mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2016) ausgewertet und miteinander verglichen und wo möglich mit den Daten der Onlinefragebögen von T1 und T2 trianguliert, um festzustellen, inwiefern sich bei den Lehrpersonen eine Entwicklung abzeichnen lässt. Ebenfalls erfolgt eine deskriptive Auswertung der ausgefüllten Fragebögen zur Implementierung der Kursinhalte.

        Ergebnisse und Diskussion
        Es sind erste Ergebnisse in Form von drei kontrastierenden Fällen vorhanden. Sie zeigen die Entwicklung (vor, während, nach der Weiterbildung) der Lehrpersonen auf. Allenfalls sind bis zur DVS-Tagung weitere fallübergreifende Befunde. Aufgrund der Befunde sind bereits einige Ideen zur Weiterentwicklung des Weiterbildungskonzepts vorhanden.

        Literatur
        Kuckartz, U. (Hrsg.). (2016). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Beltz Juventa.

        Speaker: Sonja Lienert (Pädagogische Hochschule Luzern)
      • 16:00
        Habituelle Differenzerfahrungen von (angehenden) Sportlehrkräften in fremden Bewegungsfeldern - Eine qualitative Interviewstudie am Beispiel des Bereichs „Gestalten, Tanzen, Darstellen" 30m

        Der Sportbereich „Gestalten, Tanzen, Darstellen“ gilt als fester Bestandteil der Lehrpläne aller Bundesländer für das Fach Sport, was mitunter auf seine signifikanten Potenziale für den Sportunterricht zurückzuführen ist (Dreher Mansur et al., 2022). Trotz einer Fülle an möglichen positiven Lerneffekten und der Verbindlichkeit aufgrund der curricularen Verankerung wird der Bereich Tanz jedoch wenig unterrichtet (u.a. Hafner, 2020; Berger et al., 2021). Dies ist unter anderem auf Faktoren zurückzuführen, welche in enger Verbindung mit der unterrichtenden Lehrperson stehen.

        Ein Mangel an praktischer Erfahrung und vermittlungsmethodischem Wissen, explizite Kompetenzdefizite, Prägung durch geschlechterstereotype Vorstellungen im Sport, keiner ausreichenden Hilfestellungen von au- ßen sowie aus all dem resulitierende Überforderungen tragen ebenso wie die große Bandbreite des Inhalts- bereichs dazu bei, dass Sportlehrkräfte die praktische Durchführung des Bewegungsfelds im Sportunterricht vermeiden (Klinge & Freytag, 2007; Behrens, 2012; Adolf, 2017; Hafner, 2020; Neuber, 2020).

        Um sich der Problematik theoretisch zu nähern, bietet sich ein Zugang über die Habitus-Theorie nach Pierre Bourdieu (u.a. 1978) an. Zur Schärfung des theoretischen Fokus‘ wird ein konkreter Bezug zum Fach und dem damit verbundenen Sportler*innenhabitus genommen (u.a. Volkmann, 2008; Meister, 2018).

        Der bisherige Forschungsstand lässt auf die folgenden vier zentralen Aspekte schließen:
        • Der Sportlerinnenhabitus prägt das Individuum kontinuierlich (vor der Ausbildung, im Studium, im
        Referendariat, innerhalb der ersten Berufsjahre). (u.a. Volkmann, Klinge, Ernst, Czyrnick-Leber)
        • Der Sportler
        innenhabitus kann sich hinderlich auf die Entwicklung zu einer professionellen Lehrkraft auswirken, wenn er auf das eigene Sporttreiben und damit die eigene Sportbiografie begrenzt bleibt.
        (u.a. Schierz, Hericks, Klinge, Ernst, Czyrnick-Leber)
        • Eine kritische Reflexion des eigenen Sportler*innenhabitus‘ innerhalb der Ausbildung verbleibt unzu-
        reichend. (u.a. Schierz, Ernst, Volkmann, Klinge)
        • Eine kritische Reflexion muss bewusst hervorgerufen werden, um in den berufichen Anforderungen
        (auch außerhalb der eigenen habitualisierten Sportarten) professionell agieren zu können.

        Von Interesse wäre demnach eine Beleuchtung der Auswirkungen des Habitus‘ und einer (ausbleibenden) Reflexion dessen in der Berufspraxis. Hierzu würden sich Lehrende innerhalb der Berufsphase des Referen- dariats als Zielgruppe anbieten, da das Unterrichten von unterschiedlichen Bewegungsfeldern/Sportbereichen – und somit auch Tanz – zu dieser Zeit der Ausbildungsphase eine Verpflichtung darstellt. Daraus ergibt sich die folgende Forschungsfrage für das Gesamtvorhaben: Welche Auswirkungen von Habitualisierungspro- zessen („transformierter“ vs „manifestierter“ Habitus) im Sportstudium zeigen sich im Berufsalltag (Referendariat) hinsichtlich des Unterrichtens habitusfremder Inhalte?

        Da nur wenige Schülerinnen, Sportstudierende und Sportlehrende außerhalb von Lehrkontexten im Bereich Tanz aktiv sind, bietet sich ein Fokus auf diesen Sportbereich für eine erste Erhebung zum Themenfeld an, um vielfältige Formen des Umgangs im pädagogischen Handeln nachzuzeichnen (Czyrnick-Leber, 2019). Denkbar wäre ein qualitatives Forschungsdesign, um in diesem Rahmen eine Interviewstudie mit Lehramts- anwärterinnen am Ende ihres Referendariats durchzuführen. Dabei ließe sich ihre Einstellung zum Unterrich- ten von der eigenen Sportbiografie fernen Unterrichtsinhalten fokussieren.

        Ziele der Arbeit:

        1. Mögliche Erklärungen für die Kennzeichen von Krisen bei (angehenden) Sportlehrkräften bei erstma- ligem Unterrichten eines habitusfernen Bewegungsfelds finden

        2. Ableiten der größten Hürden bzw. Problemfelder für die Lehrenden, die überwunden werden müssen

        3. Strategien des Unterrichtens von (angehenden) Sportlehrkräften in dem für sie biografiefernen Bewe-
          gungsfeld Gestalten, Tanzen, Darstellen identifizieren

        4. Ableiten von Gelingensbedingungen

        Literatur
        Adolf, O. (2017). Tanzen mit Jungs!? - Es lohnt sich!: Hip-Hop in der Schule. Lehrhilfen für den Sportunter- richt, 5, S. 1-3.
        Behrens, C. (2012). Innere Welten rekonstruieren. Empirische Studien zum Aspekt der Selbstwerterhaltung beim Tanzen und Gestalten. In C. Behrens, H. Burkard, C. Fleischle-Braun & K. Obermaier (Hrsg.), Tanzerfahrung und Welterkenntnis. Jahrbuch Tanzforschung, Bd. 22, (S. 193-206). Leipzig: Henschel- Verlag.
        Bourdieu, P. (1978). Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Ge- sellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
        Berger, R.; Rubeli, B.; Valkanover, S. (2021). Mit kreativem Darstellen und Tanzen sich selbst kennenlernen. Selbstkonzeptförderung konkret. Sportunterricht, 70 (6), 265-268.
        Czyrnick-Leber, U. (2019). Tanz in der Sportlehrkräfteausbildung. Habitualisierungen – Ambivalenzen – Wi- derstände (Schriften zur Sportwissenschaft, 153). Hamburg: Verlag Dr. Kovac.
        Czyrnick-Leber, U., Ukley, N., & Schirrmacher, N. (2022). Irritationen des Körperwissens – Förderung von Transformationsprozessen des fachlichen Habitus durch Krisenerfahrungen im Tanz. Narrative zwi- schen Wissen und Können : aktuelle Befunde aus Sportdidaktik und Sportpädagogik, S. 77-90.
        Dreher Mansur, S., Krauß, N., & Braunagel, J. (2022). Sportpraxis reflektiert: Mit Jungs Tanzen? So geht ́s! Sportpraxis, 63 (4), S. 26-30.
        Ernst, C. (2017). Professionalisierung, Bildung und Fachkultur im Lehrerberuf Rekon- struktionen zur biogra- phischen Entwicklung von Sportlehrkräften. Wiesbaden: Springer.
        Hafner, S. (2020). Tanzen im Sportunterricht: Eine Wahlverwandtschaft mit begrenztem Mehrwert - Konse- quenzen für die Lehrer*innenbildung. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-on- line.de/artikel/tanzen-sportunterricht-wahlverwandtschaft-begrenztem-mehrwert-konsequenzen-lehrer (letzter Zugriff am 31.01.2023).
        Hericks, U.; Keller-Schneider, M. (2011). Beanspruchung, Professionalisierung und Entwicklungsaufgaben im Berufseinstieg von Lehrerinnen und Lehrern. In: Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbildung 11, S. 20-31.
        Klinge, A. (2000). Zur Notwendigkeit biographischer Selbstreflexion in der Sportlehrer(aus)bildung. Sportwis- senschaft, 4, S. 443-453.
        Klinge, A. (2007). Entscheidungen am Körper. Zur Grundlegung von Kompetenzen in der Sportlehrerausbil- dung. In W.-D. Miethling & P. Gieß-Stüber (Hrsg.), Beruf: Sportlehrer/-in – Über professionelles Selbst von Sport- und Bewegungslehrern (S. 25-38). Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren.
        Klinge, A. (2008). Körperwissen – Eine vernachlässigte Dimension der Sportpädagogik. Kumulative Habilita- tionsschrift zur Erlangung der Vendia Legendi im Fachgebiet Sportpädagogik. Habilitationsschrift, Ruhr-Universität Bochum.
        Klinge, A. & Freytag, V. (2007). Gute Aufgaben zum Tanzen (er-)finden. Sportpädagogik, 31 (4), 4-11. Meister, N. (2018). Transformationsprozesse durch universitäre Krisenerfahrungen? Die Entwicklung eines
        fachspezifischen Habitus von Sport-Lehramtsstudierenden - In: Zeitschrift für interpretative Schul- und
        Unterrichtsforschung 7, S. 51-64.
        Meister, N. (2019). „Sportlerhabitus“ in der Krise? Zum Professionalisierungspotential von Praktikumserfah-
        rungen. In M. Hartmann, R. Laging & C. Scheinert (Hrsg.), Professionalisierung in der Sportlehrerbil- dung – Konzepte und Forschungen im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Bewegungspä- dagogik,13 (S. 138 -151). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.
        Neuber, N. (2020). Fachdidaktische Konzepte Sport: Zielgruppen und Voraussetzungen (1. Aufl.). Wiesba- den: Springer VS.
        Schierz, M. (2014). Sportdidaktik wiederbelebt – professionalisierungstheoretische Reflexionen zu einem Rettungsversuch. Zeitschrift für Sportpädagogische Forschung, 2 (1), S. 3–20.
        Schiertz, M., & Miethling, W-D. (2017). Sportlehrerprofessionalität: Ende einer Misere oder Misere ohne Ende? Zwischenbilanz der Erforschung von Professionalisierungsverläufen. German Journal of Exer- cise and Sport Research, 47 (1), S. 51-61.
        Volkmann, V. (2008). Biographisches Wissen von Lehrerinnen und Lehrern. Der Einfluss lebensgeschichtli- cher Erfahrungen auf berufliches Handeln und Deuten im Fach Sport. Wiesbaden: VS Research.

        Speaker: Miriam Jordis Kuhrs
    • 16:30 18:00
      Nachwuchstagung: Austausch- und Dialogforum Hörsaal

      Hörsaal

    • 18:00 22:00
      Nachwuchstagung: Abendprogramm Isekai

      Isekai

    • 09:00 10:00
      Nachwuchstagung: Hauptvortrag – Internationalisierung in der sportpädagogischen Forschung Hörsaal

      Hörsaal

      Im Rahmen von Forschungsaktivitäten in den Bereichen Schulsport und Sportpädagogik an Hochschulen gewinnen Internationalisierung und internationale Vernetzung zunehmend an Bedeutung. Unter Internationalisierung kann hierbei die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Forschern aus verschiedenen Ländern mit dem Ziel der Verbesserung der Qualität und Relevanz der sportpädagogischen Forschung verstanden werden. Betrachtet man dabei den Begriff Sportpädagogik in einem internationalen Kontext, so können dabei drei zentrale Aspekte als Grundlage von Forschungsinteressen stehen: (1) Sportpädagogik im nationalen/regionalen/internationalen Kontext; (2) Lernende und lernen; (3) Lehrende und lehren. Einen ländervergleichenden Überblick zu dieser Thematik gibt es z.B. bei Naul & Scheuer (2020a, 2020b, 2020c) oder, mit Fokus auf Aspekte des Schulsports, bei Onofre et al. (2012a, 2012b).
      Internationale Vernetzung sollte dabei ein grundlegendes Interesse eines (angehenden) Forschers sein. Für eine entsprechende Vernetzung bieten sich internationale Organisationen wie AIESEP (Association Internationale des Ecoles Supérieures d’Education Physique - International Organization for Physical Education in Higher Education), CEREPS (Conseil Européen de la Recherche en Éducation Physique et Sportive - European Council of Research in Physical Education and School Sport), EERA (European Educational Research Association) - Research in Sport Pedagogy Network, FIEPS-Europe (Fédération Internationale d’Éducation Physique et Sportive – International Federation of Phyiscal and Sport Education) oder EUPEA (Eurpean Physical Education Association) an. Diese Organisationen, welche über individuelle und/oder institutionelle Mitgliedschaftsoptionen verfügen, bieten Teilnahmemöglichkeiten an regelmäßig durchgeführten Kongressen und Konferenzen an, welche somit einen optimalen Rahmen bieten, um Kontakte auf europäischer bzw. internationaler Ebene zu knüpfen.
      Ebenfalls relevant im Rahmen von Internationalisierung sind europäische Förderprogramme, die insbesondere im Rahmen von Erasmus+ einen optimalen Einstieg in internationale Forschungskooperation und -zusammenarbeit bieten. Einen ersten Einblick in die Projektakivitäten von EUPEA in Erasmus+ bieten hier Scheuer, Repond und Holzweg (2019).
      Der Vortrag versucht demnach, einen Einblick in Internationalisierung und Vernetzung im Bereich Sportpädagogik im europäischen Kontext im Rahmen von europäischen Netzwerken und Forschungsprogrammen zu geben.

      Literatur
      Naul, R., & Scheuer, C. (2020a). Comparative analysis of physical education and school sport development and research in Europe. In R. Naul & C. Scheuer, Research on Physical Education and School Sport in Europe (Edition Schulsport, Band 38; S. 520-544). Aachen: Meyer & Meyer.
      Naul, R., & Scheuer, C. (2020b). Historical roots and strands of physical education and school sport development in Europe. In R. Naul & C. Scheuer, Research on Physical Education and School Sport in Europe (Edition Schulsport, Band 38; S. 22-36). Aachen: Meyer & Meyer.
      Naul, R., & Scheuer, C. (Hrsg.) (2020c). Research on Physical Education and School Sport in Europe (Edition Schulsport, Band 38). Aachen: Meyer & Meyer.
      Onofre, M., Marques, A., Moreira, R., Holzweg, M., Repond, R.-M., & Scheuer, C. (2012a). Physical education and sport in Europe: From individual reality to collective desirability (Part 1). International Journal of Physical Education, 49(2), 17-31.
      Onofre, M., Marques, A., Moreira, R., Holzweg, M., Repond, R.-M., & Scheuer, C. (2012b). Physical education and sport in Europe: From individual reality to collective desirability (Part 2). International Journal of Physical Education, 49(3), 31-35.
      Scheuer, C., Repond, R.-M., & Holzweg, M. (2019). Erasmus+-funded HEPA: Promoting projects in Europe. Project activities of the European Physical Education Association. In C. Scheuer & D. Dreiskämper, Schola Ludens Europaea: papers dedicated to Roland Naul (S. 167-182). Aachen: Meyer & Meyer.

      Convener: Claude Scheuer (EUPEA)
    • 10:00 10:30
      Pause 30m Mollerstraße 10

      Mollerstraße 10

    • 10:30 11:30
      Nachwuchstagung: Workshop – Berufsbiographische Einblicke in die Post-Doc Phase PC-Pool Raum

      PC-Pool Raum

      Convener: Jonas Wibowo (Bergische Universität Wuppertal)
    • 10:30 11:30
      Nachwuchstagung: Workshop – Publikationsstrategien Seminarraum 13

      Seminarraum 13

      Convener: Bettina Wollesen
    • 10:30 11:30
      Nachwuchstagung: Workshop – Qualitative Forschungsmethoden Lesesaal

      Lesesaal

      Convener: Julia Hapke (Universität Koblenz)
    • 10:30 11:30
      Nachwuchstagung: Workshop – Quantitative Forschungsmethoden Fel 01

      Fel 01

      Convener: Jeffrey Sallen (Universität Leipzig/Professur für Sportpädagogik)
    • 11:30 12:30
      Nachwuchstagung: Versammlung des wiss. Nachwuchs & Abschluss Hörsaal

      Hörsaal

    • 13:00 14:00
      Eröffnung 1h Turmweg 2 Sporthalle

      Turmweg 2 Sporthalle

      Sporthalle
    • 14:00 15:00
      Hauptvortrag 1: Sportdidaktik im Kontext anderer Fachdidaktiken und der allgemeinen Fachdidaktik Sporthalle

      Sporthalle

      Die Allgemeine Fachdidaktik ist im Kontext der Gesellschaft für Fachdidaktik entwickelt wor-den. Zwei Gründe sprechen dafür, dass dieser Entstehungskontext keineswegs zufällig ist: Erstens legt sich in Anbetracht des Zusammenseins von inzwischen über 30 Fachdidaktiken in der GFD die Frage nahe, was diesen Fachdidaktiken gemeinsam ist und was sie unterscheidet. Zweitens entstand bei der GFD-Jahrestagung 2009 zum Thema „Empirische Fundierung der Fachdidaktiken“ der Eindruck, dass die fachdidaktischen Diskurse und Forschungsarbeiten un-zureichend von der Allgemeinen Didaktik rezipiert würden. Was aber ist das Allgemeine der Allgemeinen Didaktik, wenn für ihre Theoriebildung das Besondere der Fachdidaktiken keine konstitutive Rolle spielt? In der Folge entstand nach dieser Jahrestagung die GFD-Arbeitsgruppe „Allgemeine Fachdidaktik“. Dabei führten bereits die ersten Vergleiche zwischen den fünf Fachdidaktiken (Biologie, Deutsch, Englisch, Musik, Religion) in Band 1 der Allgemeinen Fachdidaktik (Bayrhuber u.a. 2017) zu aufschlussreichen Ergebnissen (Rothgangel 2017). Aus diesem Grund wurde die entsprechenden Impulse für Band 2 der Allgemeinen Fachdidaktik (Rothgangel u.a. 2021) ausdifferenziert und stellten Vertreter:innen aus 17 Fachdidaktiken – darunter auch die Sportdidaktik (Oesterhelt u.a. 2021) – auf der Grundlage von sechs Impulsen ihr Fach und ihre Fachdidaktik dar. Im vorliegenden Vortrag werden wesentliche Ergebnisse dieses Vergleichs dargelegt, wobei ein besonderes Augenmerk der Sportdidaktik gelten wird (vgl. auch Gerlach & Brandl-Bredenbeck 2022): Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede weist sie bei diesen Impulsen im Vergleich zu anderen Fächern und Fachdidaktiken auf?
      Literatur
      Bayrhuber, H., Abraham, U., Frederking, V., Jank, W., Rothgangel, M. & Vollmer, H. J. (2017). Auf dem Weg zu einer Allgemeinen Fachdidaktik. Allgemeine Fachdidaktik Band 1. Münster: Waxmann.
      Gerlach, E., Brandl-Bredenbeck, H.P. (2022). Systematik zentraler Forschungsansätze. InBalz, E., Reuker,S., Scheid, V., Sygusch, R., Sportpädagogik. Eine Grundlegung (S. 169-185). Stuttgart: Kohlhammer.
      Oesterhelt, V., Gerlach, E., Grimminger, E., & Friedrich, G. (2021). Sportdidaktik. Bestandsaufnahme und Forschungsperspektiven. In M. Rothgangel, U. Abraham, H. Bayrhuber, V. Frederking, W. Jank & H. J. Vollmer (Hrsg.), Lernen im Fach und über das Fach hinaus: Bestandsaufnahmen und Forschungsperspektiven im Vergleich. Allgemeine Fachdidaktik Band 2 (2. Aufl.) (S. 391–418). Münster: Waxmann.
      Rothgangel, M. (2017). Vergleich der Fächer. In Bayrhuber, H., Abraham, U., Frederking, V., Jank, W., Rothgangel, M. & Vollmer, H. J.: Auf dem Weg zu einer Allgemeinen Fachdidaktik. Allgemeine Fachdidaktik Band 1. Münster: Waxmann, S. 137–146.
      Rothgangel, M., Abraham, U., Bayrhuber, H., Frederking, V., Jank, W., & Vollmer, H. J. (Hg.) (2021). Lernen im Fach und über das Fach hinaus: Bestandsaufnahmen und Forschungsperspektiven aus 17 Fachdidaktiken im Vergleich. Allgemeine Fachdidaktik Band 2 (2. Aufl.), Münster: Waxmann.

      Convener: Martin Rothgangel
    • 15:00 16:30
      Postersession Sporthalle

      Sporthalle

      • 15:00
        Didactical art of teaching in physical education between knowledge and skill - reconstruction of task-related knowledge and skills of physical education teachers 1h 30m

        Introduction
        Since a progressive empirical turn and competence orientation in German physical education research, the didactical concept of "teaching art" (Funke-Wieneke, 2007; Lange, 2005; Comenius, 1993/1683) seems to be increasingly lost from the didactical discourse on physical education (PE). For the professionalization of physical education teachers how-ever, this concept seems highly relevant since it describes the practice-oriented didactical thinking and acting (Lange, 2005, p. 4) in its performative dimension. However, it lacks empirical proof and evidence. Reconstructions of orientations of physical education teachers can be interpreted as an approach to describe and understand the individual art of teaching.

        Theoretical background and state of research
        In this empirical study, the art of teaching is understood rather as the individual ability of physical education teachers to act professionally in situational and context-dependent situations. Characteristics of teaching art point beyond conditional factors such as action- and perception-guiding orientations (Schiller, 2020) and further refer to implicit and explicit knowledge in the form of subject-, teaching-, learning-, fact-, self-, and student-understandings (Ratzmann, Rode & Amesberger, 2020). Following Polanyi (1985) and Ryle (1949) Neuweg (1999, 2014, 2019) interprets and captures dimensions of knowledge in task-related performative action as the skills of physical education teachers. The essence and core of sport-instructional (implicit) orientations, is revealed in practices of task setting in its performative dimension. Task-related knowledge and skills are therefore the object of research and investigation in this study.

        Research question
        The main research question is which didactical procedure in physical education characterizes an individual teaching art and how therefore practices of task settings show up.

        Methodology and research design
        The research project is understood as a triangulation of a sociological and a phenomenological approach to the phenomenon of task-related knowledge and skills with the aim of gaining empirical insights into practices of task-setting.

        Discussion and initial results
        The evaluation of the key cases shows that the methodical (episodic narrative interviews and videography) and methodological (documentary method and pedagogical-phenomenological videography) triangulation for researching the phenomenon of task-related knowledge and skills of PE teachers can provide new insights into the individual teaching art.

        Based on the phenomenological analysis of the videography it could be elaborated that Johanna Jansen's art of teaching, in addition to the reconstructed orientation to the "form of movement" and the orientation to "safety", is above all also conditioned by the fact that the students attribute authority to her.

        Speaker: Alexander Ratzmann (Philipps-Universität Marburg)
      • 15:00
        Die „Walkthrough-Methode“ als Möglichkeit zur Förderung der digitalisierungsbezogenen Reflexionskompetenz in der SportlehrerInnenausbildung 1h 30m

        Einleitung
        In der Diskussion darüber, welche Kompetenzen (Sport-)LehrerInnen benötigen, um die Entwicklungen der Digitalisierung angemessen im Unterricht zu berücksichtigen, nimmt die kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit digitalen Medien einen wichtigen Stellenwert ein, wird aber bislang eher randständig betrachtet (z.B. Rode 2021). Das vorzustellende Forschungsprojekt geht zum einen der Frage nach, wie sich die kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit digitalen Medien im Sportunterricht inhaltlich konkretisieren und empirisch untersuchen lässt. In Anlehnung an u.a. Aeppli und Lötscher (2016) wird sie als digitalisierungsbezogene Reflexionskompetenz konzeptualisiert. Zum anderen soll herausgefunden werden, wie ein Lehrkonzept aussehen könnte, das diese digitalisierungsbezogene Reflexionskompetenz fördert und inwiefern diese Förderung stattfindet.
        Methode
        Es wurde ein Lehrkonzept entwickelt, in dem die sog. „Walkthrough-Methode“ (Meister & Slunecko, 2021) ein besonderes Potenzial zu haben scheint, um Reflexionsprozesse bei Studierenden anzustoßen. Im Sinne der fachdidaktischen Entwicklungsforschung (Prediger et al., 2012) wird dieses Lehrkonzept auf Basis empirischer Analysen weiterentwickelt. In einem quasi-experimentellen Prä-Post-Design werden zu Beginn und am Ende der Lehrveranstaltungen schriftliche Befragungen mit quantitativen und qualitativen Fragenelementen durchgeführt. Daneben dienen die im Seminar angefertigten „Feldnotizen“ und Dokumente der Analyse der Lernprozesse.
        Ergebnisse und Diskussion
        Im Beitrag sollen erste empirische Ergebnisse vorgestellt werden. Hierbei interessiert vor allem, inwiefern die Digitalisierungsdebatte nicht nur von den Schulfächern und so auch dem Fach Sport und seinen Fachdisziplinen Sportpädagogik und -didaktik aufzugreifen ist, sondern auch, welche Impulse sich aus der empirischen Analyse heraus wiederum in die Debatte um die Berücksichtigung von Digitalisierungsprozessen in der (hoch-)schulischen Bildung zurückgeben lassen. Der Sitzplatz zwischen den beiden „Stühlen“ bildungspolitischer Forderung und fachlicher Konkretisierung wird hiermit diskutiert.
        Literatur:
        Aeppli, J. & Lötscher, H. (2016). EDAMA – Ein Rahmenmodell für Reflexion. Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung 34 (1), S. 78-97.
        Meister, M. & T. Slunecko (2021). Digitale Dispositive psychischer Gesundheit. Eine Analyse der Resilienz-App ‚Super Better‘. Zeitschrift für qualitative Forschung, 22 (2), S. 242-265.
        Prediger, S., Link, M., Hinz, R., Hußmann, S., Ralle, B. & Thiele, J. (2012). Lehr-Lernprozesse initiieren und erforschen. Fachdidaktische Entwicklungsforschung im Dortmunder Modell. Mathematischer und Naturwissenschaftlicher Unterricht (MNU), 65 (8), 452–457.
        Rode, D. (2021). Digitalisierung als kultureller Prozess – Grundlegende Bestimmungen und sportpädagogische Anschlüsse jenseits der Technologie. In C. Steinberg & B. Bonn (Hrsg.), Digitalisierung und Sportwissenschaft (S. 39-62). Baden-Baden: Academia.

        Speaker: Svenja Kamper (TU Dortmund)
      • 15:00
        Differenzsetzungen von Sportlehrkräften in einem Sportunterricht in heterogenen Lerngruppen an Regelschulen 1h 30m

        Im Sportunterricht ist von einer großen Heterogenität der Lernenden auszugehen, die für Sportlehrkräfte im schulischen Alltag eine große Herausforderung bedeuten kann (Frohn & Grimminger, 2020). Die Heterogenität wird dabei nicht nur von außen an die Organisation Schule herangetragen, sondern Differenzsetzungen werden kontinuierlich in unterrichtlichen Interaktionen und Handlungen erzeugt (u.a. Sturm, 2018). Den Lehrkräften kommt bei dieser Konstruktion von Differenzen eine besondere Bedeutung zu, da sie die relevanten Akteure*innen sind, um den Unterricht maßgeblich zu gestalten (Sturm, 2018).

        In der Sportpädagogik existieren zwar Studien zur Differenzforschung. Diese rücken aber meist einzelne, von vorneherein unterschiedene Differenzkategorien in den Fokus ihrer Betrachtung (u.a. Wolters, 2002). Welche Differenzen im praktischen Vollzug durch die Sportlehrkräfte relevant werden, bleibt dabei eher unberücksichtigt. Vor diesem Hintergrund fragt die eigene Studie danach, welche Differenzen im Sportunterricht in heterogenen Lerngruppen durch die Sportlehrkräfte an Regelschulen zum Thema gemacht werden und wie sie damit umgehen. Dabei verortet sich die Studie im Bereich der erziehungswissenschaftlichen Differenzforschung. Auf theoretischer Ebene werden die Ergebnisse vor dem Hintergrund differenztheoretischer Perspektiven und Ansätzen der Intersektionalität als durchaus kontroverser Zugänge diskutiert (u.a. Merl, 2019).

        In einer empirischen Untersuchung wurden im Sportunterricht in der Sekundarstufe 1 Sportlehrkräfte audiogestützt über mehrere Wochen beobachtet (N=5). Die chronologischen Beobachtungsprotokolle beinhalten den Unterrichtsmitschnitt und kurze Feldgespräche über die Audiospur der Sportlehrkraft und die Feldnotizen der Forscherin. Aktuell werden die Daten in MAXQDA mit einer inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse (deduktiv-induktiv) ausgewertet (Kuckartz & Rädiker, 2022). Im Beitrag sollen erste empirische Ergebnisse vorgestellt, eingeordnet und diskutiert werden.

        Literatur

        Frohn, J., & Grimminger, E. (2020). Zum Umgang mit Heterogenität im Sportunterricht. In E. Balz, M. Bräutigam, W.-D. Miethling, & P. Wolters (Hrsg.), Edition Schulsport: Bd. 20. Empirie des Schulsports (S.242-272). Meyer & Meyer.

        Kuckartz, U., & Rädiker, S. (2022). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung: Grundlagentexte Methoden (5. Aufl.). Grundlagentexte Methoden. Beltz Juventa.

        Merl, T. (2019). un/genügend fähig. Zur Herstellung von Differenz im Unterricht inklusiver Schulklassen. Verlag Julius Klinkhardt.

        Sturm, T. (2018). Lehrpersonen: Differenzkonstruktionen im Unterricht. In T. Sturm, & M. Wagner- Willi (Hrsg.), UTB: Bd. 4959. Handbuch schulische Inklusion (S. 251-265). Verlag Barbara Budrich.

        Wolters, P. (2002). Koedukation im Sportunterricht - Zwischen Gleichheit und Differenz. Sportunterricht(6), 178–183.

        Speaker: Anne Köhler
      • 15:00
        Digitale Lehr-Lernkonzepte im universitären Setting: Das KI-gestützte Videoannotationstool ‚Motion Bank System‘ im multidisziplinären Einsatz. 1h 30m

        KI-gestützte, digitale Tools werden vermehrt in sport- und bewegungsbezogene Lehr-Lernsettings, Forschungsansätzen und künstlerisch kreativen Prozessen eingebunden (Siewert & Büning, 2023). Das BMBF-Projekt #vortanz arbeitet an einer verbesserten Erweiterung des Videoannotationstools Motion Bank System (MBS). Neue, bewegungsbasierte KI-gestützte Funktionen (Personentracking, Pose Estimation und Human Action Recognition) werden integriert, sodass vom System generierte Vorannotationen ausgegeben werden können, die Studierenden als Feedback dienen und neuartige Reflexionsräume schaffen (Miko et al., 2022). Ziel der vorliegenden wissenschaftlichen Begleitung ist es, herauszufinden, wie sich durch KI-gestützte Tools sonst weniger sichtbare Informationsstrukturen für Reflexionsprozesse in Lehr-Lernsituationen nutzbar machen lassen. Wie interlinken Lehre und Lernen mit Interfaces und wie werden Lernprozesse beeinflusst, in dem wir uns in digitalen Räumen und auf digitalen Oberflächen bewegen?
        Der multidisziplinäre Einsatz von MBS an der Deutschen Sporthochschule Köln wird vorgestellt als:
        1. Werkzeug für Bewegungsanalyse, Reflexions- und Feedbackprozesse im Rahmen choreografischer, kreativer Bewegungsgestaltung und tänzerischem Bewegungslernen im Rahmen des berufsorientierten Vertiefungsbereich (n=30 Studierende im Bachelorstudiengang Sport- und Bewegungsvermittlung in Freizeit).
        2. Videofeedbacktool zur Schulung von Bewegungskorrekturgaben im Blended-Learning Ansatz (n=35 Studierende im Bachelorstudiengang Sport in Gesundheit und Prävention).
        Evaluiert wird der Einsatz von MBS im ersten Setting mittels eines qualitativen Mixed-Methods-Designs auf Basis teilnehmender Beobachtung und Gruppeninterviews (n=30) zu Nutzungs- und Anwendungsperspektiven der Studierenden. Da Verwendung von Videoanalysetools die selbstständige Supervision und das Reflektieren von Bewegungsmustern und auch die Entwicklung von Selbstwirksamkeit (Potdevin et al., 2018) unterstützt, fokussiert das zweite Setting eine quantitative Erfassung der Selbstwirksamkeitserfahrung im Blended Learning. Mittels Fragebögen (n=35) werden Daten zu drei Testzeitpunkten (prä, zwischen digital-analog, post) erhoben und anschließend durch eine einfaktorielle ANOVA untersucht.
        Die Ergebnisse geben Einblicke in Wirkmechanismen von KI-gestützten Tools für Reflexionsprozesse in Lehr-Lernsituationen.

        Literatur:
        Miko, H., et al (2022). Möglichkeiten und Grenzen eines KI-gestütztes Annotationssystem im Rahmen bewegungsanalytischer und choreographischer Reflexionsprozesse. Konferenzbeitrag: Laban EUROLAB, 25.-27.11.22, Loheland.
        Siewert, K. & Büning, C. (2023). Avatar-gestütztes Feedback in bewegungsbezogenen Bildungsangeboten auf Hochschulebene. Sportunterricht, 72 (2).
        Potdevin, F. et al. (2018). How can video feedback be used in physical education to support novice learning in gymnastics? Effects on motor learning, self-assessment and motivation. Physical education and sport pedagogy, 23(6), 559-574.

        Speakers: Sophie Manuela Lindner (Institut für Tanz und Bewegungskultur der Deutschen Sporthochschule Köln), Helena Miko (Institut für Tanz und Bewegungskultur der Deutschen Sporthochschule Köln), Claudia Steinberg (Institut für Tanz und Bewegungskultur der Deutschen Sporthochschule Köln)
      • 15:00
        Einfluss der Covid-19-Pandemie auf die sportmotorische Leistung und Partizipation im organisierten Sport von Grundschüler*innen unter Berücksichtigung des Schulstandorts 1h 30m

        Hintergrund: Die Covid-19-Pandemie führte mit Maßnahmen wie der Schließung von Sporteinrichtungen zu starken Einschnitten der Bewegungsgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen. Aufgrund der diskutierten Möglichkeit langfristiger Folgen dieser Einschränkungen für Kinder in Deutschland wurde eine Trendstudie mit einer Panelerhebung mit Daten aus den Jahren 2019 und 2022 durchgeführt, um eine mögliche Veränderung der sportmotorischen Leistung und der Partizipation im organisierten Sport zu ermitteln.
        Methodik: Die Daten wurden mit Fragebögen und dem motorischen Testinstrument "CHECK!" erhoben und umfassten 2437 Grundschülerinnen und Grundschüler der zweiten Klasse aus allen 26 Grundschulen in Neuss. Die Mittelwerte dieser Items wurden mit einem t-Test für unabhängige Stichproben getestet. Zusätzlich wurden, angelehnt an den Schulscharfen Sozialindex, sozioökonomische ungleiche Schulstandorte in Subgruppen miteinander verglichen.
        Ergebnisse: Übergreifend nahm die aerobe Ausdauer statistisch signifikant ab. Die Ergebnisse für Schnelligkeit, Flexibilität und Koordination zeigten keine signifikanten Veränderungen, während sich die Kraft statistisch signifikant verbesserte. Die Subgruppe „schwacher sozioökonomischer Schulstandort“ schneidet sowohl im Jahr 2019 als auch im Jahr 2022 in dem überwiegenden Teil der Testitems der sportmotorischen Leistung statistisch signifikant schlechter ab. Zur Partizipation im organisierten Sport zeigt sich, dass 2019 ein statistisch signifikanter Unterschied in den Subgruppen Schulstandort hinsichtlich der Vereinszugehörigkeit (<.001) besteht. Die Subgruppe „sozioökonomischer schwacher Schulstandort“ zeichnet sich durch statistisch signifikant geringere Partizipation aus, was auch im Jahr 2022 bestehen bleibt (<.001).
        Diskussion: Lediglich die aerobe Ausdauer hat sich zu der Zeit vor der Pandemie übergreifend verschlechtert. Der sozioökonomische Schulstandort hat einen Einfluss auf das Abschneiden in der sportmotorischen Leistung und Partizipation zu beiden Testzeitpunkten. Deshalb sollten Schulen an „sozioökonomisch schwachen Standorten“ für zukünftige Fördermaßnahmen verstärkt und ganzheitlich in den Blick genommen werden. Insgesamt lassen sich Hinweise finden, dass die Sportvereine und die damit verbundenen Initiativen auch während der Pandemie eine hohe Relevanz für die sportmotorische Leistung besitzen.

        Speakers: Daria Sophia Schoser (Deutsche Sporthochschule Köln), Christiane Wilke (Deutsche Sporthochschule Köln)
      • 15:00
        Eye-Tracking zur Erhebung des professionellen Blickes im Klassenraum- ein Systematic Review 1h 30m

        Lehrkräfte nehmen konstant Unterrichtssituationen wahr und leiten mögliche Unterrichtshandlungen ab. Der Sportunterricht unterscheidet sich durch die hohe Dichte an komplexen und räumlich dispersen Wahrnehmungsaufgaben während der Beobachtung und Korrektur von sportlichen Bewegungen von anderen Fächern. Das Ziel dieses Systematic Reviews ist es, quantitative Wahrnehmungsforschung mittels Eye-Tracking zum professionellen Blick (PB) (van Es & Sherin, 2002) in der Schule zu identifizieren und anwendungsbezogen zu diskutieren.

        Für die Recherche wurden acht Datenbanken gemäß PRISMA mit den Termen (“professional vision” OR “eye tracking”) AND (education OR teach* OR classroom OR school) durchsucht. Die initialen Ergebnisse (n=2.141) wurden durch stufenweise Anwendung von Ein- und Ausschlusskriterien auf quantitative Blickbewegungsstudien von Unterricht oder naturalistischen Unterrichtsvideos bei Lehramtsstudierenden und Lehrkräften reduziert.

        Neben acht quantitativen Ansätzen wurden sechs Studien mit Mixed-Method Designs identifiziert. In den Studien, zumeist in MINT-Fächern und Sprachen, zeigen sich im Ergebnismuster tendenziell längere Fixationsfolgen mit gleichmäßiger verteilten Fixationspunkten im Blickfeld bei Expertinnen. PB wird jedoch oft nur inhaltsunspezifisch behandelt, nicht aber fachbezogen auf die besonderen Herausforderungen für Klassenführung oder das Korrigieren von Bewegungen als sportunterrichtsspezifische PB-Komponenten.

        Zukünftige Mixed-Method-Design-Studien könnten sich mittels Eye-Tracking und post-hoc-Interviews diesem Desiderat im Sport annehmen. Eye-Tracking ließe sich zudem auch für die die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften nutzen, damit lernwirksame Unterrichtsbedingungen von Sportlehrkräften besser erkannt („noticing“) und interpretiert („reasoning“) werden können. Expertise-Studien im komplexen und dynamischen Wahrnehmungsfeld des Sportunterrichts könnten gemeinsam mit qualitativen Ansätzen der Sportpädagogik, wie Videofallarbeit, dazu beitragen, Anschluss an Konzepte der adaptiven Lehrkompetenz herzustellen. So könnten die Professionalisierungsprozesse von Lehrkräften Hand in Hand mit quantitativer Wahrnehmungsforschung evaluiert und weiterentwickelt werden.

        van Es, E., & Sherin, M. (2002). Learning to Notice: Scaffolding New Teachers' Interpretations of Classroom Interactions. Journal of Technology and Teacher Education, 10.

        Speakers: Jelto Witt (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Sportwissenschaft - AB Sport und Bewegung), Florian Loffing (Deutsche Sporthochschule Köln, Abteilung Leistungspsychologie), Jörg Schorer (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Sportwissenschaft - AB Sport und Bewegung), Ingo Roden (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Institut für Pädagogik - Pädagogische Psychologie)
      • 15:00
        Frei im virtuellen Raum – Das Erleben von Studierenden von Bewegung und Tanz unter Einsatz von VR-Technologie 1h 30m

        In Zeiten zunehmenden Digitalisierung ist fraglich, auf welche Weise VR-Technologien Lernen zum Besseren verändern können (vgl. Mills et al. 2022). Die Entwicklung einer forschenden Haltung ist ein Stichwort, welches Lipinski et al. (2020) in diesem Zusammenhang nennen. Ansätze in Sport und Tanz sind dabei in den größeren Forschungsstand eines Virtual Embodiment einzuordnen (vgl. Kasprowicz 2020). Eine didaktisch-methodisch sinnvolle Einbindung der VR-Technologie gründet auch auf Teilnehmendenperspektiven, die empirisch noch zu explorieren sind.

        Im vorliegenden Forschungsprojekt kooperierten Sportwissenschaftlerinnen mit Vertreterinnen der Kunsthochschule für Medien Köln. Sie explorierten Möglichkeiten der Gestaltung von Bewegung in dreidimensionalen, virtuellen Räumen unter VR-Brillen, inspiriert vom 3D Zeichenprogramm Google Tilt Brush (vgl. Howahl et al. 2023). Die Forschungsfrage lautet danach, wie Studierende entsprechende Angebote erleben.

        Das Projekt wurde teilnehmend beobachtet und die Teilnehmenden (n=16) wurden in problemzentrierten Interviews (Witzel, 2022) zu ihrem Erleben befragt. Beobachtungsprotokolle und Interviewtranskripte wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse (vgl. Mayring, 2015) gestützt durch MAXQDA 2022 ausgewertet.

        Im Ergebnis zeigten sich Studierende fasziniert bis überwältigt von ihrem Immersionserlebnis und befreit von den wertenden Blicken anderer. Der virtuelle Raum wurde als Freiraum erlebt. Bestätigt wird „Frei“ dabei als Hauptkategorie positiver Emotionen in Tanz und Tanzvermittlung (vgl. Howahl, 2023). Zu diskutieren bleibt inwiefern eine Einschränkung leiblicher Expressivität sowie eine Betonung der visuellen Wahrnehmung unter VR-Brillen den Lerngegenstand Bewegungsgestaltung zu Gunsten einer Förderung digitaler Teilhabe schmälert. Potenzial ergibt sich für Anschlussstudien zu zielgruppenspezifischen Arrangements von Vermittlungssettings mit VR.

        Literatur
        Howahl, S. (2023). Begeisterung in der Tanzvermittlung. In H. Peskoller & J. Zirfas (Hrsg.), Die Kunst der Begeisterung. (S. 191-210). Weinheim Basel: Beltz Juventa.
        Howahl, S., Jung, S. Y. & Menestrey, D. (2023). Paint your Dance 3D. Augmentierte Raumerfahrung in Bewegung und Tanz mit VR-Brillen und Google Open Brush. Sportunterricht, 72 (2).
        Kasprowicz, D. (2020). Virtual Embodiment. In D. Kasprowicz & S. Rieger (Hrsg.), Handbuch Virtualität. Wiesbaden: Springer Gabler.
        Lipinski, K., Schäfer, C., Weber, A.-C. & Wiesche, D. (2020). Virtual Reality Moves. Interdisziplinäre Lehrkonzeption zur Entwicklung einer forschenden Haltung mittels Bewegung in, mit und durch virtual Reality. In B. Fischer & A. Paul (Hrsg.), Lehren und Lernen mit und in digitalen Medien im Sport. (S. 207-229). Wiesbaden: Springer VS.
        Mayring, P. (2015). Qualitative Inhaltsanalyse. Weinheim: Beltz.
        Mills, K. A., Scholes, L. & Brown, A. (2022). Virtual Reality and Embodiment in Multimodal Meaning Making. Written Communication, 39 (3), 335-369.
        Witzel, A. & Reiter, H. (2022). Das problemzentrierte Interview. Weinheim: Juventa Verlag.

        Speakers: Stephani Howahl (Institut für Tanz und Bewegungskultur der Deutschen Sporthochschule Köln), Annika Lichi (Institut für Tanz und Bewegungskultur der Deutschen Sporthochschule Köln), Salome Junge (Institut für Tanz und Bewegungskultur der Deutschen Sporthochschule Köln), Claudia Steinberg (Institut für Tanz und Bewegungskultur der Deutschen Sporthochschule Köln)
      • 15:00
        Geschlechterunterschiede in der Studienzufriedenheit im Lehramtsstudium Sport – ein Mixed-Methods-Design 1h 30m

        Die Studienzufriedenheit ist ein bedeutsames Konstrukt in der empirischen Hochschulforschung. Ein hohes Maß an Studienzufriedenheit gilt als prädiktiv für den Studienerfolg, Karrieremöglichkeiten sowie die körperliche und mentale Gesundheit der Studierenden und stellt damit einen Indikator für erfolgreiche Hochschulbildung dar. Zudem hat das Geschlecht Einfluss auf die Studienzufriedenheit, wobei Männer häufig eine höhere Studienzufriedenheit aufweisen als Frauen (García-Aracil, 2012). Erklärungen für diese Befunde finden sich selten. Besonders der Umgang mit Studienbelastungen ist aber mit Geschlechterunterschieden verbunden, da Frauen Stress stärker wahrzunehmen scheinen. In diesem Zusammenhang sind Sportlehramtsstudierende zusätzlich fachspezifischen Belastungen wie körperlichen Anforderungen oder Studienverzögerungen aufgrund von Verletzungen ausgesetzt. Obwohl geeignete Instrumente verfügbar sind, wird die Studienzufriedenheit selten bei Sportstudierenden analysiert. Ziel der vorliegenden Studie ist es daher, Geschlechterunterschiede in der Studienzufriedenheit im Lehramtsstudium Sport zu untersuchen.
        Basierend auf dem Person-Environment-Fit-Modell (Caplan, 1987) wird die Studienzufriedenheit – operationalisiert nach Westermann et al. (1996) – von Sportlehramtsstudierenden an einer deutschen Universität in einem sequentiellen, explanativen Mixed-Methods-Design aus einer Geschlechterperspektive untersucht. Dazu werden die Ergebnisse einer Onlinebefragung (n = 553) und die Ergebnisse episodischer Interviews (n = 18) integriert. Die Auswertung der Umfrage wurde mittels multivariater Varianzanalysen durchgeführt, während die Interviews inhaltsanalytisch ausgewertet wurden.
        Die quantitativen Ergebnisse zeigen leichte Geschlechterunterschiede in einer Subdimension der allgemeinen Studienzufriedenheit, der Zufriedenheit mit der Bewältigung der Studienbelastungen, zugunsten der Sportlehramtsstudenten. Diese Befunde werden durch die Ergebnisse der qualitativen Phase gestützt, in der Sportlehramtsstudentinnen von höherem Stressempfinden durch fachpraktische Prüfungen, studienorganisatorische Vorgaben und Einschränkungen durch die Corona-Pandemie berichten.
        Die Studie zeigt Geschlechterunterschiede in der Studienzufriedenheit im Lehramtsstudium Sport auf und trägt damit zum Verständnis der Einflussfaktoren auf die Studienzufriedenheit in der Hochschulbildung bei.

        Literaturverzeichnis
        Caplan, R. D. (1987). Person-Environment Fit Theory and Organizations: Commensurate Dimensions, Time Perspectives, and Mechanisms. Journal of Vocational Behavior, 31, 248–267.
        García-Aracil, A. (2012). A comparative analysis of study satisfaction among young European higher education graduates. Irish Educational Studies, 31(2), 223–243. https://doi.org/10.1080/03323315.2012.660605
        Westermann, R., Heise, E., Spies, K., & Trautwein, U. (1996). Identifikation und Erfassung von Komponenten der Studienzufriedenheit. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 43, 1–22.

        Speakers: Andre Magner (Universität Münster), Alexander Greif, Kathrin Kohake
      • 15:00
        Gesundheitsförderung von Schüler*innen durch Sportunterricht mit digitalen Methoden: Ein systematisches Review 1h 30m

        Einleitung
        Das Potenzial der Gesundheitsförderung von Schülerinnen im Sportunterricht könnte durch digitale Technologien besser genutzt werden, beispielsweise zur Erhöhung der körperlichen Aktivität (Villasana et al., 2020). Bisher gibt es nur wenige Erkenntnisse über die Möglichkeiten und Chancen, die sich aus der Nutzung digitaler Medien im Sportunterricht ergeben können (Knoke et al., 2022). Ziel dieses systematischen Re-views war es daher, den internationalen Forschungsstand zu digitalen Medien zu einer Gesundheitsförderung von Schülerinnen im Sportunterricht zu untersuchen.

        Methodik
        Um bisherige Studien zu einer Gesundheitsförderung mithilfe digitaler Medien im Sport-unterricht zu analysieren, wurde für den Zeitraum 2018 bis 2022 eine Literaturrecherche in den Datenbanken Web of Science, ERIC, Scopus und PubMed unter Verwendung von Schlüsselbegriffen zu den Themen Sportunterricht, Gesundheitsförderung sowie digitale Medien durchgeführt. In der Stichprobe von N=1492 Studien konnten nach Titel-, Abstract- und Volltextscreening 17 empirische Studien in das Literaturreview aufgenom-men werden.

        Ergebnisse
        Eindeutig positive Ergebnisse ergaben sich für den Einsatz von Fitnesstechnologien im Sportunterricht zur Verbesserung der motorischen Fähigkeiten, für die Einbeziehung von Gamification in den Sportunterricht zur Steigerung der Schülermotivation sowie für Flip-ped-Learning-Ansätze zur Verbesserung des Wissenserwerbs im Sportunterricht. Kont-roverse Ergebnisse zeigten sich hingegen für die Verwendung von Apps (mithilfe von Smartphones oder Tablets), die Nutzung von Videofeedback im Sportunterricht und die Durchführung von digitalbasiertem Online-Sportunterricht.

        Diskussion
        Die Literaturübersicht offenbart eine Forschungslücke in Bezug auf die Frage, wie die Gesundheitsförderung von Schülerinnen mit digitalen Medien im Sportunterricht umge-setzt werden kann. Der Einsatz von Smartphones und Wearables kann die Motivation der Schüler innen steigern und stellt eine Nähe zu Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen her. Für den Einsatz digitaler Anwendungen mit dem Ziel der Gesundheits-förderung, insbesondere im Sportunterricht, sind jedoch weitere Studien erforderlich, um Sportlehrkräfte mit evidenzbasierten Informationen zur Umsetzung digitalbasierter Ge-sundheitsförderung zu versorgen.

        Literatur
        Goodyear, V. A.; Armour, K. M. & Wood, H. (2018). Young people learning about health: the role of apps and wearable devices. Learning, Media, and Technology, 1–18.
        Knoke, C.; Niessner, C.; Woll, A.; Wagner, I. (2022). Gesundheitsförderung durch digitale Medien im Sportun- terricht. Ein Scoping Review. Sportunterricht, (8), 358–363.
        Villasana, M. V., Pires, I. M., Sá, J., Garcia, N. M., Teixeira, M. C., Zdravevski, E., Chorbev, I., et al. (2020). Promotion of Healthy Lifestyles to Teenagers with Mobile Devices: A Case Study in Portugal. Healthcare, 8(3), 315.

        Speakers: Carolin Knoke (KIT), Alexander Woll (Karlsruher Institut für Technologie (KIT)), Ingo Wagner (Karlsruher Institut für Technologie)
      • 15:00
        Kritische Betrachtung des Einsatzes von ChatGPT im Sportunterricht zur Förderung digitaler Gesundheitskompetenzen 1h 30m

        Einleitung: Der Einsatz von Chatbots wie dem Generative Pre-trained Transformer Modell (ChatGPT) oder anderen Large Language Models (LLM) markiert einen Paradigmenwechsel im Gesundheitsbereich und im Bildungswesen (Salam et al., 2023). Im Sportunterricht können Chatbots beispielweise zur gezielten Vermittlung digitaler Gesundheitskompetenzen, eingesetzt werden (Oh et al., 2021). Allerdings bestehen Bedenken hinsichtlich der langfristigen Wirksamkeit, der fachlichen Richtigkeit und Effektivität dieser Technologie.

        Methodik: Die Leifadeninterviews von N=10 Sportlehrerinnen und N=10 Schülerinnen einer Hamburger Stadtteilschule thematisierten den Einsatz von ChatGPT im Sportunterricht und seine Auswirkungen auf die digitalen Gesundheitskompetenzen der Schülerinnen sowie die Stundenplaung der Sportlehrerinnen. Die Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert und im Rahmen einer qualitativ strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckarzt (2022) mit MAXQDA ausgewertet.

        Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass der Einsatz von Chatbots im Sportunterricht zur Förderung von digitaler Gesundheitskompetenz zwar vielversprechend ist, es jedoch an ausreichend empirischen Belegen fehlt, um ihre Wirksamkeit und Effektivität zu belegen. Schülerinnen nutzen Chatbots primär zur Hilfe bei Hausaufgaben und zu Recherchezwecken, wohingegen Lehrer teilweise ihre gesamte Unterrichtsplanung damit vornehmen. Insbesondere die langfristigen Auswirkungen auf die digitale Gesundheitskompetenzen der Schülerinnen und der Umgang mit Fehlinformationen sind noch unklar. Es besteht die Gefahr, dass der Einsatz von Chatbots die Notwendigkeit von persönlichen Interaktionen im Unterricht reduziert, die Schüler*innen von der Auseinandersetzung mit realen Gesundheitsproblemen abhält und die kritische Reflexionsfähigkeit reduziert.

        Diskussion: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Einsatz von Chatbots im Sportunterricht darf nicht als Ersatz für persönliche Interaktionen und praktische Erfahrungen gesehen werden, sondern als Ergänzung, um das Potenzial der Technologie voll auszuschöpfen. Auch wenn die Nutzungsszenarien mannigfaltig sind, offenbaren die Nutzungsmuster der Lehrerinnen und Schülerinnen wesentliche Problemstellungen des Sportunterrichts, wie etwa eine mangelnde Vorbereitungszeit bei Lehrerinnen und die fehlende Fähigkeit bei Schülerinnen evidente Gesundheitsinformationen von Fehlinformationen zu unterscheiden.

        Literaturverzeichnis:
        Sallam, Malik (2023): The Utility of ChatGPT as an Example of Large Language Models in Healthcare Education, Research and Practice: Systematic Review on the Future Perspectives and Potential Limitations.

        Oh, Yoo Jung; Zhang, Jingwen; Fang, Min-Lin; Fukuoka, Yoshimi (2021): A systematic review of artificial intelligence chatbots for promoting physical activity, healthy diet, and weight loss. In: The international journal of behavioral nutrition and physical activity 18 (1), S. 160. DOI: 10.1186/s12966-021-01224-6.

        Speaker: Hannes Baumann (Medical School Hamburg)
      • 15:00
        Präventive und gesundheitsförderliche Maßnahmen an berufsbildenden Schulen – ein partizipativer Ansatz zur Qualitätsentwicklung 1h 30m

        Hintergrund
        Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung (PGF) werden nur selten nachhaltig in die Strukturen eines ausgewählten Settings integriert und können daher oftmals nicht langfristig wirksam werden. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, die Weiterentwicklungspotentiale einer PGF Maßnahme partizipativ, mit den Lehrkräften und Schüler*innen, während ihrer Etablierung zu erfassen, um somit deren Akzeptanz und Verstetigung zu stärken.

        Methode
        Die Blended Learning Maßnahme „#missionmacher – mach dich fit für deine Zukunft“ wurde theoriebasiert entwickelt und an berufsbildenden Schulen erprobt. Mittels qualitativer leitfadengestützter Interviews wurden sechs Lehrkräfte (5 Männer, 1 Frau) in Expert*inneninterviews und 28 Auszubildende (21 Männer, 7 Frauen) in Fokusgruppeninterviews zu Aspekten der Planungs-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Maßnahme befragt. Die Auswertung erfolgte nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse mit der Analysesoftware MAXQDA.

        Ergebnisse
        Die Ergebnisse der vier Qualitätsdimensionen verdeutlichen die Notwendigkeit der partizipativen Qualitätsentwicklung in der PGF. Beide Stakeholder-Gruppen nannten Optimierungspotentiale in den genannten Dimensionen. So äußerten sie beispielsweise den Wunsch, den Auftakt der Maßnahme, hier in Form eines Gesundheitstages, von externen Expert*innen umsetzen zu lassen. Im Rahmen der Befragung gaben die Lehrkräfte an, dass insgesamt die schulinterne Kommunikation optimiert und ausgeweitet werden sollte. Die Interviews zeigten zudem, dass die Lehrkräfte die Möglichkeiten des Blended Learning Ansatzes kaum nutzten und sich den Vorteilen nicht bewusst waren. So fand nur selten eine Integration der digitalen Maßnahmen in den Unterricht statt. Dies hatte zur Folge, dass sie auch außerhalb der Schule kaum von den Auszubildenden verwendet wurden. Die Aussagen der Stakeholder hinsichtlich des Alltagstransfers und der Lerneffekte unterschieden sich. Während einzelne Auszubildende Veränderungen in ihrem Handeln im Alltag angaben, schätzten die Lehrkräfte eine Verhaltensänderung bei den Auszubildenden kritischer ein.

        Schlussfolgerung
        Die Ergebnisse stellen die Relevanz und Potentiale eines begleitenden partizipativen Ansatzes zur Qualitätsentwicklung von PGF Ma߬nahmen heraus. Obwohl das Programm evidenzbasiert entwickelt wurde, konnten Optimierungspotentiale durch die Stakeholder offengelegt werden. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, Maßnahmen auch nach der Konzeption und Implementation kontinuierlich partizipativ weiterzuentwickeln. Hierbei könnten zukünftig praxisorientierte Prozessdokumentationen unterstützend eingesetzt werden. Ausschließlich Maßnahmen, die von den Stakeholdern akzeptiert werden, können verstetigt werden und damit auch nachhaltig wirken. Die Wirksamkeit sollte in einem nächsten Schritt wissenschaftlich gesichert werden.

        Speakers: Freya Füllgraebe (Deutsche Sporthochschule Köln), Bianca Biallas (DSHS Köln)
      • 15:00
        Psychische Gesundheit von Jugendlichen in der Gymnasialen Oberstufe: Welchen Einfluss haben leistungssportliches Engagement und schulische Förderung? 1h 30m

        Einleitung
        Die psychische Gesundheit von leistungssportlich aktiven Menschen ist in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus der Sportwissenschaft (Nixdorf et al., 2023) und Sportfachverbände geraten. In der Sportpädagogik wurde dieses Thema vor allem im Zusammenhang mit der aus Schule und Leistungssport resultierenden Doppelbelastung aufgegriffen, mit der Heranwachsende in dualen Karrieren konfrontiert sind (Sallen & Gerlach, 2020). Der Beitrag befasst sich mit folgenden Forschungsfragen: Bestehen Unterschiede im Ausmaßes und in der Entwicklung psychischer Gesundheit (1) zwischen Schülerathlet:innen und Schüler:innen in der gymnasialen Oberstufe (GOST) sowie (2) zwischen Schülerathlet:innen mit und Schülerathlet:innen ohne Inanspruchnahme schulischer Angebote zur Flexibilisierung von Anforderungen in der GOST (z. B. Schulzeitstreckung).

        Methodik
        Zur Klärung dieser Fragen wurden schriftliche Selbstauskünfte von 97 Schüler:innen und 149 Schülerathlet:innen auswertet, die im Rahmen einer prospektiven Längsschnittstudie zu Beginn und zum Ende der GOST erhoben wurden (Sallen et al., 2022). Die Erhebungen erfolgten zwischen 2016 und 2020 an jeweils drei Gesamtschulen mit bzw. ohne Leistungssport-Förderprofil. Aspekte psychischer Gesundheit wurden mit Skalen aus dem Trierer Inventar zum Chronischen Stress erfasst (Sallen et al., 2018). Die statistische Auswertung erfolgte mittels mehrfaktorieller Varianzanalysen mit Messwiederholung.

        Ergebnisse
        Sowohl bei Schüler:innen als auch Schülerathlet:innen stieg das subjektive Erleben chronischer Alltagsüberlastung („zu viele Anforderungen“) und schulischer Überforderung („zu hohe Anforderungen“) bis zum Ende der GOST signifikant an und erreichte im Durchschnitt ein moderates, unkritisches Niveau. Gruppen- und Entwicklungsunterschiede zeigten sich nicht.
        Effekte der Inanspruchnahme von Angeboten zur flexibleren Gestaltung der Anforderungen in der GOST auf das Erleben chronischer Überlastung sowie schulischer Überforderung von Schülerathlet:innen konnten nicht identifiziert werden.

        Fazit
        Die Doppelbelastung durch Schule und Leistungssport schlägt sich nicht auf die untersuchten Facetten psychischer Gesundheit von Schülerathlet:innen nieder. Es scheint so, als ob die Gesamtheit der Fördermaßnahmen an EdS vor ernsthaften Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit bewahrt. Spezifische Effekte der Inanspruchnahme des Additiven Abiturs auf das chronische Belastungserleben sind nicht nachweisbar.

        Literatur
        Nixdorf, I., Nixdorf, R., Beckmann, J. & Martin, S. & MacIntyre, T. (2023). Routledge Handbook of Mental Health in Elite Sport. Routledge.
        Sallen, J. & Gerlach, E. (2020). Förderung Dualer Karrieren im Leistungssport. In C. Breuer, C. Graf & W. Schmidt (Hrsg.), Vierter Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht (S. 249-276). Hofmann.
        Sallen, J., Hirschmann, F. & Herrmann, C. (2018). Evaluation and adaption of the Trier Inventory for Chronic Stress (TICS) for assessment in competitive sports. Frontiers in Psychology, 9, Artikel 308.
        Sallen, J., Wendeborn, T. & Gerlach, E. (2022). Evaluation von Angeboten zur Förderung Dualer Karrieren an Schule-Leistungssport-Verbundsystemen unter besonderer Berücksichtigung des Modellversuchs Additives Abitur (EDKAA). In Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), BISp-Jahrbuch Forschungsförderung 2021/2022 (S. 255-261). Eigenverlag.

        Speaker: Jeffrey Sallen (Universität Leipzig/Professur für Sportpädagogik)
      • 15:00
        Sportartspezifische Förderung exekutiver Funktionen in Fußballvereinen – Empirische Untersuchung der Wirkung einer fußballbasierten Intervention auf die exekutiven Funktionen von Spieler*innen der Altersgruppe von 11 bis 13 Jahren 1h 30m

        Exekutive Funktionen sind kognitive Kontrollprozesse, die Gedanken und Handlungen – insbesondere in Situationen, die nicht routinemäßig bzw. automatisiert bewältigt werden können – regulieren. Unterschieden werden dabei die drei Subfunktionen Inhibition, Kognitive Flexibilität und Arbeitsgedächtnis (Miyake et al., 2000). Die exekutiven Funktionen stehen in Zusammenhang mit diversen Facetten der menschlichen Lebenswelt wie mentaler und physischer Gesundheit, Erfolg in Schule und Beruf bis hin zu Kriminalität und Gewalt (Diamond, 2013). Auch im Fußball deuten erste Studienergebnisse einen Zusammenhang zwischen exekutiv-funktionaler Leistungsfähigkeit und Erfolg, Spielintelligenz und Torvorlagen an (u.a. Vestberg et al., 2020). Aus diesen Erkenntnissen lässt sich eine Synergie zwischen Leistungsorientierung bzw. -steigerung und allgemeiner Entwicklungsförderung ableiten. Diese Synergie soll im Rahmen dieses Projekts genutzt werden, um durch die Implementation eines Programms zur Förderung der exekutiven Funktionen im Vereinsfußball die Kinder und Jugendlichen sowohl in ihrer kognitiven Entwicklung zu unterstützen als auch ihre fußballspezifische Leistungsfähigkeit zu verbessern.

        Ziel des Projekts ist es, die Wirksamkeit einer sportartspezifischen Förderung im Fußballtraining, welche die exekutiven Funktionen der Spielerinnen beansprucht, zu untersuchen. Dafür wird im Rahmen einer randomisiert kontrollierten Interventionsstudie die exekutiv-funktionale Entwicklung von Spielerinnen aus Mannschaften der Altersklasse U12- und U13-Junior*innen über einen Zeitraum von 15 Wochen untersucht.

        Im Rahmen der Posterpräsentation werden Studienergebnisse und -desiderate dargestellt, das Forschungsdesign der Studie präsentiert und erste Ergebnisse der Pilotstudie vorgestellt.

        Literatur

        Diamond, A. (2013). Executive functions. Annual review of psychology, 64, 135–168. https://doi.org/10.1146/annurev-psych-113011-143750

        Miyake, A., Friedman, N. P., Emerson, M. J., Witzki, A. H., Howerter, A., & Wager, T. D. (2000). The unity and diversity of executive functions and their contributions to complex "Frontal Lobe" tasks: a latent variable analysis. Cognitive psychology, 41(1), 49–100. https://doi.org/10.1006/cogp.1999.0734

        Vestberg, T., Jafari, R., Almeida, R., Maurex, L. , Ingvar, M., & Petrovic, P. (2020). Level of play and coach-rated game intelligence are related to performance on design fluency in elite soccer players. Scientific reports, 10(1), 9852. https://doi.org/10.1038/s41598-020-66180-w

        Speaker: Malte Stoffers (Universität Münster)
      • 15:00
        Unterrichtsstörungen im Sport – eine Eye-Tracking-Studie zur selektiven Aufmerksamkeit und der individuellen Reaktion von Lehrkräften 1h 30m

        Einleitung
        Unterrichtsstörungen gehören zu den Hauptbelastungsfaktoren des Lehrberufs (Lohmann, 2018). Das subjektive Störungsempfinden unterliegt dabei personalen und kontextuellen Bedingungen, jedoch müssen Sportlehrkräfte stets angemessen auf verschiedene Störungspotenziale reagie-ren. Vermehrt nehmen Lehrkräfte zudem das Lachen von Schüler*innen als Störung wahr (Twardella, 2010), obwohl es sich positiv auf das Lernen auswirken kann (Attardo, 2016).

        Methode
        Die vorliegende Studie untersucht per Eye-Tracking die Aufmerksamkeitssteuerung und die indivi-duelle Reaktion bei der Wahrnehmung ausgewählter Unterrichtsstörungen (Lohmann, 2018) sowie bei freudvollem Lachen. Während der videobasierten Präsentation kurzer Unterrichtssequenzen wurden die Blickverlaufsdaten sowie die individuellen Interventionszeitpunkte und -stärken aller Versuchspersonen (n = 88) beim Beobachten inszenierter Störungen im Sportunterricht erfasst. Die Studie untersucht, ob freudvolles Lachen als Störung der Vermittlung wahrgenommen und behandelt wird. Darüber hinaus prüfte das HEXACO PI-R den Zusammenhang zwischen Persön-lichkeitsdispositionen und den Interventionsentscheidungen.

        Ergebnisse
        Die ANOVA zur selektiven Aufmerksamkeit (Verweildauer in den AOI) weist signifikante Unter-schiede zwischen den Kategorien nach, F(3,00; 528,60) = 116,76, p < 0,001, η² = 0,40. Sidak-korrigierte post-hoc-Tests zeigen, dass aggressives Verhalten (aV) am längsten selektive Auf-merksamkeit erregt, wobei Lachen diese gleichermaßen bindet wie eine akustische Unterrichts-störung. Weiterhin wird aV am frühesten und stärksten interveniert. Darüber hinaus zeigt sich, dass Teilnehmende mit hoher Ausprägung im Vergleich zur niedrigen Ausprägung der Eigenschaft Offenheit später (p < 0,05) und schwächer (p < 0,001) sowie Teilnehmende mit hoher Ausprägung der Extraversion im Mittel früher (p < 0,001) und stärker (p < 0,001) intervenieren.

        Diskussion
        Was Lehrkräfte als Störung auffassen, differiert, abhängig von der eigenen Vorstellung und der subjektiven Einschätzung des Unterrichtsgeschehens (Klingen, 2007). Insbesondere der Sport ist prädestiniert für eine gezielte Integration humorvoller Sequenzen (Lange, 2013). Lehrkräfte sollten sich vermittlungsrelevante Auswirkungen einer freudbetonten Gestaltung vergegenwärtigen und Äußerungen von Freude nicht als Unterrichtsstörung behandeln, sondern im besten Fall für den Lernprozess nutzen bzw. gezielt herbeiführen. Dafür sollten die Ergebnisse in einem realen Set-ting bestätigt werden.

        Literatur
        Attardo, S. (2016). Humor, language, and pedagogy: An introduction to this special issue. EuroAmerican Journal of Applied Linguistics and Languages, 3(2), 1–2.
        Klingen, P. (2007). Störungen im Sportunterricht vermeiden. Sportunterricht(1), 1–8.
        Lange, H. (2013). Sportdidaktik und Sportpädagogik. De Gruyter.
        Lohmann, G. (2018). Mit Schülern klarkommen: Professioneller Umgang mit Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten (13. Aufl.). Scriptor Praxis. Cornelsen.

        Speakers: Malte Simon (Institut für Sportwissenschaft, Universität Rostock), Heiko Lex (Amt für Sport, Vereine und Ehrenamt, Hansestadt Rostock)
      • 15:00
        VisuFeed - Visualisierung mittels Echtzeit-Bewegungsanalyse als Feedbackinstrument in der Sportlehrer*innenbildung 1h 30m

        Problemstellung
        Der Ausgangspunkt für die im Rahmen eines Fellowships für Innovationen in der digitalen Hochschullehre durchgeführte Lehrinnovation ist die Erfahrung, dass Sportstudierende Schwierigkeiten bei der Übertragung anatomischer Grundkenntnisse in das fachpraktische Studium (z.B. Gymnastik) aufweisen. Die erfolgreiche Theorie-Praxis-Verbindung stellt ein elementares Fundament im Sportstudium dar, indem es die Studierenden dazu befähigt, reflexive und qualifizierte Handlungsentscheidungen für den Schulkontext zu treffen (Büning & Wirth, 2020).

        Theoretischer Hintergrund
        Kollaborative, forschende Lernprozesse im Rahmen des Sportstudiums können neben fachübergreifenden Kompetenzen auch metakognitive Fähigkeiten vermitteln (Narciss et al., 2007). „VisuFeed“ ermöglicht Lehramtsstudierenden, unter Verwendung eines für die Lehre bereitgestellten Bewegungslabors, anatomisches Wissen durch 360° Bewegungsanalysen in die Praxislehre überführen und zu vertiefen. „VisuFeed“ orientiert sich hierbei an konstruktivistischer Lerntheorien welche die geforderten authentischen Lernsituationen (Loyens & Gijbels, 2008) analog zu denen, die sie innerhalb ihres zukünftigen Arbeitsfeldes antreffen werden bereits im Studium simulieren.

        Methodik
        Für die Gymnastikkurse des Lehramtsstudiums wurden didaktische Szenarien entwickelt, die Studierende mittels digitaler, avatargestützter 360° Bewegungsanalysen dabei unterstützen, gymnastische Bewegungsgestaltungen zu erarbeiten und anzuleiten. Die wissenschaftliche Begleitung erfolgte in einem Mixed-Method-Design über Videographie und Bewegungszeitmessung der didaktischen Szenarien n = 56 sowie Interviews mit den Studierendenden; n = 15, die mit qualitativen Codierverfahren analysiert wurden.

        Zentrale Ergebnisse
        Die Evaluationen zeigten, dass der Einsatz der 360° Bewegungsanalyse den Studierenden ein prozessbegleitendes Feedback sowie neue Perspektiven auf den eigenen Bewegungsvollzug in Theorie und Praxis Reflexion ermöglichte. Die Interviews zeigten, dass neben einer hohen Offenheit für die technischen Möglichkeiten besonders die Bedeutung individueller Rückmeldungen (digital/analog) und der prozessbegleitende Dialog mit der Lehrperson hervorgehoben wurde.

        Diskussion und Ausblick
        Basierend auf den Evaluationsergebnissen werden ausgewählte Unterrichtsszenarien modifiziert und positiv evaluierte Unterrichtsszenarien im Rahmen der Lehramtsausbildung verstetigt. Das verwendete Avatar-Modell wird zudem für eine vertiefende Einbindung um individuell ein-/ausblendbare Muskelstrukturen ergänzt.

        Büning, C. & Wirth, C. (2020). Multimediales selbstreguliertes Lernen im Lehramtsstudium Sport am Beispiel der Pythagoras 360° Echtzeit-Bewegungsanalyse. In B. Fischer & A. Paul (Hrsg.), Lehren und Lernen mit und in digitalen Medien im Sport (S. 69–88). Wiesbaden: Springer VS.
        Loyens, S. & Gijbels, D. (2008). Understanding the effects of constructivist learning environments. Introducing a multidirectional approach. Instructional Science (S. 351-357).
        Narciss, S., Proske, A. & Koerndle, H. (2007). Promotion self-regulated learning in web-based learning environments. Computers in Human Behavior (S. 1126-44).

        Speakers: Christian Büning (Deutsche Sporthochschule Köln), Kira Siewert (Deutsche Sporthochschule Köln), Lucie Wagner (Deutsche Sporthochschule Köln), Felicitas Christ (Deutsche Sporthochschule Köln)
      • 15:00
        „Keine Schwächen zeigen": Die Perspektive von Gefängnisinsassen auf die Effektivität von TrainerInnen 1h 30m

        Einleitung
        Studien, die sich mit den Anbietern von Sportinterventionen in Gefängnissen befassen, sind selten (Lleixà & Ríos, 2015). Angesichts dieser Forschungslücke untersucht die vor-liegende Studie die Wahrnehmung von Insassen über TrainerInnen. Die Hauptfor-schungsfrage lautet: Welche Faktoren sind nach Ansicht von männlichen Insassen einer offenen deutschen Justizvollzugsanstalt wichtig für effektive TrainerInnen?

        Methode
        Der theoretische Rahmen basiert auf der Definition von effektiven TrainerInnen nach Côte und Gilbert (2009). Demnach ergibt sich Effektivität aus (1) fachlichem, interperso-nellem und intrapersonellem Wissen, welches (2) den AthletInnen helfen soll, Ergebnis-se zu erzielen, d.h. sportartspezifische Kompetenz sowie Selbstvertrauen zu entwickeln, Verbindung zu anderen herzustellen und den eigenen Charakter zu entwickeln. Darüber hinaus ist es wichtig, (3) den spezifischen Kontext zu berücksichtigen. In dieser Studie wurden qualitative und halbstrukturierte Interviews mit fünf Insassen durchgeführt, die an unterschiedlichen Sportprogrammen teilgenommen haben. Das Protokoll des Interview-leitfadens sowie die Kategorien für die deduktive Inhaltsanalyse basieren auf dem Mo-dell von Côté und Gilbert (2009).

        Ergebnisse
        Die Insassen machen das fachliche Wissen vor allem an der Sprache, dem physische Auftreten und den sportlichen Fähigkeiten der TrainerInnen fest. Nach Meinung der In-sassen sollten die TrainerInnen auf zwischenmenschlicher Ebene nicht angespannt oder ängstlich sein, sondern sich Respekt verschaffen. Dagegen scheint das intrapersonelle Wissen der TrainerInnen für die Insassen weniger wichtig zu sein. Während die Entwick-lung von sportartspezifischen Kompetenzen als Motivationsfaktor für die weitere Teil-nahme am Sport wahrgenommen wird, nehmen die TrainerInnen für die Entwicklung des Selbstvertrauens keine Rolle ein. Kontakte zu knüpfen ist für die Insassen nicht beson-ders wichtig, da Gefängnisse nicht als Orte angesehen werden, an denen man Freunde findet. Nach Ansicht der Insassen findet die Entwicklung des Charakters nicht durch die TrainerInnen, sondern durch den Sport selbst statt. Vielmehr ist beim sportlichen Training im Gefängnis eine besondere Sensibilität für die Gruppe und die Situation erforderlich.

        Diskussion
        Die Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig kontextspezifische Trainer-Fähigkeiten im Ge-fängnis sind. Das zwischenmenschliche Wissen scheint besonders bedeutsam zu sein, was die Wichtigkeit von pädagogischer Trainingsqualität (Morlang, 2020) unterstreicht.

        Literatur
        Côté, J., & Gilbert, W. (2009). An Integrative Definition of Coaching Effectiveness and Expertise. Inter-national Journal of Sports Science & Coaching, 4(3), 307-323.
        Lleixà, T., & Ríos, M. (2015). Service-Learning in Physical Education Teacher Training. Physical Educa-tion in the Modelo Prison, Barcelona. Qualitative Research in Education, 4(2), 106-133.
        Morlang, K. (2020). Das Selbstverständnis von Trainer*innen. Forum Kinder- und Jugendsport, 1, 130-137.

        Speakers: Milan Dransmann (Universität Bielefeld), Lara Lesch (Universität Bielefeld), Bernd Gröben (Universität Bielefeld), Pamela Wicker (Universität Bielefeld)
      • 15:00
        „Wie arbeite ich mit Fällen im Sportunterricht?“ - Erfahrungen von Sportstudierenden im Auslandspraxissemester 1h 30m

        Einleitung
        Im Rahmen des Projekts OLAD@SH (Offenes Lehramt digital in Schleswig-Holstein) wurde an der Europa-Universität Flensburg ein Blended-Learning-Seminar zur Begleitung der Praxissemesterstudierenden im Ausland im Fach Sport entwickelt. Methodisch-didaktischer Ankerpunkt hierbei ist die systema-tische Fallarbeit als eine mögliche Herangehensweise zur verstärkten Theorie-Praxis-Verknüpfung bei der Vermittlung fachdidaktischer Kompetenzen als Teil der Professionalisierung von angehenden Sportlehrkräften (u.a. Wolters, 2015; Lüsebrink et al., 2014). Es wird die Forschungsfrage verfolgt, inwieweit die systematische Fallarbeit im Rahmen des Blended-Learning-Seminars von den Studierenden im Ausland für den eigenen Professionalisierungsprozess als subjektiv bedeutsam und produktiv erlebt wird. Zudem wird untersucht, wie die Studierenden die Methodik und Umsetzung der Fallarbeit im Rahmen des Blended-Learning-Seminars bewerten.

        Methode
        In drei Seminardurchgängen (WiSe 2020/21, WiSe 2021/22 und WiSe 2022/23) wurden nach dem Blended-Learning-Begleitseminar leitfadengestützte, fokus-sierte Interviews mit den Studierenden (N=15) geführt, die sich auf die Profes-sionsentwicklung über die Methodik der Fallarbeit konzentrieren. Die Auswer-tung erfolgt mittels qualitativer, strukturierender Inhaltsanalyse (Mayring, 2015) u.a. zu den deduktiven Kategorien (i.A. an Wolters, 2015) „Methodische und inhaltliche Vermittlung der Fallarbeit“, „Herausforderungen“ sowie „Chancen“. Die Interviewaussagen wurden entlang der Interpretationsregeln (Paraphrasie-rung, Generalisierung und Reduktion) analysiert.

        Ergebnisse
        Die Interviewauswertung zeigt, dass aus Sicht der Studierenden die Theorie-Praxis-Verknüpfung und der Einbezug von Videos in der Fallarbeit positiv wahrgenommen wird. Hingegen fällt ihnen das Arbeiten mit schriftlichen, frem-den Fällen oft schwer. Das kasuistische Vorgehen hat in der Lehrkräftebildung aus Sicht der Studierenden die Chance sich über Handlungsalternativen und Verbesserungsmöglichkeiten im Sportunterricht auszutauschen. Als heraus-fordernd nehmen sie wahr, den eigenen Fall sachlich – gewissermaßen aus der Position einer neutral beobachtenden Person – zu beschreiben und sich auf einzelne Situationen zu beschränken. Die Ergebnisse können ein Hinweis dafür sein, dass auf Seiten der Studierenden beim Vorgehen in der Fallarbeit noch Unklarheiten sowie Schwierigkeiten bestehen. Inwieweit diesen Schwie-rigkeiten im Rahmen des Blended-Learning-Seminars begegnet werden kann und inwiefern mit der Fallarbeit die Vermittlung fachdidaktischer Kompetenzen unterstützt werden kann, wird bei der Posterpräsentation zur Diskussion ge-stellt.

        Literatur
        Lüsebrink, I., Messmer, R., & Volkmann, I. (2014). Zur Bedeutung von Biographie, Erfahrung und Narration für die Fallarbeit in der Sportlehrer/innenausbildung. Zeitschrift für Sport-pädagogische Forschung, 2(1), 21-40.
        Mayring, P. (2015). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Beltz.
        Wolters, P. (2015). Fallarbeit in der Sportlehrerausbildung. Meyer & Meyer.

        Speakers: Anneke Langer (Europa-Universität Flensburg), Sina Hinternesch, Jürgen Schwier, Miriam Seyda
    • 16:30 17:30
      AK 1.1: Ziele und Aufträge des Sportunterrichts Sporthalle

      Sporthalle

      Convener: Julia Hapke (Universität Koblenz)
      • 16:30
        Gesundheit als Legitimationsargument für den Sportunterricht an be-rufsbildenden Schulen – Ergebnisse zu gestaltgebenden Strukturen mehrdimensionaler Gesundheitsförderung im Handlungsfeld 20m

        Einleitung
        Der Sportunterricht an berufsbildenden Schulen steht nach wie vor unter einem hohen Legitimationsdruck (Wegener, 2011). Gründe hierfür lassen sich vor allem auf systemisch-struktureller Ebene identifizieren. So ist das Berufsbildungssystem zur Realisierung seines Anspruches beruflicher Qualifizierung und allgemeiner Bildung in ein komplexes Wirkungsgefüge mit verschiedenen Akteuren eingebunden, von denen nicht alle den Sinn- und Bildungsgehalt des Sportunterrichts nachvollziehen (Riedl, 2008). Gesundheitsförderung in Verbindung mit beruflicher Qualifizierung scheint jedoch dazu geeignet zu sein, gesellschaftlichen Konsens zu ermöglichen und den Sportunterrichts bei außerschulischen Bildungspartnern zu legitimieren (Rode & Hähnel, 2010). Trotz dieser Bedeutung von Gesundheit für das Fach Sport an BBS existieren analog zum allgemeinen Forschungsdefizit bisher keine umfassenden Untersuchungen, die sich mit der Spezifik des Handlungsfeldes auseinandersetzen und die gegenwärtigen Umsetzungsmöglichkeiten eines gesundheitsfördernden Sportunterrichts aus salutogenetischer Perspektive analysieren.

        Methoden
        Um gestaltgebende Strukturen mehrdimensionaler Gesundheitsförderung im Handlungsfeld zu identifizieren, wurden drei Teilstudien durchgeführt. Diese konzentrierten sich auf das sozial-kulturelle Umfeld (Sportdidaktische Gesundheitskonzepte; N=2), den institutionell-rechtlichen Zwischenraum (Lehrplandokumente; N=14) und das In-Feld (Subjektive Theorien von Lehrkräften; N=11) des Sportunterrichts an BBS. Das Datenmaterial wurde mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) ausgewertet.

        Ergebnisse
        Während in aktuellen sportdidaktischen Konzepten übereinstimmend eine ganzheitliche und salutogenetische Auffassung von Gesundheit zu erkennen ist, konnten in den anderen beiden Teilstudien deutliche Unterschiede hinsichtlich des Gesundheitsverständnisses und der Strategien zur Gesundheitsförderung herausgearbeitet werden. Diese reichten von funktional-defizitorientierten bis hin zu salutogenetisch-ressourcenorientierten Ansätzen. Die Merkmale wurden in einer Typologie des jeweiligen Feldbereiches festgehalten und zeigen wichtige Ausgangslagen und Entwicklungspotenziale für innovative Sportunterrichtskonzepte auf. Diese sollen auf der Tagung vorgestellt werden.

        Literatur
        Kuckartz, U. (2018). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. 4. Auflage, Weinheim, Basel: Beltz Juventa.
        Riedl, M. (2008). Berufliche Handlungskompetenz und Sport. Konzept zur Kompetenzentwicklung und Gesundheitsförderung durch das Fach Sport an Berufsschulen. (Schriften zur Sportwissenschaft. Band 78). Hamburg: Verlag Dr. Kovac.
        Rohde, R & Hähnel, J. (2010). Sport in der beruflichen Bildung. In: N. Fessler, A. Hummel & G. Stibbe (Hrsg.), Handbuch Schulsport (S. 321-335). Schorndorf: Hofmann-Verlag.
        Wegener, M. (2011). Sportunterricht in der Berufsschule. Konzepte und Perspektiven. Sportunterricht, 60 (7), S. 201–207.

        Speaker: Alessa Gravemann
      • 16:50
        Bildgebung des Kompetenten zwischen alle Stühle Setzens - Versuch der Fokussierung visueller Repräsentationsunschärfen von Kompetenz im sportdidaktischen Framework 20m

        Kompetenzen, ihre Entwicklung, Anbahnung und theoretische Grundlegung sind stets Gegenstand der Sportpädagogik (Sygusch et al., 2022; Gogoll, 2013; Gissel, 2014; Baumgartner, 2018). Dieser Beitrag stellt Überlegungen zur Visualisierungsform des Kompetenzraumes vor. Im Rückgriff auf Balz »fachdidaktischen Würfel« (Balz, 2009) und einer ihm eingeschriebenen dysfunktionalen Illustration – der Würfel ist kein Würfel, sondern ein Raumachsensystem (ebd., S. 30) – lässt sich zeigen, dass eine delusorische Formgebung im Diskurs unhinterfragt fortgeschrieben wird. Jene führt zu einer Repräsentationsunschärfe oder einem praxeologischen (vgl. Bohnsack, 2021) Defekt sportdidaktischer Fundierung von Unterrichtsprozessen (Scherler, 2008). Der Beitrag ist der Versuch die Realisierungslücke »Kompetenzorientierung im Sportunterricht« visuell zu bezeichnen und aufbauend auf die bisherigen Forschungsarbeiten den Raum (Löw, 2001), in dem Kompetenz sich abbildet, als axial getragenes System perspektivisch ästhetisch darzustellen. Sodass daraufhin Kompetenz eine morphologische Ablösung von der Würfelform ermöglicht wird. Intendiert ist keine Theoremfalsifikation oder Methodenkritik, sondern dem Tagungsthema folgend eine ästhetische/formensprachliche Revolutio, um zu skizzieren welche empirischen Zugangsmöglichkeiten in den Kompetenzraum möglich sein könnten.

        Literaturverzeichnis
        Balz, E. (2009). Fachdidaktische Konzepte update oder: Woran soll sich der Schulsport orientieren? Sportpädagogik, 33(1), 25–32.
        Baumgartner, M. (2018). "… Kompetenz ohne Perfomanz ist leer! Performanz ohne Kompetenz blind …!”: Zu einem integrativen Kompetenz-Strukturmodell von Sportlehrkräften. Zeitschrift für sportpädagogische Forschung, 6(1), 49–68.
        Bohnsack, R. (2021). Praxeologische Wissenssoziologie. Zeitschrift für Qualitative Forschung, 22(1), 87–105. https://doi.org/10.3224/zqf.v22i1.08
        Gissel, N. (2014). Welche Kompetenzen wollen wir vermitteln? Der „Kompetenzwürfel“ und Konsequenzen für die Praxis. In M. Pfitzner (Hrsg.), Aufgabenkultur im Sportunterricht: Konzepte und Befunde zur Methodendiskussion für eine Neue Lernkultur (1. Aufl., S. 67-91). Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03837-3_4
        Gogoll, A. (2013). Sport- und bewegungskulturelle Kompetenz: Zur Begründung und Modellierung eines Teils handlungsbezogener Bildung im Fach Sport. Zeitschrift für sportpädagogische Forschung, 1(2), 5–24.
        Löw, M. (2001). Raumsoziologie (1. Aufl.). Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft: Bd. 1506. Suhrkamp.
        Scherler, K. (2008). Sportunterricht auswerten: Eine Unterrichtslehre (2., überarb. Aufl.). Czwalina Verlag.
        Sygusch, R., Hapke, J., Liebl, S., Töpfer, C., Ahns, M., & Engelhardt, S. (Hrsg.). (2022). Beiträge zur Lehre und Forschung im Sport: Bd. 198. Kompetenzorientierung im Sport: Grundlagen, Modellentwurf und Anwendungsbeispiele. Hofmann.

        Speaker: Edgar Sauerbier (Europa-Universität Flensburg)
      • 17:10
        Wissen und Können im Sport: eine Taxonomie zur Kompetenzorientierung im Sportunterricht 20m

        Die Kompetenzorientierung im Sportunterricht wurde in den vergangenen Jahren durch unterschiedliche Modellierungsansätze angeregt, um zu klären, was Kompetenzen von Schüler*innen im Fach Sport auszeichnet (u.a. Pfitzner, 2018). Wissen und Können haben sich diesbezüglich als zentrales Begriffspaar für Kompetenz etabliert (Gogoll, 2008). Die vorhandenen Konzeptionen für den Sportunterricht bleiben insgesamt jedoch weitgehend abstrakt darin, wie dieses Wissen und Können sowie deren Interaktionen in einem kompetenzorientierten und Erziehenden Sportunterricht operationalisiert werden können.

        Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, Wissen und Können vor dem Hintergrund der Handlungsfähigkeit als Bildungsauftrag des Faches Sport zu operationalisieren und deren Interaktion in einer dreidimensionalen Taxonomie abzubilden. Als Ausgangspunkte wird auf vorhandene bildungswissenschaftliche Ansprüche zur Modellierung von Kompetenzen zurückgegriffen. Weitere Orientierungspunkte bieten sportdidaktische Kenntnisse zu Anforderungssituationen in der Sport- und Bewegungskultur, zur Handlungsfähigkeit im Erziehenden Sportunterricht, zum Wissen als ein Kernbestandteil eines kompetenten sportbezogenen Handelns sowie zu ausgewählten Kompetenzmodellen im Fach Sport.

        Angelehnt an kognitionspsychologisch ausgerichtete Modelle und vorhandene Taxonomien (u.a. Anderson & Krathwohl, 2001) untergliedert sich die Taxonomie in drei Dimensionen (Töpfer et al., 2022). Die Inhaltsdimension skizziert, welche Wissensinhalte bezugnehmend zu Bewegungsfeldern und pädagogischen Perspektiven im Fach Sport bedeutsam sind. Die Aktivitätsdimension umfasst sechs Aktivitäten, die übergreifend in die Bereiche Wissenserwerb, Wissensnutzung und Wissensschaffung eingebettet sind. Die Anforderungsdimension beschreibt drei Niveaustufen, welche kompetenzorientierte Lernziele, Lernaufgaben und Leistungsaufgaben hinsichtlich ihrer Komplexität untergliedern.

        Die vorliegende Taxonomie bietet Ansätze zur Operationalisierung von Kompetenzen im Sport. Sie dient damit als Orientierungsraster für die methodisch-didaktische Konzeption von Lernaufgaben sowie die empirische Analyse von kompetenzorientierten Lehr-Lern-Prozessen und deren Wirkungen im Erziehenden Sportunterricht.

        Literatur
        Anderson, L. W., & Krathwohl, D. R. (2001). A taxonomy for learning, teaching and assessing: a revision of bloom’s taxonomy of educational objectives. Langenscheidt.
        Gogoll, A. (2008). Neue Lehr-Lernkulturen im Sportunterricht. Ein sportdidaktisch-theoretischer Rahmen. In H. P. Brandl-Bredenbeck & M. Stefanie (Hrsg.), Schulen in Bewegung – Schulsport in Bewegung. Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, (Bd. 190, S. 154–159). Czwalina.
        Pfitzner, M. (2018). Lernaufgaben im kompetenzförderlichen Sportunterricht: Theoretische Grundlagen und empirische Befunde. Springer VS.
        Töpfer, C., Hapke, J., Liebl, S. & Sygusch, R. (2022). Kompetenzorientierung im Sport: eine Taxonomie für den Sportunterricht. German Journal of Exercise and Sport Research, 52, 570–583. https://doi.org/10.1007/s12662-022-00831-0

        Speakers: Clemens Töpfer (Friedrich-Schiller-Universität Jena), Julia Hapke (Universität Tübingen), Sebastian Liebl (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), Ralf Sygusch (dvs)
    • 16:30 17:30
      AK 1.2: Wirkungsketten im Sportunterricht Lesesaal

      Lesesaal

      Convener: Roland Messmer (FHNW)
      • 16:30
        Faktorielle Struktur der Unterrichtsqualität im Fach Bewegung und Sport: Aggregierte und idiosynkratische Wahrnehmung der Unterrichtsqualität von Schüler:innen 20m

        Theorie
        Aktuelle Beiträge der Unterrichtsqualitätsforschung beschäftigen sich mit der Differenzierung verschiedener Dimensionen, insbesondere in Bezug auf unterschiedliche Fächer (z.B. Baumgartner et al., 2021; Herrmann & Gerlach, 2020). Vorliegender Beitrag präsentiert eine Erweiterung des Modells der drei Basisdimensionen der Unterrichtsqualität. Dabei wird in Anlehnung an aktuelle Befunde (z.B. Kleickmann et al., 2020) eine Differenzierung in eine für den Sportunterricht potenziell bedeutsame Dimension der «kognitiv-motorischen Unterstützung» realisiert.
        Methodik
        Die Erhebung der Unterrichtsqualität mittels Schüler:innenwahrnehmung basiert auf bestehenden generischen und fachspezifischen Ansätzen (z.B. Herrmann, 2019), welche aufgrund von inhaltlichen oder methodischen Divergenzen angepasst wurden. Zusätzlich wurden Items eigens konstruiert. Mittels konfirmatorischer Mehrebenen-Faktorenanalyse wurde die Dimensionalität simultan auf aggregierter und individueller Ebene analysiert, wobei letztere durch weitere Analyseverfahren ( z.B. B-ESEM) ergänzt wurde.
        Ergebnisse
        Die Skalen weisen eine gute Reliabilität (α = .78 bis .90) auf. Die durchschnittliche Klassengrösse beträgt 14.37 Schüler:innen (weiblich: 49%). Die ICCs reichen von .07 bis .21. Die postulierte faktorielle Struktur weist eine adäquate Passung zu den Daten auf (z.B. CFI/TLI = .95/.94; RMSEA = .05; SRMR within = .05; SRMR between = .09). Weitere Ergebnisse werden aus Platzgründen im Beitrag präsentiert.
        Diskussion
        Sowohl inhaltlich als auch empirisch kann das postulierte Messmodell Alternativmodellen vorgezogen werden und stellt damit eine interessante Erweiterung für die Unterrichtsqualitätsforschung im Fach Bewegung und Sport dar.
        Literatur
        Baumgartner, M., Gerlach, E., Kruse, F., Herrmann, C., Büchel, S., & Brühwiler, C. (2021). Beiträge zur Qualität im Sportunterricht. Symposium an der DVS-Tagung Sektion Sportpädagogik.
        Herrmann, C. (2019). Evaluation der Unterrichtsqualität im Sportunterricht mit dem QUALLIS-Instrument. 73, 12–17.
        Herrmann, C., & Gerlach, E. (2020). Unterrichtsqualität im Fach Sport – Ein Überblicksbeitrag zum Forschungsstand in Theorie und Empirie. Unterrichtswissenschaft, 48, 361-384.
        Kleickmann, T., Steffensky, M., & Praetorius, A.-K. (2020). Quality of teaching in science education: More than three basic dimensions? Zeitschrift für Pädagogik. Beiheft, 66(1), 37-53.
        Rakoczy, K., Buff, A., & Lipowsky, F. (2005). Dokumentation der Erhebungs-und Auswertungsinstrumente zur schweizerisch-deutschen Videostudie. Befragungsinstrumente. GFPF.
        Messmer, R., Brühwiler, C., Gogoll, A., Büchel, S., Vogler, J., Kruse, F., Wittwer, M., Steinberg, M., & Nadenbousch, A. (2022). Wissen und Können bei Lehrpersonen und Lernenden im Sportunterricht. Zum Design und zur Modellierung von Schülerinnen und Lehrerinnenkompetenzen (S. 209–231). In R. Messmer & C. Krieger (Hrsg.), Narrative zwischen Wissen und Können. Aktuelle Befunde aus Sportdidaktik und -Pädagogik. Academia.

        Speakers: Felix Kruse (Pädagogische Hochschule St. Gallen), Sonja Büchel (Pädagogische Hochschule St. Gallen), Christian Brühwiler (Pädagogische Hochschule St. Gallen)
      • 16:50
        Effekte fachspezifischen professionellen Wissens und Könnens von Sportlehrpersonen auf die Lernfortschritte von Schüler*innen 20m

        Die Bedeutung professioneller Kompetenzen von Lehrpersonen für den Lernfortschritt ihrer Schülerinnen ist in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Thema in der Bildungsforschung geworden. Dabei hat sich die Qualität entsprechender Studien zunehmend verbessert, indem vermehrt standardisierte Tests eingesetzt werden (z.B. Blömeke et al., 2022). Allerdings ist es bislang kaum gelungen robuste Zusammenhänge in dieser Wirkungskette aufzuzeigen. Zudem beschränken sich entsprechende Untersuchungen primär auf den Mathematikunterricht. Im Rahmen der EPiC-PE 3:1 Studie (Messmer et al., 2020) wurden erstmals auch für den Sportunterricht Testinstrumente entwickelt und validiert, um einerseits kontextfernes aber auch kontextualisiertes fachspezifisches professionelles Wissen und Können von Lehrpersonen – content knowledge (CK) und pedagogical conten knowledge (PCK) – sowie Lernfortschritte von Schülerinnen zu quantifizieren. Im Rahmen des vorliegenden Beitrages soll nun der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung den einzelnen Dimensionen professionellen Wissens und Könnens im Hinblick auf den Lernertrag bei den Schüler*innen zukommt.

        Konfirmatorische Faktorenanalysen bestätigen die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der entwickelten Testinstrumente zur Erfassung von sowohl kontextfernem (mittels MC-Items) als auch situationsspezifischem (mittels Video- und Textvignetten) CK und PCK von Sportlehrpersonen. Jedoch verweisen sie auf Schwierigkeiten bezüglich Trennbarkeit der einzelnen Dimensionen (Wittwer et al., im Druck). Auf Schülerinnenseite zeigen die Ergebnisse der durchgeführten sportpraktischen Tests im pre-post Design mit zwischengelagerter Unterrichtseinheit signifikante Leistungssteigerungen in allen Kompetenzbereichen. Erste Wirkungsanalysen (Strukturgleichungsmodelle) deuten jedoch darauf hin, dass, obwohl mehrere Facetten professionellen Wissens und Könnens positive Effekte auf die Lernzuwächse bei die Schülerinnen haben, keiner dieser Effekte signifikant ausfällt.

        Die Ergebnisse unterstreichen damit die auch in anderen Fächern beschriebene Problematik zum Nachweis direkter Effekte professionellen Wissens auf Lernzuwächse. Neben möglichen Deckeneffekten beim Professionswissen verweist dies insbesondere auf die Multidimensionalität der Wirkungskette sowie auf Lücken im Black-Box-Modell (Blömeke et al., 2022).

        Blömeke, S., Jentsch, A., Ross, N., Kaiser, G., & König, J. (2022). Opening up the black box: Teacher competence, instructional quality, and students’ learning progress. Learning and Instruction, 79, 1-11.
        Messmer, R., Brühwiler, C., Gogoll, A., Büchel, S., Vogler, J., Kruse, F., Wittwer, M., Steinberg, M., & Nadenbousch, A. (2022). Wissen und Können bei Lehrpersonen und Lernenden im Sportunterricht. Zum Design und zur Modellierung von Schülerinnen und Lehrerinnenkompetenzen. In R. Messmer & C. Krieger (Hrsg.), Narrative zwischen Wissen und Können. Aktuelle Befunde aus Sportdidaktik- und Pädagogik (S. 209-231). Academia.
        Wittwer, M., Messmer, R., & Büchel, S. (in Druck). Fachspezifisches professionelles Wissen und Können von Sportlehrpersonen. Schweizerische Zeitschrift für Bildungsforschung.

        Speakers: Matthias Wittwer (PH FHNW), Roland Messmer (PH FHNW)
      • 17:10
        Eine fachspezifische Dimension PCK für den Sportunterricht 20m

        Im Rahmen der Professionalisierung von Lehrpersonen wurden in den vergangenen Jahrzehn-ten unterschiedliche Dimensionen professionellen Wissens identifiziert und ausdifferenziert. Über Strukturanalysen konnten diese Dimensionen in verschiedenen Fächern auch empirisch nachgewiesen werden, wodurch die Voraussetzung für Wirkungsanalysen bis hin zu den Schü-lerleistungen geschaffen wurde. Als durchwegs und in allen Fächern populäres Konstrukt wird die von Shulman bereits 1986 formulierte Differenz von Content Knowledge (CK), Pedagogi-cal Content Knowledge (PCK) und General Content Knowledge (GPK) (1986, 1987) auf vielfältigste Weise verwendet.
        ln Anlehnung an Hashweh (2013, S. 116) scheint es angemessen, das PCK fachspezifisch auszudifferenzieren und ein «topic-specific PCK» zu entwickeln.
        Im Sport liegen bereits Untersuchungen vor, in denen ein fachspezifisches PCK bestimmt werden konnte. So haben (Iserbyt et al., 2017) in Anlehnung an (Ball et al., 2008) versucht ein Specialized Content Knowledge (SCK) und ein Common Content Knowledge (CCK) auch für den Sport auszudifferenzieren. Die Strukturanalysen zeigten hier durchaus anspre-chende Resultate. Allerdings weisen diese Untersuchungen auf die von Hashweh (2013) kri-tisierte Übernahme bestehender Dimensionen aus anderen Fächern hin. So ist es durchaus möglich, dass fachspezifische Subdimensionen des PCK im Sportunterricht existieren. Dies ganz in der Linie von Ward & Ayvazo, die ein sportspezifisches PCK fordern, damit es spezi-fisch für das Fach und dessen Kontext ist. «PCK does not develop in a vacuum. It is formed in teaching experiences of teaching specific content in specific situations, to specific learners» (2016, S. 200).
        Im Zentrum der hier vorgestellten (Teil-)Untersuchung steht die Frage nach einem fachspe-zifischen PCK, das sich für weitere empirische Untersuchungen verwenden lässt.
        Eine Explorative Faktorenanalyse (EFA) weist in ersten Analysen auf eine hohe Korrelation zwischen den einzelnen Subdimensionen von PCK hin (Wittwer & Messmer, 2022). Eine EFA über das CK und PCK hinweg zeigt einen Weg, das professionelle Wissen zu differen-zieren. Zudem weisen erste Analysen in der Wirkungskette von Professionswissen zu Unter-richtsqualität zu den Schüler:innenleistungen darauf hin, dass hier überraschende Differenzie-rungen zu erkennen sind. Diese bestätigen in ihrer inhaltlichen Ausprägung die bereits von Iserbyt et al. (2017) ausdifferenzierte Unterscheidung von CK und SCK. Damit zeigt sich auch in unserer Untersuchung, dass die – insbesondere in einem konkreten Kontext erhobe-nen – Daten eine durchaus differente Differenzierung von CK und PCK als in anderen Fä-chern nötig ist.

        Speakers: Matthias Wittwer (PH FHNW), Roland Messmer (FHNW)
    • 16:30 17:30
      AK 1.3: Außerunterrichtlicher Schulsport im Kontext von Inklusion und Diversität Fel 03

      Fel 03

      Convener: Judith Frohn (Bergische Universität Wuppertal)
      • 16:30
        Befunde zur Umsetzung von Inklusion in Sportangeboten des offenen Ganztags an Grundschulen – Einblicke in eine quantitative Erhebung in vier NRW-Städten 20m

        Sportangebote spielen im Ganztagsbetrieb von Schulen eine zentrale Rolle. Über 95% der Ganztagsschulen haben sportbezogene Angebote im Repertoire (StEG-Konsortium, 2019). Wie die anderen Bereiche des Bildungssystems, ist auch der sportbezogene Ganztag dazu verpflichtet, auf die Diversität von Schülerinnen zu reagieren und Inklusi-on umzusetzen – so wie es u. a. in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung formuliert ist. Unklar ist jedoch, inwiefern der sportbezogene Ganztag dieser Verpflichtung bereits nachkommt. Es fehlen Untersuchungen, die differenziert analysieren, ob der Ganztagssport tatsächlich inklusiv ausgerichtet ist. An dieser For-schungslücke setzt der vorliegende Beitrag an, in dem beleuchtet werden soll, welche Relevanz Inklusion im Ganztagssport einnimmt, welche Schülerinnen an den Sportan-geboten teilnehmen und wie die dort eingebundenen Fachkräfte in puncto Inklusion auf-gestellt sind.

        Zur Bearbeitung dieses Anliegens wurde eine quantitative Online-Befragung mit Leitun-gen des offenen Ganztags an Grundschulen durchgeführt. Die Erhebung, in der ein wei-tes Inklusionsverständnis zugrunde gelegt wurde, das über die Dimensionen Behinde-rung und Migration hinausgeht, fand zwischen Mai und Juli 2022 in vier nordrhein-westfälischen Städten statt (Köln, Wuppertal, Remscheid, Solingen). Die Antworten von 89 OGS-Leitungen konnten in die Auswertung einbezogen werden, was ca. 40% der Grundgesamtheit entspricht. Im Vortrag sollen erste Ergebnisse der Datenanalyse prä-sentiert werden.

        Die Auswertung zeigt, dass Inklusion im Ganztagssport der Grundschule eine eher un-tergeordnete Rolle spielt. 43% der Befragten gaben an, die Sportangebote gezielt dafür zu nutzen. 44% meinten hingegen, dass dies „eher nebensächlich“ sei; 13% sagten, dass das Thema keine Relevanz bei der Umsetzung der Sportangebote habe. Zudem scheinen sich nicht alle Kinder in den Ganztagssport einbringen zu können. Ein Drittel der OGS-Leitungen waren der Meinung, dass Kinder mit Beeinträchtigung und/oder För-derbedarf in den Sportangeboten unterrepräsentiert sind; gefolgt von solchen, die trans-geschlechtlich oder divers sind (28%), und Mädchen (24%). Auch bezogen auf das Per-sonal legen die Daten Unzulänglichkeiten offen: Fast 50% der Befragten bewerten die personelle Situation im Hinblick auf Inklusion kritisch.

        Die skizzierten Ergebnisse, die im Vortrag durch weitere, aufschlussreiche Befunde er-gänzt werden, untermauern insgesamt, dass die Umsetzung von Inklusion im Ganztags-sport noch nicht konsequent verfolgt wird. Es ist daher dringend geboten, das Bewusst-sein für die Thematik zu schärfen und den Inklusionsgedanke stärker als bislang in den Angeboten zu verankern.

        Literatur
        StEG-Konsortium (2019). Ganztagsschule 2017/2018. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befra-gung. Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG). DIPF, DJI, IFS, Justus-Liebig-Universität.

        Speakers: Fabienne Bartsch (DSHS Köln, Institut für Soziologie und Genderforschung, Abteilung Diversitätsforschung), Petra Cwierdzinski (Bergische Universität Wuppertal), Judith Frohn (Bergische Universität Wuppertal), Bettina Rulofs (Deutsche Sporthochschule Köln)
      • 16:50
        Inklusion an der Schnittstelle von schulischem Ganztag und Verein 20m

        Der schulische Ganztag kann als eine zentrale Schnittstelle zwischen der Bildungsinstitution Schule und dem organisierten Sport betrachtet werden: Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote haben im Ganztag einen festen Platz und machen einen beträchtlichen Anteil im Kanon der Angebote aus, der ohne die Kooperation mit Sportvereinen nicht möglich wäre. Die von beiden Akteurinnen gemeinsam verantworteten Angebote bieten Chancen der sportbezogenen Entwicklungsförderung jenseits formaler Bildungs- und Erziehungsprozesse in der Schule (Laging, 2014), die auch Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf selbstverständlich zugänglich sein müssen. Deren Anteil an anderen allgemeinbildenden Schulen als Förderschulen ist seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 von 19% aller Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Schuljahr 2008/09 auf 44,4% im Schuljahr 2020/21 gestiegen (Klemm, 2022).

        Es stellt sich die Frage, wie Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote an der Schnittstelle zwischen Ganztag, Inklusion und Sportverein gestaltet sein müssen, damit sie auch attraktiv für Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind und diese daran teilnehmen. In der sportbezogenen Ganztagsforschung wird dieses Thema bislang nicht bearbeitet (Naul & Neuber, 2021).

        In einer Interviewstudie mit Verantwortlichen für Sport- und Bewegungsangebote im Ganztag wurde dieser Frage nachgegangen. Insgesamt wurden N=21 leitfadengestützte Interviews durchgeführt, wobei sowohl Personen aus Schule und Ganztag, als auch Personen aus Vereinen, Verbänden und weiteren Kooperationspartner*innen befragt wurden. Die inhaltsanalytische Auswertung nach Mayring (2022) wird im April 2023 abgeschlossen sein, so dass im Vortrag Ergebnisse präsentiert und Konsequenzen für inklusive Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote im Ganztag diskutiert werden können.

        Es deutet sich an, dass es kaum explizit inklusiv konzipierte Bewegungs- und Sportangebote gibt und Schülerinnen mit Behinderung oder sonderpädagogischem Förderbedarf eher dann an Bewegungsangeboten teilnehmen, wenn ihre individuellen Voraussetzungen nicht mit den normierten Erwartungen der jeweiligen Sportarten konfligieren. Eine besondere Herausforderung scheint die Verfügbarkeit personeller Ressourcen auf der Seite der Anleitenden zu sein. Insgesamt betrachtet steht das Thema Inklusion an der Schnittstelle von Bewegungs-, Spiel- und Sportangeboten im Ganztag und der Kooperation mit Sportvereinen und weiteren außerschulischen Partnerinnen bei den Verantwortlichen nicht im Fokus aktueller Überlegungen, so dass die Situation für insbesondere Schüler*innen mit Behinderung oder sonderpädagogischem Förderbedarf noch nicht zufriedenstellend ist.

        Literatur
        Klemm, K. (2022). Inklusion in Deutschlands Schulen: Eine bildungsstatistische Momentaufnahme 2020/21. Bertelsmann Stiftung.
        Laging, R. (2014). Einleitung. In R. Hildebrandt-Stramann, R. Laging, & J. Teubner (Hrsg.), Bewegung, Spiel und Sport in der Ganztagsschule. StuBSS: Ergebnisse der qualitativen Studie (S. 7-13). Schneider.
        Mayring, P. (2022). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken (Neuausgabe). Beltz.
        Naul, R. & Neuber, N. (2021). Sport im Ganztag – Zwischenbilanz und Perspektiven. In N. Neuber (Hrsg.), Kinder- und Jugendsportforschung in Deutschland – Bilanz und Perspektive (S. 133-150). Springer VS.

        Speakers: Judith Frohn (Bergische Universität Wuppertal), Natascha Dauben (Bergische Universität Wuppertal), Petra Cwierdzinski
      • 17:10
        Sporthelfer*innen in inklusiven Settings des außerunterrichtlichen Schulsports – wer profitiert? 20m

        Sporthelferinnen sind speziell ausgebildete Schülerinnen, die Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote im außerunterrichtlichen Sport und im Ganztag von Schulen gestalten und durchführen können. Ziel der Ausbildung ist neben der Förderung fachlicher und vermittlungsbezogener Kompetenzen auch die Förderung sozial-kommunikativer Fähigkeiten (Sportjugend NRW, 2010). Sporthelferinnen werden als Mitgestalterinnen des Schulsports gesehen sowie als Expertinnen für Wünsche und Bedürfnisse von Schülerinnen. Bislang wurde der Einsatz von Sporthelfer*innen im Schulsport aus sportpädagogischer Sicht kaum reflektiert, mit Blick auf die Möglichkeiten inklusiven Schulsports wird diese Forschungslücke noch deutlicher.

        In einem Schulprojekt wurden an einer Förderschule für Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung die Sporthelferinnen eines benachbarten Gymnasiums eingesetzt, dabei wurden Begegnungen zwischen Schülerinnen mit und ohne Behinderung bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf ermöglicht. Im Sinne der Schülerinnenforschung (vgl. Krieger, Heemsoth & Wibowo, 2020) soll der Blick auf die Erlebensperspektive der Sporthelferinnen gerichtet werden und es wird danach gefragt, wie sie den Kontakt zu Schülerinnen der Förderschule wahrgenommen und ihren Einsatz in der Förderschule erlebt haben. Dazu wurden sechs Sporthelferinnen zu Beginn und nach fast einem Jahr Tätigkeit mit Hilfe von Leitfadeninterviews befragt. Dabei wurden u. a. die Beweggründe zur Teilnahme, die Sicht der eigenen Rolle, Kontakt und Kommunikation innerhalb der Gruppe sowie Reflexionen zum Gesamtprojekt erfasst.

        Die inhaltsanalytische Auswertung der Interviews (Mayring, 2022) zeigt eine veränderte Sicht der Sporthelferinnen auf Schülerinnen der Förderschule. Anfängliche Bedenken in Bezug auf die kommunikativen, motorischen und intellektuellen Möglichkeiten der Schülerinnen der Förderschule sowie die eigenen Kompetenzen zeigten sich in der Praxis nicht. Insbesondere der persönliche Kontakt wurde als positiv hervorgehoben. Einerseits unterstützen die Sporthelferinnen die Schülerinnen mit Förderbedarf, andererseits profitieren die Sporthelferinnen von ihren Erfahrungen und fühlen sich durch das Projekt selbstbewusster.

        Es wird ersichtlich, dass es bislang mangelnde (organisierte) Begegnungsmöglichkeiten von Schülerinnen mit und ohne Förderbedarf gibt. Bezogen auf die Sporthelferinnentätigkeit kann die Empfehlung gegeben werden, das Thema Inklusion gezielt in die Ausbildung einzubeziehen (Lehmann & Uhler-Derigs, 2016) und inklusive Settings als Einsatzorte zu nutzen und zu gestalten.

        Krieger, C., Heemsoth, T., & Wibowo, J. (2020). Schüler*innenforschung. In E. Balz, C. Krieger, W. Miethling, & P. Wolters (Hrsg.), Empirie des Schulsports (3. Auflage). (S. 114-147). Meyer und Meyer.
        Lehmann, B., & Uhler-Derigs, H. G. (2016). Die (inklusive) Ausbildung von Sporthelfer/innen als Teil der kommunalen Kinder- und Jugendsportentwicklung in NRW. In S. Ruin., S. Meier., H. Leineweber., D. Klein, & C. G. Buhren (Hrsg.), Inklusion im Schulsport: Anregungen und Reflexionen. (S. 161-171). Beltz.
        Mayring, P. (2022). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken (Neuausgabe). Beltz.
        Sportjugend NRW (Hrsg.). (2010). Konzeption für die Ausbildung von Sporthelferinnen und Sporthelfern. [Elektronische Version]

        Speaker: Petra Cwierdzinski
    • 16:30 17:30
      AK 1.4: Üben im Sportunterricht zwischen den Stühlen: Eine videografische Analyse zur kognitiven, motorischen und ästhetischen Aktivierung Hörsaal

      Hörsaal

      Convener: Helga Leineweber (WWU Münster)
      • 16:30
        Üben im Kontext unterschiedlicher Theorien und Konzepte 20m

        Je nach theoretischem Hintergrund wird das Üben unterschiedlich konzeptualisiert. Aus motorikwissenschaftlicher Perspektive basiert Bewegungslernen zu wesentlichen Teilen auf Übungsprozessen (Scherer, 2022). Dementsprechend hängt der Lernerfolg entscheidend von der Gestaltung von Übungsbedingungen ab (Munzert & Hossner, 2008, S. 238). Psychoökologische Ansätze betonen nach Scherer (2022) die zyklische Verflechtung von Wahrnehmung und Handlung, die sich wechselseitig führen.
        Scherer und Bietz (2013) betten ihre Überlegungen zum Lehren und Lernen von Bewegungen u.a. bildungstheoretisch ein, womit eine Brücke zu entsprechenden Ansätzen vorliegt. Nach Brinkmann (2022) wird in den Diskursen zum Üben die ästhetisch-leibliche Dimension gegenüber der methodisch-reflexiven oftmals vernachlässigt. Stattdessen werde das Üben auf Automatisierung, mechanischen Drill und isoliertes Training reduziert. Ein anderer Blick auf das Üben eröffnet sich, wenn Üben als ästhetischer Erfahrungsprozess konzeptualisiert wird (Brinkmann, 2021). Üben ist dann zu verstehen als Erfahrung der Annäherung an und Abweichung von eine(r) angestrebte(n) Form, womit Differenzerfahrungen einen zentralen Stellenwert erlangen (Franke, 2018).
        Besonders kompetenzorientierte Ansätze beziehen sich stärker auf intelligentes Üben und kognitive Aktivierung (Pfitzner, 2018). Dementsprechend argumentiert Messmer, dass Üben „unter Umständen zu einer Verbesserung der konditionellen und motorischen Fähigkeiten (führt), (es) widerspricht aber einer lernpsychologischen Erkenntnis, dass Lernen immer auch mit einer kognitiven Aktivität verbunden sein muss“ (Messmer, 2014, S. 121). Der Fokus liegt hier also eher auf der reflexiv- analytischen im Unterschied zur ästhetischen Durchdringung des Lerngegenstands. Die unterschiedlichen Konzeptionen des Übens bilden den Rahmen für die empirische Untersuchung von Übungsprozessen im Sportunterricht (s. Abstract 2 und 3).

        Literatur
        Brinkmann, M. (2021). Die Wiederkehr des Übens. Kohlhammer.
        Brinkmann, M. (2022). Üben als bildende Praxis in der Sportpädagogik. Sportunterricht, 71(6), 244- 248. DOI 10.30426/SU-2022-06-1.
        Franke, E. (2018). Eine Allgemeine Pädagogik für die Sportpädagogik? In R. Laging, & P. Kuhn (Hrsg.), Bildungstheorie und Sportdidaktik (S. 253-291). Springer.
        Messmer, R. (2014). Aufgaben zwischen Können und Wissen. In M. Pfitzner (Hrsg.), Aufgabenkultur im Sportunterricht (S. 111-133). Springer.
        Munzert, J., & Hossner, H.-J. (2008). Lehren und Lernen sportmotorischer Fertigkeiten. In J. Beckmann, & M. Kellmann (Hrsg.), Anwendungen der Sportpsychologie (S. 177-255). Hogrefe. Pfitzner, M. (2018). Lernaufgaben im kompetenzförderlichen Sportunterricht. Theoretische Grundlagen und empirische Befunde. Springer.
        Scherer, G. & Bietz, J. (2013). Lehren und Lernen von Bewegungen. Schneider.
        Scherer, H.-G. (2022). Üben aus motorikwissenschaftlicher Sicht. Sportunterricht, 71(6), 261-265. DOI 10.30426/SU-2022-06-4

        Speakers: Ilka Lüsebrink (PH Freiburg), Petra Wolters (Universität Vechta)
      • 16:50
        Üben im Sportunterricht empirisch erfassen 20m

        Vor dem Hintergrund der dargelegten theoretischen Kontextualisierung stellt die empirische Erfassung der didaktischen Gestaltung von Übungsphasen durch die Lehrkräfte sowie ihrer Ausdeutung durch die Schüler:innen zentrale Forschungs-perspektiven dar, die wir explorieren wollen. Der Vortrag widmet sich den for-schungsmethod(olog)ischen Implikationen eines solchen Forschungsvorhabens, das sich am Forschungsstil der Grounded Theory Methodology (GTM) orientiert und fokussiert ausschließlich den videographischen Teil des multimethodischen For-schungsdesigns. Es wird darum gehen, in die bisher noch wenig elaborierte An-wendung der GTM im Kontext von (unterrichtlichen) Videoanalysen einzuführen (Dietrich & Mey, 2018; Moritz, 2016) und sie hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit für das hier präsentierte Forschungsprojekt kritisch zu diskutieren. Das eher grobmaschige Vorgehen in Bezug auf die sequenzielle Rezeption audiovisueller Daten bietet Chancen für die Analyse unterrichtlicher Videographie (Dietrich & Mey, 2018, S. 140), ist aber für das hier vorliegende Forschungsinteresse, das u.a. auch Mikro-prozesse des Übens in den Blick nimmt, nicht vollumfänglich geeignet, so dass den Ausführungen von Dietrich & Mey (2018) Rechnung getragen wird, in Abhängigkeit vom Forschungsinteresse Adaptionen von nicht GTM-basierten Ansätzen in eine ganzheitliche GTM-Verfahrenslogik (S. 140) zu integrieren. Wir präsentieren und begründen für die Feinanalyse von Unterrichtsvideos den Rückgriff auf die Video-analyse nach Dinkelaker & Herrle (2009) im Sinne einer methodischen Adaption, die als Beitrag zur grundsätzlichen Diskussion verschiedener Ansätze zur Auswer-tung audiovisuellen Materials in der Sportpädagogik beitragen soll und präzisieren dies im nachfolgenden Vortrag an einer konkreten Fallanalyse zum Weitsprung.

        Literatur
        Dietrich, M. & Mey, G. (2018). Grounding visuals. Annotationen zur Analyse audiovisueller Daten mit der Grounded-Theory-Methodologie. In C. Moritz & M. Corsten (Hrsg.), Handbuch Qualitative Videoanalyse, S. 135-152. Springer.
        Dinkelaker, J. & Herrle, M. (2009). Einführung in die Erziehungswissenschaftliche Videographie. Eine Einführung. VS Verlag für Sozi-alwissenschaften.
        Moritz, C. (2016). Grounded? Grounded! Audiovisuelle Daten in der Grounded Theory Methodology unter dem Fokus der Nachvollzieh-barkeit. In C. Equit & C. Hohage (Hrsg.), Handbuch Grounded Theory : von der Methodologie zur Forschungspraxis, S. 217-239. Beltz Juventa.
        Proske, M. & Rabenstein, K. (2018). Kompendium Qualitative Unterrichtsforschung. Verlag Julius Klinkhardt.

        Speaker: Vera Volkmann (Universität Hildesheim)
      • 17:10
        Üben im Sportunterricht – didaktische und empirische Herausforderungen 20m

        Ehnis (1979) Forderung, dass Aussagen und Erkenntnisse zum (Schul-)Sport und zur Sportdidaktik aus der empirischen Realität heraus gewonnen und darauf bezogen werden sollten, wird mit diesem kasuistisch angelegten Beitrag im übergeordneten Arbeitskreis zum Üben im Sportunterricht entsprochen.

        Im Fokus steht eine vierte Klasse einer Grundschule, die in der letzten Stunde vor dem Leichtathletikfest das Weitspringen übt. An drei von den Schülerinnen selbst entwickelten Stationen wird im dauerhaften Umlauf geübt, d.h. die Kinder entscheiden selbst, welche Station sie wann und wie oft besuchen. Gelegentlich wird ein Kind von der Lehrerin explizit aufgefordert, ein bestimmtes Detail zu üben. Obgleich das übergeordnete Ziel des Übungsprozesses, die Vorbereitung auf das Sportfest, transparent gemacht wurde, wirft das Geschehen hinsichtlich konkreter Ziele sowie der Lern- und Erfahrungspotentiale für die Schülerinnen einige Fragen auf.

        Im Rahmen einer videographischen Fallanalyse wird das Übungsgeschehen differenziert untersucht. Entsprechend den unterschiedlichen theoretischen Zugängen zum Üben (s. AK-Beitrag 1) soll in einem ersten Schritt rekonstruiert werden, welche Ausprägungen der Übungsprozess in der Weitsprung-Stunde annimmt. Konkret: Welche Erfahrungs- und Lernpotentiale hält die didaktische Gestaltung des Übungsprozesses bereit? Welche Anhaltspunkte für eine motorische, kognitive und/oder ästhetische Aktivierung oder gar Durchdringung lassen sich finden? Inwiefern lässt das Setting des Sportunterrichts generell sinnstiftendes, intelligentes Üben mit korrespondierenden motorischen, ästhetischen oder kognitiven Lern- und Erfahrungsgewinnen zu?

        Eine Herausforderung ist die Tatsache, dass sich (jedes) Unterrichtsgeschehen durch einen Überschuss an Komplexität auszeichnet: Sowohl für die unterrichtsbeteiligten Akteure als auch für die Forschenden gibt es permanent mehr wahrzunehmen als wahrgenommen werden kann (Herrle & Dinkelaker, 2016). Die Unterrichtsbeteiligten agieren in unterschiedlichen je simultan, aber auch sequentiell ablaufenden Prozessen. Diese Überkomplexität stellt hohe methodische Anforderungen an die Analyse des Übungsgeschehens bzw. die Rekonstruktion von Sinnstrukturen in den unterschiedlichen (Inter-)Aktionszusammenhängen (s. AK-Beitrag 2). Neben einer kritischen Betrachtung des Übungsgeschehens und seiner sinnlich-leiblichen Erfahrungsgehalte aus didaktischer Sicht sollen abschließend auch Anforderungen und Limitationen des methodischen Zugriffs diskutiert werden.

        Literatur
        Ehni, H. (1979). Handlungsorientierte Sportdidaktik. In S. Größing (Hrsg.), Spektrum der Sportdidaktik (S. 173-206). Limpert.
        Herrle, M., & Dinkelaker, J. (2016). Qualitative Analyseverfahren in der videobasierten Unterrichtsforschung. In: U. Rauin, M. Herrle, & T. Engartner (Hrsg.). Videoanalysen in der Unterrichtsforschung (S. 76-129). Beltz.

        Speaker: Helga Leineweber (WWU Münster)
    • 16:30 17:30
      AK 1.5: Varia PC-Pool Raum

      PC-Pool Raum

      Convener: Kathrin Kohake
      • 16:30
        Selbstwahrnehmung motorischer Basiskompetenzen bei Kindern der ersten und zweiten Klasse: Das SEMOK-1-2-Instrument 20m

        Eine positiv-realistische Selbstwahrnehmung gilt als wichtige Voraussetzung für das Lernen. Gleichzeitig ist die Förderung dieser auch ein bedeutendes Bildungsziel des Sportunterrichts (Schmidt & Conzelmann, 2011). Motorische Basiskompetenzen (MOBAKs) stellen die Voraussetzung für die Teilhabe an der Sport- und Bewegungskultur sowie den Erwerb sportspezifischer Fertigkeiten dar. Aktuell werden Zusammenhänge zwischen diesen Konstrukten verstärkt untersucht (Strotmeyer et al., 2022). Vor diesem Hintergrund wurde ein illustriertes Fragebogeninstrument zur Erfassung der Selbstwahrnehmung motorischer Basiskompetenzen (SEMOK-1-2) entwickelt und pilotiert.
        In der Pilotstudie (N=123, 46.3% Mädchen; M=7.28 Jahre, SD=.75) wurde das entwickelte Testinstrument SEMOK-1-2 eingesetzt. Dabei konnten sich die Schüler:innen in den Bereichen „Etwas-Bewegen“ und „Sich-Bewegen“ auf einer dreistufigen Skala einschätzen, wobei die motorischen Aufgaben im Instrument von einem illustrierten Fuchs veranschaulicht wurden. Die Befragung fand im Klassenverband statt. Die motorischen Basiskompetenzen wurden mit dem MOBAK-1-2-Instrument (Herrmann, 2018) erfasst.
        Zwischen der Selbstwahrnehmung und den MOBAKs bestanden mittlere manifeste Korrelationen (Etwas-Bewegen: r=.29; Sich-Bewegen: r=.20). Bei der Berechnung der Niveaukomponenten zeigte sich, dass sich die Kinder im Etwas-Bewegen (d=.20) und Sich-Bewegen (d=.15) überschätzten. Weiterhin schätzten sich die Jungen im „Etwas-Bewegen“ signifikant besser ein als die Mädchen (d=.42) und erreichten in diesem Kompetenzbereich auch bessere Leistungen (d=.54). Zudem konnte festgestellt werden, dass sich Mädchen im „Sich-Bewegen“ realistischer einschätzten als die Jungen, wohingegen die Einschätzung der Jungen im „Etwas-Bewegen“ akkurater ausfiel als bei den Mädchen.
        Das SEMOK-1-2-Instrument kann im Klassenverband eingesetzt werden Zudem können Zusammenhänge zwischen der Selbstwahrnehmung bzw. der Akkuratheit der Einschätzung und weiteren Faktoren, z.B. der körperlichen Aktivität untersucht werden. Die Urteilsakkuratheit in den Kompetenzbereichen bei Mädchen und Jungen kann möglicherweise darauf zurückgeführt werden, dass sich Kinder in Bewegungen, welche sie öfter üben oder mit denen sie sich vertrauter fühlen, genauer einschätzen. Das SEMOK-1-2 Instrument soll im Frühjahr 2023 validiert werden, wobei eine Stichprobengröße von N=300 angestrebt wird.

        Herrmann, C. (2018). MOBAK 1-4: Test zur Erfassung motorischer Basiskompetenzen für die Klassen 1-4. Hogrefe Schultests.
        Schmidt, M., & Conzelmann, A. (2011). Selbstkonzeptförderung im Sportunterricht. Sportwissenschaft, 41(3), 190. https://doi.org/10.1007/s12662-011-0195-7
        Strotmeyer, A., Herrmann, C., & Kehne, M. (2022). A longitudinal analysis of reciprocal relationships between actual and perceived motor competencies and physical self-concept in primary-school age children. Psychology of Sport and Exercise, 63, 102269. https://doi.org/10.1016/j.psychsport.2022.102269

        Speakers: Kathrin Bretz (Pädagogische Hochschule Zürich), Christian Herrmann (Pädagogische Hochschule Zürich), Anne Strotmeyer (Universität Paderborn)
      • 16:50
        Generische Beobachtungsinstrumente zur Bewertung von Unterrichtsqualität im Sport? Diskussion und Einblicke aus dem Sportunterricht, naturwissenschaftlichem Sachunterricht und außerschulischem Sport am Beispiel des Classroom Assessment Scoring Systems (CLASS) 20m

        Die Frage nach Kriterien guten Unterrichts ist für empirische Unterrichtswissenschaftler:innen und Fachdidaktiker:innen seit Jahren zentral. Aktuell wird debattiert, ob generische oder fachspezifische Qualitätsdimensionen effektiven Unterricht am besten beschreiben, auch im Sport (Herrmann & Gerlach, 2020; Richartz & Kohake, 2021).
        Zur Messung von Unterrichtsqualität werden häufig Beobachtungsinstrumente eingesetzt. Nach Charalambous & Praetorius (2022) können diese u. a. der Verbindung von Lehren mit Lernen und damit der prognostischen Validität (1) sowie der Verbesserung des Lehrens durch formative Evaluation der Lehrkräfte (2) dienen. Mit der Analyse von 3000 Lehrkräften konnte die „Measures of Effective Teaching Study“ (MET) zeigen, dass insbesondere die Kombination von Beobachtungsinstrumenten und weiteren Zugängen (u. a. Schüler:innenbefragungen) hohe prognostische Validität ermöglichen (Kane & Staiger, 2012). Der Vergleich von generischen und fachspezifischen Beobachtungssystemen zeigte in der MET Studie kaum Unterschiede in ihrer Vorhersagekraft für Schüler:innenleistungen.
        Ein wesentlicher Vorteil generischer Beobachtungsinstrumente liegt jedoch in der Vergleichbarkeit von Beobachtungsdaten über unterschiedliche Fächer und im Sport sogar Kontexte (Schulsport, Breitensport, Leistungssport) hinweg. Sie ermöglichen die Kommunikation und Diskussion über Unterrichtsqualitätsdimensionen aus verschiedenen Fachkulturen und eröffnen damit vielfältige Lernmöglichkeiten.
        In dem Beitrag wird deshalb der im deutschsprachigen Raum erstmalige Einsatz eines generischen Beobachtungsinstruments in Form des Classroom Assessment Scoring Systems im Sportunterricht (N = 5), naturwissenschaftlichen Sachunterricht (N = 24) und außerschulischem Sport (N = 26) aufgezeigt. Beobachter:innenübereinstimmungen within-one von je über 91 % sprechen für die Reliabilität des Beobachtungssystems in allen drei Kontexten. CLASS-Scores über acht Dimensionen zeigen interessanterweise ähnliche Verläufe für die drei Kontexte, wobei die Qualität des Feedbacks im Sportunterricht erkennbar niedriger bewertet wurde. Unter Berücksichtigung der drei Basisdomänen werden notwendige sportspezifische Anpassungen im Bereich der instruktionalen Unterstützung diskutiert.

        Charalambous, C.Y. & Praetorius, A.K. (2022). Synthesizing collaborative reflections on classroom observation frameworks and reflecting on the necessity of synthesized frameworks. Studies in Educational Evaluation, 75, 101202.
        Herrmann, C. & Gerlach, E. (2020). Unterrichtsqualität im Fach Sport – Ein Überblicksbeitrag zum Forschungsstand in Theorie und Empirie. Unterrichtswissenschaft, 48(3), 361-384.
        Kane, T.J., & Staiger, D.O. (2012). Gathering Feedback for Teaching. Research Paper. MET Project. Bill & Melinda Gates Foundation.
        Richartz, A. & Kohake, K. (2021). Zur (Fach-)Spezifität von Unterrichtsqualität im Fach Sport. Unterrichtswissenschaft, 49, 243-251.

        Speaker: Kathrin Kohake
      • 17:10
        Veränderte Organisationsstrukturen in sportpädagogischen Handlungsfeldern – Ethnographie eines Lehr-Lern-Settings im Skateboarding 20m

        Einleitung
        Die informelle Rahmung des Skateboardings differenziert sich im Kontext der fortschrei-tenden Versportlichung aus und offenbart szeneoriginäre Lehr-Lern-Angebote mit eige-nen Organisationsstrukturen. Aufgrund der reduzierten Institutionalisierung und Standar-disierung, erfolgt die Untersuchung solcher Felder ethnographisch mit dem Ziel, spezifi-sche Praktiken der Organisation zu rekonstruieren und hinsichtlich bestehender Refe-renzen zu diskutieren.

        Theorie
        Als anhaltender Gegenstand sportpädagogischer Forschung wird dem Skateboarding eine genuin informelle Rahmung zugesprochen – mit vermeintlich offenen Zugängen zu urbanen Sporträumen, in denen Sport in Eigenregie betrieben, vermittelt und organisiert wird (Bindel et al., 2021). Die notwendigen Kompetenzen kategorisieren Hitzler & Pfa-denhauer (2004) als „Bildungsprogramm der Skateboard-Szene“ (S. 53) und untersu-chen diese hinsichtlich ihrer szeneinternen, alltags- und berufspraktischen Relevanz. Vor dem Hintergrund einer fortschreitenden „Versportlichung“ (Schwier & Kilberth, 2018, S. 24) differenzieren sich auch die Aneignungskontexte zwischen Leistungs- und Schul-sport weiter aus. In das sportpädagogische Erkenntnisinteresse rücken insbesondere szeneoriginäre Lehr-Lern-Angebote, in denen erfahrene Szenemitglieder Anfän-ger*innen ausgewählte Kulturinhalte vermitteln.

        Methode
        Im Rahmen einer „organizational ethnography“ (Ybema et al., 2009) wurden insgesamt 45 Feldaufenthalte in einem entsprechenden Setting durchgeführt, um spezifische Struk-turen, Regeln und Abläufe aus der Binnenperspektive der Akteur*innen zu untersuchen. Die teilnehmende Beobachtung bestand zunächst aus gemeinsamem Skateboarding sowie dem partizipativen Mitvollzug der rahmenden Organisations- und Sozialformen und konnte mit steigender Vertrautheit um vertiefende Feldgespräche ergänzt werden. Entlang der Grounded Theory wurde im iterativen Wechsel aus Erhebung und Auswer-tung insgesamt 250 S. Beobachtungsprotokollen und 150 S. Interviewtranskripte ange-fertigt und codiert.
        Ergebnisse
        Die Ergebnisdarstellung erfolgt entlang der offen codierten und anhand von essayistisch ausgearbeiteten Ankerbeispielen illustrierten Feldpraktiken der Ritualisierung, Verrege-lung und Sanktionierung. Vor dem Hintergrund ihrer Genese aus dem Skateboarding kann die feldspezifische Organisationsstruktur kulturtheoretisch hinsichtlich der Trans-formation von Lehr- und Lehrinhalten diskutiert werden. Im Kontext bestehender Refe-renzinstitutionen irritiert die Studie bestehende Modelle von sportbezogenen Bildungs-settings und knüpft an die Idee eines „semiformalen Sportsettings“ (Bindel et al., 2015, S. 69) an.

        Literatur
        Bindel, T., Herlitz, B. & Hüpper, H. (2015). „Umgang“ mit Jugendlichen im Projekt GOBOX. In E. Balz & D. Kuhlmann (Hrsg.). Sportentwicklung vor Ort – Projekte aus deutschen Quartieren. (S. 69 – 84). Shaker.
        Bindel, T., Gerlach, E. & Hunger, I. (2021). Bildungssettings. In E. Balz, S. Reuker, V. Scheid, R. Sygu-sch (Hrsg.), Sportpädagogik (S. 185- 198). Kohlhammer.
        Hitzler, R. & Pfadenhauer, M. (2004). Unsichtbare Bildungsprogramme? Zur Entwicklung und Aneignung praxisrelevanter Kompetenzen in Jugendszenen. Kinder- und Jugendbericht der NRW, 8.
        Schwier, J. & Kilberth, V. (Hg.) (2018). Skateboarding zwischen Subkultur und Olympia. transcript.
        Ybema, S., Yanow, D., Wels, H. & Kamsteeg, F. (Hrsg.). (2009). Organizational ethnography. SAGE.

        Speaker: Benjamin Büscher (TU Dortmund)
    • 17:30 17:45
      Pause 15m
    • 17:45 19:30
      AK 2.1: Sportpädagogische Forschung zu Wettkampf, Training und Trainer:innenbildung Lesesaal

      Lesesaal

      Convener: Sebastian Liebl (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)
      • 17:45
        Konzeption und Umsetzung kompetenzorientierter Trainer:innenbildung Leistungssport 20m

        Einleitung
        Im Windschatten der Bildungswissenschaften hat sich das Thema Kompetenzorientierung auch in der Sportwissenschaft angesiedelt. In der Trainer:innenbildung – eher Randgebiet sportpädagogischer Forschungen – wurde bereits 2005 Kompetenzorientierung in die DOSB-Rahmenrichtlinien (DSB, 2005) aufgenommen. Mittlerweile wurde mit dem DOSB-Kompetenzmodell eine weitere Grundlage für die Qualitätsentwicklung der Trainer:innenbildung geschaffen (u. a. Sygusch et al., 2020). Zentraler Ausgangspunkt dieses Modells sind Anforderungssituationen von Trainer:innen, die u. a. eine methodisch-didaktische Grundlage der Lernziel-, Aufgaben- und Prüfungskultur bilden. Im BISp-Projekt QuaTroPLUS (2018-2022) wurde das DOSB-Kompetenzmodell in vier Spitzenverbänden eingeführt, erprobt und evaluiert. Im Vortrag fokussieren wir die Frage: Wie werden Empfehlungen kompetenzorientierter Lernziel- und Aufgabenkultur aufgegriffen und umgesetzt?

        Methode
        Die Implementation des DOSB-Kompetenzmodells erfolgte mit Hilfe des partizipativen Ansatzes der Kooperativen Planung (Rütten et al., 2017). Insg. wurden je Verband zwei Lehrgangskonzeptionen verschiedener Lizenzstufen kompetenzorientiert überarbeitet und umgesetzt. Diese Lehrgangskonzeptionen (n=6) wurden inhaltsanalytisch ausgewertet. Deren Umsetzung wurde mittels Videobeobachtungen (n=6) und Stimulated-Recall-Interviews (n=11 Ausbilder:innen) analysiert.

        Ergebnisse
        Auf Ebene der Lehrgangskonzeptionen zeigt sich eine ‚modellnahe‘ Umsetzung der DOSB-Modellempfehlungen zu Lernzielen und Lernaufgaben. Auf Ebene der Lehrgangsumsetzung wurden vielfach ‚modellfernes‘ Ausbilder:innenhandeln identifiziert. Dies bezieht sich insbesondere auf die didaktisch-methodische Nutzung von Anforderungssituationen sowie auf die Merkmale aufgabengezogenen Handelns (bspw. kognitive Aktivierung). Inhaltlich ist auffällig, dass Lernziele und Lernaufgaben zu sportpädagogischen Themen bspw. im Vergleich zu trainingswissenschaftlichen Themen deutlich weniger aufgegriffen und ausdifferenziert wurden, obwohl diesen in den Interviews mit Ausbildungsverantwortlichen eine hoch bedeutsame Rolle zugeschreiben wurde.

        Diskussion
        Insbesondere die kompetenzorientierten Empfehlungen zum aufgabengezogene Handeln der Ausbilder:innen scheinen kein Selbstläufer zu sein. ‚Modellfernes‘ Ausbilder:innenhandeln ist u.a. mit dem Grad ihrer Einbindung in die Kooperative Planung zu erklären. Darüber hinaus erscheint gewohntes Handeln auch im Zuge der kompetenzorientierten Qualitätsentwicklung im Projektzeitraum nur begrenzt veränderbar.

        Literatur
        Rütten, A. et al. (2017). Co-producing active lifestyles as whole-system-approach: Theory, inter-vention and knowledge-to-action implications. Health Promotion International, 34(1), 47–59.
        Sygusch, R. et al. (2020). Das DOSB-Kompetenzmodell für die Trainerbildung (Teil 1). Leistungssport, (1), 41-47.

        Speakers: Sebastian Liebl (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), Annalena Möhrle (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), Ralf Sygusch (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)
      • 18:05
        Kompetenz in der Trainer:innenbildung – Ein Scoping Review zu einem (nicht nur) sportpädagogischen Begriff 20m

        Kompetenzorientierung hat in den letzten Jahren Einzug in sportpädagogische Handlungsfelder gehalten. Orientierung hierfür liefern Kompetenzdiskurse anderer Disziplinen, die eine längere Tradition haben (z. B. Psychologie, Erziehungswissenschaft), jedoch sehr kontrovers sind (Baumgartner, 2022). Dies erschwert den Kompetenzdiskurs in sportpädagogischen Handlungsfeldern wie der Trainerbildung (TB) und folglich auch ein dazugehöriges einheitliches Kompetenzverständnis (DeKlerk & Surujlal, 2014). Dieser Vortrag greift dieses Monitum für das sportpädagogische Handlungsfeld der TB auf, indem er der Frage Wie wird Kompetenz in der TB definiert? nachgeht.

        Methode
        Die Beantwortung basiert auf einem Scoping Review (Arksey & O'Malley, 2005). So erfolgten Datenbankrecherchen (u. a. SPOLIT, Scopus) zu englischen und deutschen Suchbegriffen (u. a. „coach“ AND „competenc*“) sowie Internetrecherchen zu Sport Coaching Frameworks. Die n=1.912 Datenbanktreffer und n=11 Sport Coaching Frameworks wurden Kriterien-geleitet mittels Titel-, Abstract- und Volltext-Screening selektiert (je Cohens k≥0.86). Die Kompetenzdefinitionen aller n=47 eingeschlossenen Beiträge (engl.: n=36; dt.: n=11) wurden inhaltsanalytisch untersucht (Brennan & Prediger k=0.95).

        Ergebnisse
        Der Begriff Kompetenz wird in der TB vielfach genutzt, aber nur vereinzelt definiert. Liegt eine Definition vor, so kann sie einem von zwei identifizierten Typen zugeordnet werden. Typ A wird ausschließlich in englischsprachigen, empirischen Studien angeführt. Trainerkompetenz wird hier am Lernen und der Leistung der Athlet:innen bemessen. Typ B findet sich in allen Beitragstypen (empirisch, sportverbandsbezogen, theoretisch) wieder. Im Gegensatz zu Typ A wird Trainerkompetenz hier – unabhängig vom Lern- und Leistungserfolg der Athlet:innen – als erfolgreiches Bewältigen des Traineralltags auf Basis von Wissen und Können beschrieben.

        Diskussion
        Die beiden Typen basieren auf unterschiedlichen Grundverständnissen. Dies erschwert die Verständigung innerhalb des Kompetenzdiskurses. Aus sportpädagogischer Sicht greift das hinter Typ A stehende empirische Forschungsparadigma für die TB zu kurz. Um Einfluss auf die TB nehmen zu können, sollte ein normativer Bildungshorizont bedacht werden, der sich in Typ B widerspiegelt. Der Forschungsfokus von Typ A kann hier die Bedeutung einzelner, stärker normativ geprägter Merkmale von Typ B verstärken bzw. relativieren.

        Literatur
        Arksey, H. & O'Malley, L. (2005). Scoping studies: towards a methodological framework. International Journal of Social Research Methodology, 8(1), 19-32.
        Baumgartner, M. (2022). Professional competence(s) of physical education teachers: terms, traditions, modelling and perspectives. German Journal of Exercise and Sport Research, 52, 550-557.
        DeKlerk, N. & Surujlal, J. (2014). Developing a competency scale for sport coaches. African journal for physical health, education, recreation and dance, 20(2.1), 530-547.

        Speakers: Annalena Möhrle (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), Sebastian Liebl (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)
      • 18:25
        Kommunikatives Handeln im Wettkampfcoaching – Empirie zu leistungssportlichen Spielunterbrechungen 20m

        Situationen des Wettkampfcoachings sind im Leistungssport zu weiten Teilen strukturell verankert, sei es z.B. in Time-Outs, Halbzeit- oder Viertelpausen. In ihnen findet Interaktion dazu statt, was zuvor wie gelaufen und im Anschluss zu tun ist. Das sprachliche Handeln ist in den allermeisten Fällen der modus operandi. Es ist nun wenig bekannt, wie dieses Handeln genauer zu beschreiben und zu unterscheiden ist (Cachay & Borggrefe, 2015; Meyer & Wedelstaedt, 2019). Und erst recht fehlt es an fundierten Erkenntnissen darüber, ob dieses Handeln als ein kommunikatives Handeln zu fassen wäre, für das Trainerinnen und Athletinnen gemeinsam verantwortlich zeichnen. In dem vom BISp geförderten Projekt „Sprachliches Handeln und Interaktion in leistungssportlichen Spielunterbrechungen“ an der Universität Hildesheim geht es vor diesem angedeuteten interaktionstheoretischen Hintergrund um die Frage, wie Formen der sprachlichen Gestaltung von Spielunterbrechungen zu unterscheiden sind und wie die Funktionalität dieser interaktiven Zusammenkünfte zu bestimmen ist.

        Die audiovisuelle Datenbasis besteht bisher aus 170 transkribierten Time-outs im Spitzentischtennis (Top 24 Turnier der Jugend) und 79 transkribierten Time-outs aus den Handball-Nationalmannschaften der Männer und Frauen. Weitere, in der Transkription befindliche Daten liegen vor aus der Basketballbundesliga der Frauen (6 komplette Spielaufzeichnungen), aus der Hockeynationalmannschaft der Frauen (2 ProLeague-Spielaufzeichnungen), von der Hockey-U21-Europameisterschaft (wbl./mnl., 10 komplette Spielaufzeichnungen) und aus dem Ringen und Judo (8 Bundesligakämpfe der Männer). Das methodische Vorgehen ist entlang der Grounded Theory erfolgt und bestimmt dementsprechend auch die Auswertung der Daten. Ergänzend dazu werden computerlinguistische Korpora erstellt (Kooperation mit der Computerlinguistik und der Germanistik an der Uni Hildesheim), um sprachliche Verläufe und sprachliche Formen zu quantifizieren.

        Als erste Verlaufshinweise aus den Daten unterscheiden wir quer zu den Sportarten rein instrumentelle Adressierungen von Trainerinnen bis hin zu interaktiven Pausengestaltungen, die von Spielerinnen koordiniert werden. Interessanter Weise treffen dabei kommunikative und strategische Handlungsrationalitäten bisweilen innerhalb ein und derselben Spielunterbrechung unmittelbar aufeinander. Und als eine erste sprachliche Besonderheit kann herausgestellt werden, dass die Gestaltung von Spielunterbrechungen umso diffuser und elliptischer ausfallen, je knapper und bedeutungsvoller das jeweilige Event ist. Gleichzeitig nimmt die Anzahl an Informationen und Handlungslösungen sprunghaft zu. Im Kontext des Arbeitskreises wird mit diesem Beitrag die Rede von einer sozial-kommunikativen Kompetenz (siehe DOSB-Kompetenzmodell) aufgegriffen, genauer: wie ist die Sache mit der Kommunikation zu konkretisieren?

        Cachay, K. & Borggrefe, C. (2015). Kommunikation unter Druck: Anforderungen und Strategien wettkampfbezogener Trainer-Athlet-Kommunikation. In C. Borggrefe & K. Cachay (Hrsg.), Kommunikation als Herausforderung: eine theoretisch-empirische Studie zur Trainer-Athlet-Kommunikation im Spitzensport, S. 287-383. Schorndorf: Hofmann
        Meyer, C. & Wedelstaedt, U. v. (2019). Multiparty Coordination Under Time Pressure: The Social Organization of Handball Team Time-Out Activities. In E. Reber und C. Gerhardt (Hrsg.), Embodied Activities in Face-to-face and Mediated Settings. Social Encounters in Time and Space, Bd. 18, S. 217-253. Cham: Springer International Publishing.

        Speakers: Peter Frei (Universität Hildesheim), Dennis Wolff (Universität Hildesheim), Christian Hungerecker (Universität Hildesheim), Lennart Wehking (Universität Hildesheim)
      • 18:45
        Validierung eines Testinstruments zur Messung des trainingsbezogenen Professionswissens von Volleyballtrainer:innen 20m

        Eine zentrale Aufgabe von Trainer:innen ist es, lern- und leistungsförderliches Training zu planen und durchzuführen. Über welche professionellen Kompetenzen Trainer:innen dazu verfügen müssen, ist allerdings bis heute weder konzeptionell noch empirisch hin-reichend geklärt (Heim, Ennigkeit & Ullrich, 2022). Anders ist die Lage in der pädagogi-schen Professionsforschung: Dort werden die Kompetenzen welche Lehrpersonen brau-chen, um lernförderlichen Unterricht zu gestalten, seit Jahrzehnten erforscht. Dabei wird das Professionswissen von Lehrpersonen (Fachwissen und fachdidaktisches Wissen) als zentrale Komponente ihrer Handlungskompetenz verstanden (Baumert & Kunter, 2006). Obwohl die Parallelen zwischen gutem Training und gutem Unterricht und das Potential der Erkenntnisse und Methoden aus der Lehrerprofessionsforschung in der Coaching Science schon seit längerem bekannt sind (u.a. Cassidy, Potrac & Jones, 2009), wird dieses Übertragungspotential bis heute kaum genutzt.
        Ziel dieser Arbeit ist es, die beiden Forschungskontexte Schule und organisierter Sport zu verbinden und folgende zwei Forschungsfragen zu bearbeiten:
        - Welches Wissen brauchen Volleyballtrainer:innen um lernwirksames Training planen und durchführen zu können?
        - Wie lässt sich das trainingsbezogene Wissen von Volleyballtrainer:innen messen?
        Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage wurde das trainingsbezogene Wissen mithilfe einer curricularen Analyse der Schweizer Volleyballtrainer:innenausbildung identifiziert und die Vollständigkeit und die Relevanz der identifizierten Wissensinhalte durch Delphi-Befragungen mit Expert:innen geprüft. Das trainingsbezogene Professi-onswissen wurde anschließend in einem dreidimensionalen Rahmenmodell operationa-lisiert.
        Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage wurde auf der Basis des Rahmenmo-dells ein raschskalierter Leistungstest entwickelt. Der Wissenstest beinhaltet 125 Multip-le-Choice Aufgaben, in denen sowohl Faktenwissen wie auch kontextnahes Wissen ge-prüft wird. Der Leistungstest wurde mit einem Rotationsdesigns an 1140 Schweizer Vol-leyballtrainer:innen getestet. Erste Ergebnisse zeigen, dass ähnlich wie für den Unter-richt, auch das trainingsbezogene Wissen in zwei Bereiche eingeteilt werden kann: das trainingsbezogene Fachwissen und das trainingsdidaktische Wissen (r = 0.78). Im Ta-gungsbeitrag werden weitere Resultate zur Itemselektion nach IRT, zur Reliabilität und zur faktorielle Validität des Gesamtmodells präsentiert.

        Literatur
        Baumert, J., & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften.
        Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9:4, 469-520
        Cassidy, T., Jones P., & Potrac, R. (2009). Understanding Sports Coaching. The social,
        cultural and pedagogical foundation of coaching practice (2nd ed.). New York & London: Routledge.
        Heim, C., Ennigkeit, F., & Ullrich, M. (2022). Professionswissen von Trainer*innen –
        Testkonstruktion und Pilotierungsstudie auf Basis des Junior-Coach-Ausbildungsprogramms des Deutschen Fussball-Bundes. In R. Sygusch, J. Hapke, S. Liebl, & C. Töpfer (Hrsg.) Kompetenzorientierung im Sport. Grundlagen, Modellentwurf und Anwendungsbeispiele. S. 51-67. Schorndorf: Hofmann

        Speakers: Anna Siffert (Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen (EHSM)), André Gogoll (Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen)
    • 17:45 19:30
      AK 2.2: Selbstvergewisserung in sportpädagogischer Forschungspraxis. Grundzüge und Spielarten einer reflexiven Methodologie PC-Pool Raum

      PC-Pool Raum

      Convener: Daniel Rode (Paris-Lodron-Universität Salzburg)
      • 17:45
        Qualitatives Forschen in der Sportpädagogik reflektieren. Grundzüge einer reflexiven Methodologie 20m

        Der Beitrag versteht sich als theoretisch-konzeptionelle Einführung in den Arbeitskreis. Das Anliegen ist die Entfaltung von Grundzügen einer reflexiven Methodologie (Rode et al., 2023) in drei Argumentationsschritten.

        Reflexivität wird aktuell als zentraler Anspruch zeitgemäßer qualitativer Forschung disku-tiert und in unterschiedliche Konzeptionen reflexiver Methodologie überführt (z.B. Alves-son & Sköldberg, 2017; Knoblauch, 2018). Im ersten Schritt wird dieser Anspruch im Rahmen eines konstruktivistischen Forschungsverständnisses problematisiert und zu-gleich als erforderlich und potenziell fruchtbar ausgewiesen. Damit ist die Notwendigkeit markiert, die Entwicklung reflexiver Methodologie im sportpädagogischen Forschungs-diskurs weiter zu etablieren.

        Dafür wird im zweiten Schritt zunächst nachgezeichnet, wie Reflexivität im qualitativen Forschungsdiskurs in der Sportpädagogik bisher diskutiert und betrieben wurde. Aus dem Forschungsdiskurs wird eine Systematik abstrahiert, die es ermöglicht, bestehende – und im Vortrag rein exemplarisch angeführte – Beiträge zwischen vier Polen zu veror-ten: auf Grundlagen und Hintergründe (1), auf methodische Verfahrensweisen (2), auf die Erkenntnisgenerierung bestimmter Forschungsprojekte (3) und auf die Diskussion und Entwicklung von Ansätzen und Verfahren (4) bezogene Reflexivität.

        Drittens wird daraufhin ein eigener Vorschlag zur Konkretisierung und Differenzierung reflexiver Methodologie dargelegt, der darunter verschiedene Spielarten des Beobach-tens, Beschreibens und Befragens von Prozessen, Partizipanden und Verhältnissen des qualitativen Forschens versteht, die nicht allein den Erkenntnisinteressen dieses For-schens dienen, sondern sich zuvorderst dafür interessieren, wie das Forschen tatsäch-lich gemacht wird.

        Die in diesem Dreischritt entfaltete Konzeption stellt den Bezugspunkt der folgenden Bei-träge des Arbeitskreises dar, in denen spezifische Spielarten reflexiver Methodologie an Forschungsbeispielen diskutiert werden. Auf diese Weise können Möglichkeiten und Po-tenziale aber auch Grenzen der Reflexion von qualitativen Forschungsaktivitäten in der Sportpädagogik als Form der disziplinären Selbstvergewisserung, Positionsbestimmung und Weiterentwicklung ausgelotet werden.

        Literatur
        Alvesson, M., & Sköldberg, K. (2017). Reflexive methodology: new vistas for qualitative research. Sage.
        Knoblauch, H. (2018). Von der reflexiven Methodologie zur empirischen Wissenschaftstheorie. In L. Ak-remi, N. Baur, H. Knoblauch, & B. Traue (Hrsg.), Handbuch interpretativ forschen (S. 226–244). Beltz Juventa.
        Rode, D., Wolff, D., Schiller, D. & Zander, B. (2023). Reflexionen qualitativen Forschens in der Sportpä-dagogik: Prozesse, Partizipanden und Verhältnisse beobachten, beschreiben und befragen. In B. Zander, D. Rode, D. Schiller & D. Wolff (Hrsg.), Qualitatives Forschen in der Sportpädagogik. Bei-träge zu einer reflexiven Methodologie (S. 1-25). Springer VS.

        Speakers: Daniel Rode, Dennis Wolff (Universität Hildesheim), Benjamin Zander (Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Sportwissenschaften), Daniel Schiller (Universität Osnabrück)
      • 18:05
        Im Schatten der Begriffe. Die gesellschaftstheoretischen Raster sportpädagogischer Forschung 20m

        Der Beitrag versteht sich als eine Spielart reflexiver Methodologie, die auf die Aufklärung der Grundlagen sportpädagogischen Forschens zielt. Mit Grundlagen ist eine spezifische Theoriedimension des Forschens gemeint. Begreift sich sportpädagogische Forschung als (qualitative) Sozialforschung, braucht es notwendigerweise eine Sozialtheorie, die den Ort der Erforschung des Sozialen (z.B. Kommunikation, Handlung, Praxis) festlegt. Die Reflektiertheit qualitativer Forschung zeigt sich u.a. darin, dass Forscher*innen die in Gebrauch genommene Sozialtheorie relativieren. Die eigene Forschung zu relativieren heißt, die „eigene Mache [des Forschens]“ (Rode et al., 2023, S. 1) auch auf die sozialtheoretischen Begriffe zurückzuführen, die auch andere sein könnten.

        Reflexive Methodologie wird damit zu einem Signum der „Hochmoderne“, die durch die Kontingenz ihrer Verhältnisse charakterisiert wird (ebd., S. 13). Die Reflexion sportpädagogischer Forschungen enthält damit die Aufforderung, ‚dasselbe‘ Phänomen im Rahmen einer anderen Sozialtheorie zu erforschen. Die methodologische Ausgangsthese dieses Beitrages lautet, dass die unhintergehbare Wahl einer Sozialtheorie eine normative Qualität hat, auf deren Güte Forscher*innen wetten. Die Reflexion dieses normativen Wetteinsatzes führt die reflexive Methodologie auf eine andere Theoriedimension. Diese Theoriedimension ist die gesellschaftstheoretische Formatiertheit des Forschens. In jeder Analyse sozialer Zusammenhänge wie dem Lernen oder der Bildung wird eine Aussage dazu getroffen, in welcher Gesellschaft wir eigentlich lernen und bilden. Am Beispiel der kompetenzorientierten Taxonomie für den Sportunterricht (Töpfer et al., 2022) wird gezeigt, wie dieses Konzept sportpädagogischen Forschungen die Teilnahme an einer bestimmten (neoliberalen) Gesellschaft ermöglicht (Arenz, 2023).

        Als Schlussfolgerung ergibt sich, dass auch eine konstruktivistische Lesart des Verhältnisses von Forschung und Gegenstand das Problem der Bestimmtheit nicht auflösen kann. Jede sportpädagogische Forschung artikuliert bestimmte Bedeutungsrelationen, die in den gesellschaftstheoretischen Rastern verankert sind. Das Beispiel des kompetenzorientieren Sportunterrichts hat in diesem Beitrag daher keinen willkürlichen Status, sondern stellt eine theoretische Umformatierung sportpädagogischen Forschens zur Diskussion.

        Arenz, T. (2023). Die Raster der Sportpädagogik. Zur Verschränkung von Gesellschaftstheorie und empirischer Sportpädagogikforschung. In B. Zander, D. Rode, D. Schiller & D. Wolff (Hrsg.), Qualitatives Forschen in der Sportpädagogik. Beiträge zu einer reflexiven Methodologie (S. 29-53). Springer VS.
        Rode, D., Wolff, D., Schiller, D. & Zander, B. (2023). Reflexionen qualitativen Forschens in der Sportpädagogik: Prozesse, Partizipanden und Verhältnisse beobachten, beschreiben und befragen. In B. Zander, D. Rode, D. Schiller & D. Wolff (Hrsg.), Qualitatives Forschen in der Sportpädagogik. Beiträge zu einer reflexiven Methodologie (S. 1-25). Springer VS.
        Töpfer, C., Hapke, J., Liebl, S. & Sygusch, R. (2022). Kompetenzorientierung im Sport: eine Taxonomie für den Sportunterricht. German Journal of Exercise and Sport Research, 52 (4), 570-583.

        Speaker: Tobias Arenz (Deutsche Sporthochschule Köln)
      • 18:25
        Rekonstruktionen zum Sportlehrer*innenhabitus. Gegenstandsbezogene und methodische Reflexionen zu einer praxeologischen Methodologie 20m

        Im Vortrag werden wesentliche grundlagentheoretische und methodologische Zusammenhänge der Sequenziellen Habitusrekonstruktion thematisiert und auf Interviewsequenzen von Sportlehrpersonen aus einem Forschungsprojekt zum Passungsverhältnis von Lehrerhabitus und Schulkultur bezogen, die über ihren Unterricht sprechen. Auf diese Weise sollen einerseits fallspezifische Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster sichtbar gemacht werden und andererseits der Blick dafür geschärft werden, dass rekonstruierte Sinnkonstruktionen und Wissensordnungen stets an (fach-)kulturelle historisch hervorgebrachte Felder gebunden sind, sodass letztlich auch die Bedeutungen bewusster Handlungssteuerungen relativiert werden müssen.

        Die Methode der Sequenzanalytischen Habitusrekonstruktion (vgl. Pallesen & Kramer, 2022) rückt den Lehrer*innenhabitus als ein zentrales Generierungsprinzip pädagogischer Praxis in den Fokus. Dieses Generierungsprinzip zeichnet sich dadurch aus, dass es Praxis hervorbringt, ohne selbst direkt methodisch wahrnehmbar und greifbar zu sein. Daher folgt die Sequenzanalytische Habitusrekonstruktion der Annahme, dass sich der Habitus als Hervorbringungsmodus empirisch ausschließlich in Ausdrucksformen (hier: Interviewtranskripte) zeigt, also über Spuren, die der Habitus in einer je spezifischen «Handschrift» hinterlässt (vgl. Bremer et al., 2019, S. 264). Zentral für die methodische Umsetzung ist eine relationale Perspektive, die zum einen darauf verweist, dass habituelle Dispositionen sozial hervorgebracht und zum anderen Ergebnis inkorporierter Strukturen sind.

        Aus forschungspraktischer Sicht ergeben sich daraus die Anforderungen, neben der Auseinandersetzung mit der eigenen Standortgebundenheit und den damit verbundenen Selbstverständlichkeiten auch einen „reflexiven Rückbezug der Ergebnisse auf ihre Entstehung zu gewährleisten“ (Friebertshäuser, 2009, S. 242). Dazu gehört ein kritischer Blick auf den Forschungsprozess (z.B. über den Vergleich von Lesarten) und eine Diskussion der Forschungsergebnisse (z.B. über die Frage nach Stabilität und Wandel von Habitusformationen), um darüber Grenzen und Erträge der Erkenntnisse reflexiv einordnen zu können.

        Literatur
        Bremer, H., Teiwes-Kügler, C. & Lange-Vester, A. (2019). Habitus-Hermeneutik. In R.-T. Kramer & H. Pallesen (Hrsg.), Lehrerhabitus. Theoretische und empirische Beiträge zu einer Praxeologie des Lehrerberufs (S. 265-283). Julius Klinkhardt.
        Friebertshäuser, B. (2009). Verstehen als Herausforderung für eine reflexive empirische Forschung. In B. Friebertshäuser, M. Rieger-Ladich & L. Wigger (Hrsg.), Reflexive Erziehungswissenschaft. Forschungsperspektiven im Anschluss an Pierre Bourdieu (S. 238-249). VS
        Pallesen, H. & Kramer, R.-T. (2022). Sequenzanalytische Habitusrekonstruktion in der Sportpädagogik. Gegenstandsbezogene, methodologische und methodische Reflexionen zu einer praxeologischen Perspektive. In B. Zander, D. Rode, D. Schiller, & D. Wolff (Hrsg.), Qualitatives Forschen in der Sportpädagogik. Beiträge zu einer reflexiven Methodologie (S. 121-147). VS.

        Speaker: Hilke Pallesen
      • 18:45
        Kontexturanalytische Betrachtung von Teilnahme am Sportunterricht – Ein Fall von reflexiver Methodologie in der sportpädagogischen Unterrichtsforschung 20m

        Unsere ‚Spielart‘ reflexiver Methodologie betrifft die Passungsarbeit zwischen Gegen-stands- und Methodentheorie. Am Gegenstand der Teilnahme reflektieren wir im Beitrag ‚unsere‘ methodologische Annäherung an Sportunterricht und diskutieren die dabei auf-gerufene Kontexturanalyse in ihrem Potenzial für sportpädagogische Unterrichtsforschung.

        Betrachtet man Sportunterricht als eine soziale Praxis, gerät Teilnahme als ein zentrales Bezugsproblem dieser Praxis in den Blick. Es wird in der unterrichtlichen Interaktion permanent bearbeitet, wobei die Lösungen ihrerseits Folgeprobleme evozieren (können) (Katenbrink & Schiller, 2023). Zugleich ist in Rechnung zu stellen, dass (unterrichtliche) Sinnzusammenhänge mehrdimensional strukturiert sind. So bearbeitet bspw. auch der sportdidaktische Fachdiskurs das Bezugsproblem und thematisiert es vornehmlich ent-lang ihres Nichtzustandekommens (z.B. Nichtteilnahme; Verweigerung) oder fachspezifischer Auslegung (z.B. passive Schüler*innen) (jüngst: Themenheft „Sportunterricht“ 70 (12), 2021).

        Aufgrund der angedeuteten Mehrdimensionalität interaktiver Sinnkonstruktion erscheint es uns vielversprechend, Teilnahme am Sportunterricht als eine „funktionable Verbund-kontextur“ (Jansen et al., 2015, [30]) zu betrachten. Dazu schließen wir an ein Verständ-nis von Schule und Unterricht an, das hervorhebt, dass es vielfältige, spannungsreiche Erwartungen an diese gibt. Aus der Perspektive polykontexturaler Verhältnisse verdich-ten sich dann in bzw. entlang einer Kontextur Anschlussnahmen, Zurückweisung und Relationierungen dieser (impliziten und expliziten) Erwartungen an Schule und Unterricht (Jansen & Vogd, 2022).

        Empirisch lässt sich dann in den Blick nehmen, wie diese Kontextur einerseits mehrdi-mensional (z. B. Unterrichtspraxis, Fachdiskurs, formale Rahmungen der Organisation Schule) hervorgebracht wird und wie dabei andererseits eben Erwartungen an Sportun-terricht aktualisiert, (um-)interpretiert und zurückgewiesen werden. Im Beitrag möchten wir reflektieren und anschließend gemeinsam diskutieren, wie wir Prämissen der Kontex-turanalyse auf ‚unseren‘ Gegenstand der Teilnahme anlegen und welche (Un-)Möglichkeiten das aus der Organisationsforschung stammende Verfahren für Sportunterrichtsforschung bereithält.

        Literatur
        Jansen, T., von Schlippe, A., & Vogd, W. (2015). Kontexturanalyse – ein Vorschlag für rekonstruktive Sozialforschung in organisationalen Zusammenhängen. Forum Qualitative Sozialforschung 16.
        Jansen, T. & Vogd, W. (2022). Kontexturanalyse. Theorie und Methode einer systemischen Sozialfor-schung. Springer VS.
        Katenbrink, N. & Schiller, D. (2023). Was ist das Problem? Gedanken zur funktionalen Analyse in der sportpädagogischen Unterrichtsforschung. In B. Zander, D. Rode, D. Schiller, & D. Wolff (Hrsg.), Qualitatives Forschen in der Sportpädagogik. Beiträge zu einer reflexiven Methodologie (S. 333-353). Springer VS.
        DSLV e.V. (Hrsg.)(2021). Passive Schüler*innen im Sportunterricht (Themenheft der Zeitschrift sportun-terricht, 70 (12)). hofmann.

        Speakers: Nora Katenbrink, Daniel Schiller (Universität Osnabrück)
    • 17:45 19:30
      AK 2.3: Praktiken & Partizipation FEL03

      FEL03

      Convener: Aiko Möhwald
      • 17:45
        Herkunft, Sportpartizipation und Bildungsaspirationen von Grundschulkindern – Empirische Ergebnisse im Spannungsfeld von Sportpädagogik und Sportsoziologie 20m

        Bildungsaspirationen von Kindern sind ein zuverlässiger Prädiktor ihres weiteren Bildungsverlaufs (Wohlkinger, 2014) und stark vom sozialen Status der Herkunftsfamilie geprägt (Gehrmann, 2019). Ausgehend von Bourdieus Theorie der kulturellen Reproduktion (Bourdieu, 1982) bestehen weitere durch den herkunftsbedingten Habitus geprägte Aktivitäten, die wiederum die Aspirationen beeinflussen. Zu diesen Aktivitäten zählt die Sportpartizipation in und außerhalb eines Sportvereins. Aus einem sportsoziologischen Blickwinkel stellt sich daher zunächst die Frage, welche Indikatoren sozialer Herkunft die Sportpartizipation beeinflussen. Aus sportpädagogischer Sicht hingegen wird überprüft, ob die Sportpartizipation unter Berücksichtigung der sozialen Herkunft einen Einfluss auf die Bildungsaspiration ausübt.

        Methode

        Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine quantitativ-empirische Sekundärauswertung von Daten der World Vision Kinderstudie 2018, in welcher sechs- bis elfjährige Kinder nach relevanten Aspekten ihrer Lebenswelt befragt wurden, vorgenommen. Auf Basis der Daten von insgesamt 1915 Kindern wurde mit der binär-logistischen Regression überprüft, welche Faktoren die Wahrscheinlichkeit häufigen Sportreibens, der Sportvereinsmitgliedschaft und einer Gymnasialaspiration beeinflussen.

        Ergebnisse

        Die Ergebnisse zeigen zunächst, dass ein hoher sozialer Status der Familie die Wahrscheinlichkeit des Sportreibens erhöht. Darüber hinaus begünstigen häufiges Sporttreiben und eine Mitgliedschaft im Sportverein die Bildungsaspiration von Kindern bezüglich des Besuches eines Gymnasiums. Dieser signifikante Befund ist bemerkenswert, da das Regressionsmodell die schulische Leistung und verschiedene Indikatoren der sozialen Herkunft des Kindes bereits berücksichtigt.

        Diskussion

        Zwar ist eine Reproduktion des (Bildungs-)Status festzustellen, dennoch scheint eine Partizipation am Vereinssport ebenso wie ein allgemein häufiges Sporttreiben unabhängig davon den Bildungsverlauf von Kindern positiv zu beeinflussen. Der Sportpädagogik kommt davon ausgehend eine zentrale Rolle bezüglich der Integration von Kindern - insbesondere aus statusniedrigen Haushalten - in den Sport zu, um den Bildungsverlauf positiv zu beeinflussen. Konsequenzen sollen im Vortrag einerseits durch Abgrenzung, andererseits durch aktive Vernetzung soziologischer und pädagogischer Erklärungsansätze diskutiert werden.

        Literatur

        Bourdieu, P. (1982). Die feinen Unterschiede. Zur Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Suhrkamp
        Gehrmann, S. (2019). Aspirationen, kulturelles Kapital und soziale Herkunft. Eine quantitativ-empirische Untersuchung von Grundschulkindern in Deutschland. Springer
        Wohlkinger, F. (2014). Die Rolle des Schülers bei der Wahl der weiterführenden Schule. Eine vergleichende Untersuchung von Schülern in Bayern und Sachsen. Springer

        Speakers: Sebastian Gehrmann (Universität Bielefeld), Leefke Brunßen (Universität Bielefeld)
      • 18:05
        Jugend & Fitness – Zwischen Mainstream und Subkultur?! 20m

        Einleitung
        Außenstehende Beobachter charakterisieren jugendliche Vergemeinschaftungen, welche durch gemeinsame Interessen und Verhaltensweisen ausgemacht werden, häufig als Jugendkulturen. Wenn an der Bezeichnung Jugendkultur festgehalten werden soll, darf die Überprüfung der jugendkulturell typischen (ggf. auch notwendigen) Eigenschaften bei dieser Zuschreibung allerdings nicht ausbleiben. Mit Blick auf das populäre Fitnesssporttreiben Jugendlicher stellt sich nach über zwei Jahren ethnografischer Erfahrungen die Frage, inwieweit überhaupt – wie anfänglich vermutet (Bindel, 2017) – von einer jugendlichen Bewegungs(sub)kultur oder doch von gesamtgesellschaftlich etabliertem Sporttreiben gesprochen werden kann. Handelt es sich beim Fitnesssport von Jugendlichen etwa um eine Jugendkultur zwischen den Stühlen von Mainstream und Subkultur?

        Ergebnisse & Diskussion
        Es werden empirische Ergebnisse aus über zweijähriger ethnografischer Feldarbeit zur Diskussion gestellt, die beschreiben, welche jugendkulturell eher untypischen Charakteristika den juvenilen Fitnesssport ausmachen. Ermöglichen Jugendkulturen grundsätzlich Individuation und das Kreieren von heterogenen Patchwork-Identitäten, so versuchen die meisten jugendlichen Fitnesssporttreibenden die eigene Person an etablierte fitnesssportive Schablonen anzugleichen – sowohl körperlich als auch habituell. Das Leben der einzelnen Partizipierenden ist nicht ausdifferenziert. Die große Mehrheit orientiert sich an gleichen Zielen und Perspektiven und es wird versucht, sich selbst in Richtung einer ganz bestimmten Idealvorstellung zu modellieren, was Kreativität und gestalterische Handlungen – wodurch andere Jugendkulturen charakterisiert werden – obsolet macht.
        Auch Hedonismus und ein lustvolles Leben werden im Fitness-Lifestyle der jungen Menschen – im Tausch gegen einen schöneren Körper und eine vielversprechende zukünftige Biografie – abgelehnt. Solch perspektivische Lebensziele wirken konservativ und pragmatisch. Die fehlende Abtrennung von älteren Autoritäten verstärkt die jugendkulturell untypische Wahrnehmung des juvenilen Fitnesssports. Junge Menschen teilen sich sowohl fitnesssportive Motive als auch Räume mit Erwachsenen – und das alles in größtenteils kommerziellen Strukturen.
        Aufgrund der beschriebenen kulturellen Besonderheiten und der großen Anzahl an jugendlichen Partizipierenden, stellt sich die Frage, ob anstelle einer jugendlichen Bewegungskultur lieber vom sportiven Mainstream der aktuellen Jugend gesprochen werden sollte. „Fitnesssport scheint der Sport einer konservativen Jugendgeneration zu sein“ (Theis, 2023, S. 171) – und befindet sich jugendkulturell zumindest zwischen den Stühlen von Mainstream und Subkultur.

        Literatur
        Bindel, T. (2017). Informeller Jugendsport – institutionelle Inanspruchnahme und Wandel eines deutungsoffenen Geschehens. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 12(4), 417–426.
        Theis, C. (2023). Wissen für den Körper – Eine Ethnographie über Jugend und Fitness. Shaker.

        Speaker: Christian Theis (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
      • 18:25
        Sporteignungsprüfungen im Stillstand oder Fortschritt? Konstruktionen von Geschlecht beim Hochschulzugang zum Fach Sport in Deutschland 20m

        Einleitung
        Gesellschaftliche Entwicklungen schlagen sich in bildungsrelevanten Diskussionen nieder und erfordern Konsequenzen auf handlungspraktischer Ebene. Die binäre Geschlechterordnung „männlich“ und „weiblich“ ist seit 2018 auf rechtlicher Ebene aufgebrochen, indem der Geschlechtseintrag „divers“ für intergeschlechtliche Men-schen möglich wurde. Bildungsinstitutionen wie die Hochschule sind demnach ver-pflichtet, sich mit der geschlechtlichen Vielfalt als gesellschaftliche Realität ausei-nanderzusetzen und Entwicklungsprozesse einzuleiten. Der Kontext des Sports ist durch persistente zweigeschlechtliche Logiken geprägt, was sich auch im (Studien-)Fach Sport und seinem Fachverständnis wiederfinden kann.
        Die erste Hürde für den Zugang zum Sportstudium stellt an den meisten deutschen Hochschulstandorten die Sporteignungsprüfung dar. Das Für und Wider einer sol-chen Überprüfung wird in den Instituten sowie darüber hinaus mit Kollegen*innen der Sportwissenschaft selten diskutiert (Kuhlmann et al., 2014). Gleichwohl müs-sen für den chancengerechten Zugang zum Fach Sport vorhandene Praxen reflek-tiert und diskriminierende Strukturen aufgedeckt werden (vgl. Heckemeyer et al., 2021). Demnach wird der Frage nachgegangen, wie Geschlecht in den aktuellen Ordnungen der Sporteignungsprüfungen konstruiert und (ent-)dramatisiert wird.

        Methode
        Das Forschungsprojekt umfasst mehrere Teilstudien. Der Vortrag fokussiert die Dokumentenanalyse der Eignungsprüfungsordnungen des Fachs Sport an allen deutschen Hochschulstandorten, welche mit Fokus auf Geschlechterkonstruktio-nen inhaltsanalytisch ausgewertet werden.

        Ergebnisse & Diskussion
        Obwohl die Mehrzahl der Eignungsprüfungsordnungen zu Zeiten der Covid19-Pandemie aktualisiert wurden, wird die binäre Geschlechterlogik auf sprachlicher und inhaltlicher Ebene kaum aufgebrochen. Bei eher bewegungs- statt sportarten-orientierten Inhalten sowie bei alternativen Prüfungsformen wie schriftliche Klausu-ren, ist Geschlecht im Rahmen der Eignungsprüfung irrelevant. Da Sporteignungs-prüfungen auch das Fachverständnis konstruieren, gilt es zu diskutieren, inwiefern das Aufbrechen von zweigeschlechtlichen Logiken im Sport zu Irritationen bei Lehrpersonen und Studierenden führen kann und inwiefern dies auch pädagogisch wertvoll sein kann. Die Position unserer Fachdisziplin in Verständigung mit ver-schiedenen Akteuren ist notwendig für prozessuale Veränderungen.

        Literatur
        Heckemeyer, K., Frohn, J. & Günter, S. (2021). Erklärung der dvs-Kommission Geschlechter- und Diversitätsforschung: Geschlechtliche Vielfalt im Sport – Konsequenzen für die Sportwis-senschaft. Zugriff am 21.02.2023 unter https://www.sportwissenschaft.de/fileadmin/pdf/download/2021_Erklaerung_Geschlechtliche_Vielfalt_im_Sport_final.pdf
        Kuhlmann, D., Radtke, C. & Reuschel, K. (2014). Zum Verfahren der Feststellung der besonderen Eignung für das Lehramtsstudium des Faches Sport. Problemaufriss und Erfahrungsbericht. Sportunterricht, 63 (7), 207-214.

        Speakers: Lena Gabriel, Aiko Möhwald
      • 18:45
        Widerständige Praktiken von Schüler:innen im Sportunterricht - Empirische Einblicke 20m

        Im Zuge der wiederkehrenden Selbstvergewisserung innerhalb der Sportpädagogik sind nicht zuletzt theoretische und methodologische (Neu-)Justierungen ausschlaggebend dafür, welche Forschungsgegenstände in den Blick genommen werden. Aktuelle Bemü-hungen können u. a. entlang einer praxeologischen Sportunterrichtsforschung (u. a. Wolff, 2017) ausgemacht werden, um sportunterrichtliche Praxis als eine materielle Voll-zugspraxis zu bestimmen. Diese Vorannahmen sind leitend für das nachfolgende For-schungsprojekt.

        Im Anschluss an Foucaults (1976) Mikrophysik der Macht zeigt sich Sportunterricht als soziales Setting disziplinierter Körper, die einem engen Raster von Überwachungstech-niken unterliegen. Sportlehrer:innen fungieren in diesem Geflecht qua Rolle als verkör-perte Institution. Sie aktualisieren und materialisieren (Verhaltens-)Regeln, scheinen darüber zu verfügen, zu welchem Zeitpunkt sich welche Schüler:innen welcher Bewe-gungsaufgabe (nicht) widmen und wachen mit einem panoptischen Blick (ebd.) über das sich darbietende Geschehen.

        In diesem aus Machtmechanismen gespannten Netz verblassen Schüler:innen jedoch keineswegs zu ohnmächtigen Statisten. Vielmehr scheinen sie in der Alltagspraxis ko-konstruktiv einen taktischen (de Certeau, 1988) Umgang zu entwickeln, der wiederum in (s)einer spezifischen Ausprägung eines doing pupil (Breidenstein, 2006) beobachtbar wird. Der Fokus liegt folglich auf Momenten des Nicht-Folgens und Umgehens sowie des (gleichzeitigen) Hervorbringens eigener (subversiver) Machttechniken von Schü-ler:innen.

        Mithilfe eines praxistheoretisch fundierten fokussiert-ethnographischen Vorgehens wird der Frage nachgegangen, auf welche Weise sich Schüler:innen im Sportunterricht den etablierten Machtapparaturen entziehen. Grundlage der rekonstruierenden Analyse bil-den videographierte Sportunterrichtsstunden, die entlang der Video-Interaktions-Analyse (Knoblauch, 2004) ausgewertet werden.

        In diesem Beitrag werden erste empirische Einblicke zu eben solchen widerständigen Praktiken von Schüler:innen im Sportunterricht gegeben und damit Facetten der sich zeigenden komplexen Zusammenhänge der materiellen Vollzugswirklichkeit aufgespürt. Erste Ergebnisse deuten u. a. darauf hin, dass widerständige Praktiken selten im Allein-gang, wesentlich häufiger jedoch in kooperativen Arrangements zur Aufführung kom-men.

        Literatur
        Breidenstein, G. (2006). Teilnahme am Unterricht. Ethnographische Studien zum Schülerjob. VS Verl. für Sozialwiss.
        De Certeau, M. (1988). Die Kunst des Handelns. Merve.
        Foucault, M. (1976). Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Suhrkamp.
        Knoblauch, H. (2004). Video-Interaktions-Analyse. Sozialer Sinn, (1), 123-138.
        Wolff, D. (2017). Soziale Ordnung im Sportunterricht. Eine Praxeographie. Transcript.

        Speaker: Alexander Kranz (Universität Hildesheim)
    • 17:45 19:30
      AK 2.4: Standortbestimmung eines digitalisierungsbezogenen Sportunterrichts Hörsaal

      Hörsaal

      Convener: Anne-Christin Roth (Pädagoische Hochschule Freiburg)
      • 17:45
        Digitale Medien in der Sportspielvermittlung: Videotagging im Fußball in der Grundschule 20m

        Einleitung
        In der Untersuchung wurde ein digital-gestützter Sportspielvermittlungsprozess in der Grundschule untersucht. Grundlage war der international etablierte Vermittlungsansatz des TGfU (Bunker & Thorpe, 1982). Die Untersuchung erfolgte im Hinblick auf die Forschungsfrage, wie Schüler*innen den Einsatz digitaler Medien im Sportspielunterricht wahrnehmen und interpretieren. Der Fokus lag hierbei auf dem Einfluss digitaler Medien auf die Interaktions- und Kommunikationsprozesse sowie auf der Wahrnehmung der entstehenden Rollen.

        Methode
        In zwei Zyklen der Datenerhebung wurde in sechs 4. Klassen über den Zeitraum von sechs Schulstunden eine Unterrichtseinheit zum Fußballspielen nach der Vermittlungsmethode des TGfU durchgeführt. Während der Einheit nahmen sich die Schülerinnen gegenseitig mit einer App auf und taggten Spielsituationen nach vorher festgelegten Kriterien. Die Sequenzen (ca. 8 Sekunden) wurden in den Reflexionsphasen gemeinsam besprochen. Im Anschluss an die Einheit wurden 104 leitfadengestützte Interviews mit Schülerinnen geführt. Datenerhebung und -analyse erfolgen anhand der Grounded-Theory-Methodologie (Strauss & Corbin, 1996). Die Daten wurden offen und axial codiert und es wurde ein finales Kategoriensystem entwickelt.

        Diskussion
        Die Daten zeigen ambivalente Sichtweisen auf die Nutzung der App (Greve et al., 2022). Es konnten unterschiedliche Phänomene zum Umgang mit der neuen Rolle des Kamerakindes sowie die Perspektive auf konservierte und gespeicherte Bewegungen identifiziert werden. Interessant ist z.B. die Zweckentfremdung der Filmmöglichkeit: Die Schülerinnen nutzten diese Option oftmals als Videobeweis, um strittige Situationen schnell zu klären. Die Ergebnisse zeigen somit eine überaus pragmatische Handhabung des digitalen Hilfsmittels durch die Schülerinnen. Die Kombination aus einem spielzentrierten Ansatz und dem Einsatz von Tablets schien produktive Möglichkeiten für das Lernen von Sportspielen zu bieten. Dies bezieht sich nicht nur auf technische und taktische Komponenten des Fußballs, sondern auch auf das Lösen von Konflikten und die Bewertung des eigenen Handelns. Im Umgang mit Selbst- und Fremdbildern ergeben sich neue didaktisch-methodische sowie pädagogische Herausforderungen und Möglichkeiten, die im Vortrag weiter diskutiert werden.

        Literatur
        Bunker, D. & Thorpe, R. (1982). A model for the teaching of games in secondary schools. Bulletin of Physi-cal Education, 18(1), 5-8.
        Greve, S., Diekhoff, H. & Süßenbach, J. (2022). Learning Soccer in Elementary School: Using Teaching Games for Understanding and Digital Media. Frontiers in Education. https://doi.org/10.3389/feduc.2022.862798
        Strauss, A. & Corbin, M. (1996). Grounded Theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.

        Speakers: Henrike Diekhoff, Steffen Greve (Leuphana Universität Lüneburg), Jessica Süßenbach (Leuphana Universität Lüneburg)
      • 18:05
        Gesundheitsdidaktische Ziele im Sportunterricht im Kontext digitaler Transformationsprozesse 20m

        Einleitung
        Digitale Transformationsprozesse innerhalb der fitness- und gesundheitsbezogenen Lebenswelt von Heranwachsenden bringen sowohl Potenziale (z.B. Erhöhung körperlicher Aktivität durch Wearables) als auch Herausforderungen (z.B. Körperunzufriedenheit durch Social Media) für die Gesundheit von Jugendlichen mit sich (Goodyear et al., 2017). Diese können, abhängig vom gesundheitsdidaktischen Ansatz (z.B. biomedizinisch vs. alternativ, Mong & Standal, 2019), auf unterschiedliche Weise (z.B. im Hinblick auf die Breite der anvisierten Gesundheitsfacetten) für einen gesundheitsbezogenen Sportunterricht didaktisch fruchtbar gemacht werden. Der Beitrag gibt einen systematischen Überblick über verschiedene (Lern-)Ziele, die in der wissenschaftlichen Literatur im Zusammenhang mit dem Lernen mit und über digitale(n) Medien für einen gesundheitsbezogenen Sportunterricht diskutiert werden, und nimmt dahinterliegende gesundheitsdidaktische Zugänge näher in den Blick.

        Methode
        Um den Forschungsstand mit Hilfe einer systematischen Literaturrecherche zu erfassen, wurde ein Scoping Review nach Tricco et al. (2018) durchgeführt. Dazu wurde in neun Datenbanken nach deutsch- und englischsprachiger, empirischer und theoretischer Literatur gesucht. Die anhand eines dreistufigen Screening-Verfahrens selektierten Texte wurden anschließend inhaltsanalytisch ausgewertet.

        Ergebnisse und Diskussion
        Von ursprünglich 4204 Treffern konnten 103 Texte in die Analyse eingeschlossen werden. Diese zeigt, dass ein Großteil der diskutierten (Lern-)Ziele das Lernen mit digitalen Medien betrifft (z.B. Erhöhung der körperlichen Aktivität durch Exergames) und dabei im Sinne biomedizinischer Ansätze insbesondere das Erzielen von physischen Gesundheitsgewinnen durch körperliche Aktivität im und außerhalb des Sportunterrichts fokussiert. Im Bereich des Lernens über digitale Medien werden hingegen auch Implikationen diskutiert, die im Einklang mit alternativen Ansätzen die Befähigung zur kritisch-reflektierten Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Bedingtheit von Gesundheit (z.B. Hinterfragen einer Verstärkung von Überwachungs- und Disziplinierungstendenzen durch Wearables) anvisieren.

        Literatur
        Goodyear, V., Kerner, C., & Quennerstedt M. (2017). Young people’s uses of wearable healthy lifestyle technologies; surveillance, self-surveillance and resistance. Sport, Education and Society, 24(3), 212-225.
        Mong, H. H., & Standal, Ø. F. (2019). Didactics of health in physical education–a review of literature. Physical Education and Sport Pedagogy, 24(5), 506-518.
        Tricco, A. C., Lillie, E., Zarin, W., O'Brien, K. K., Colquhoun, H., Levac, D. et al. (2018). PRISMA Extension for Scoping Reviews: Checklist and Explanation. Annals of internal medicine, 169(7), 467-473.

        Speakers: Brit Teutemacher (Eberhard Karls Universität Tübingen), Gorden Sudeck (Universität Tübingen, Institut für Sportwissenschaft), Julia Hapke (Universität Tübingen)
      • 18:25
        Zwischen Bewegungs- und Schulorientierung: Orientierungstypen von Sportlehrkräften und deren Einfluss auf die Gestaltung von Sportunterricht auf Distanz 20m

        Einleitung
        Die Diskussion um ‚Theorie‘ im Sportunterricht ist zwar bereits ein halbes Jahrhundert alt, hat jedoch in Zeiten von Schulschließungen und der Umstellung auf überwiegend digital gestützt ablaufenden Sportunterricht auf Distanz noch einmal verstärkt an Bedeutung gewonnen. Bereits für die Sekundarstufe I als Teil des schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrags, aber spätestens für die Sekundarstufe II als Grundstein für die Abiturfähigkeit (vgl. Kurz & Schulz, 2010) werden Theorieanteile auch für das Fach Sport eingefordert. Allerdings spielen sie in einer von Streben nach körperlicher Aktivität geprägten Unterrichtspraxis vielfach eine untergeordnete Rolle. Sportlehrkräfte sitzen hier hinsichtlich geforderter Theorieanteile und unterrichtspraktischem Bewegungsprimat „zwischen den Stühlen“. Im Vortrag werden Orientierungstypen von Sportlehrkräften rekonstruiert, die sich auf einem Spektrum zwischen Bewegungs- und Schulorientierung verorten lassen.

        Methode
        Die Datengrundlage des Vortrags bildet neun ausgewählte Fälle einer explorative Interviewstudie, in der 66 Sportlehrkräfte aus der Primarstufe und den Sekundarstufen I und II in NRW im Mai und Juni 2021 zur Bedeutsamkeit von Praxis- und Theorieanteilen im Präsenzsportunterricht sowie im Sportunterricht auf Distanz befragt wurden. Die neun ausgewählten Fälle wurden mittels dokumentarischer Methode rekonstruktiv ausgewertet und einer sinngenetischen Typenbildung unterzogen (vgl. Bohnsack, 2021).

        Ergebnisse und Diskussion
        Bei der sinngenetischen Typenbildung konnten drei Typen rekonstruiert werden, die sich zwischen den Polen Bewegungs- und Schulorientierung verorten lassen. Dabei weisen die Orientierungen eine hohe Stabilität auf und werden selbst durch einen teilweise völligen Wegfall der Sportpraxis im Distanzunterricht (Roth & Stamm, 2023 (accepted)) nicht grundlegend erschüttert. Die drei Orientierungstypen werden im Vortrag an jeweils zwei Fällen vorgestellt. Abschließend werden die Ergebnisse unter fachkulturellen und professionstheoretischen Gesichtspunkten diskutiert.

        Literatur
        Bohnsack, R. (2021). Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. (10. Auflage). utb.
        Kurz, D. & Schulz, N. (Hrsg.). (2010). Sport im Abitur. Ein Schulfach auf dem Prüfstand (Edition Schulsport, Bd. 13). Meyer & Meyer.
        Roth, A. C., & Stamm, L. (2023 (accepted)). Sportunterricht auf Distanz: Chancen und Herausforderungen für Sportlehrkräfte. sportunterricht.

        Speakers: Anne-Christin Roth (Pädagoische Hochschule Freiburg), Lara Stamm (Universität Duisburg Essen)
      • 18:45
        Prävention und Intervention von Schulsportverweigerung – Potenziale digitaler Medien aus Sicht von Lehrkräften 20m

        Einleitung und Hintergrund
        Zwar ist der Sportunterricht ein beliebtes Schulfach (Weber, Neumann & Möhwald, 2021), dennoch gehen Autor:innen davon aus, dass zwischen 15% bis 20% der Schüler:innen kein Interesse am Sportunterricht haben (Burrmann, 2015; Wydra & Förster, 2000) oder sich diesem verweigern, insbesondere während der Pubertät (Weber, Neumann & Möhwald, 2021; Wolters & Gebken, 2005). Dies steht dem zentralen Anspruch des Faches diametral entgegen, Schüler:innen für lebenslanges Sporttreiben zu motivieren. Daher stellt sich die Frage, wie Schulsportverweigerung (SSV) verhindert bzw. ihr gegenüber interveniert werden kann und ob der Einsatz digitaler Medien dabei neues Potenzial bietet.
        Dazu wird empirisch angereichert eine Systematisierung für Handlungsstrategien aufgestellt, die sich an der theoretischen Einteilung der Handlungsebenen in Institution-, Unterrichts- und Beziehungsebene nach Wolters und Gebken (2005) orientiert und um Aspekte der Digitalisierung erweitert wird.

        Methodik
        11 Lehrkräfte weiterführender Schulen aus ganz Deutschland wurden Ende 2022 zu ihrer Sicht bezüglich SSV in einer semi-strukturierten, leitfadengestützten Interviewstudie befragt und die Transkripte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) analysiert.

        Ergebnisse und Diskussion
        Laut den befragten Lehrkräften ist die Ursachenerkennung der Verweigerungshaltung essenziell, um adäquat handeln zu können. Dabei können digitale Medien unterstützend mitwirken. Darüber hinaus bietet der neue Zugang durch digitale Medien hinsichtlich SSV eine Angebotsvielfalt und Differenzierungsmöglichkeit, kann Schüler:innen motivieren und im Sportunterricht eine Professionalität fördern, wodurch präventiv und intervenierend gehandelt werden kann. Dennoch kritisch zu betrachten sind die teilweise fehlende Effizienz des Einsatzes digitaler Medien sowie mangelnde Digitalkompetenzen der Lehrkräfte oder Schüler:innen und fehlende Ausstattungen der Sportstätten. Insgesamt zeigen die Aussagen der Befragten eine gute Passung zur Systematisierung nach Wolters und Gebken (2005), die empirisch geleitet um Handlungsstrategien zum Umgang mit SSV durch digitale Medien erweitert wird.

        Literatur
        Burrmann, U. (2015). Schülertypen im Sportunterricht der Sekundarstufe I – Perzeption des Sportunterrichts und deren Bezug zum außerschulischen Sport. Zeitschrift für sportpädagogische Forschung, 2, 61-82.
        Mayring, P. (2010). Qualitative Inhaltsanalyse. Beltz.
        Weber, T., Neumann, P. & Möhwald, A. (2021). Nicht-Interesse im Sportunterricht bei Schülerinnen der Sekundarstufe I. Sportunterricht, 70(12), 544-549
        Wolters, P. & Gebken, U. (2005). Schulsportverweigerer.
        Sportpädagogik, 29(2), 4-10.
        Wydra, G. & Förster, D. (2000). „Sportunterricht – nein danke!“ Eine Sekundäranalyse der Einstellungen von Schülerinnen und Schülern, denen der Sportunterricht egal ist.
        Körpererziehung*, 50(2), 90-95.

        Speakers: Katja Gerstmaier (Karlsruher Institut für Technologie), Ingo Wagner (Karlsruher Institut für Technologie), Pierre Meinokat (Karlsruher Institut für Technologie)
    • 17:45 19:30
      Diskussionsforum 1: Round Table „Quantitativ-analytische Sportpädagogik“ Sporthalle

      Sporthalle

      Convener: Rüdiger Heim (Universität Heidelberg)
      • 17:45
        Round Table „Quantitativ-analytische Sportpädagogik“ 20m

        Nachdem die quantitativ-analytische Forschung in der Sportpädagogik im Kielwasser der wachsenden Bedeutung empirischer Bildungsforschung in Deutschland zu Beginn dieses Jahrhunderts Fahrt aufgenommen hatte, scheint sich in den letzten Jahren eine gewisse Stagnation abzuzeichnen. Die Zahl von eingereichten wie publizierten Beiträgen aus diesem Bereich bewegt sich ebenso in einer überschaubaren Größenordnung wie die Beteiligung an der Qualitätsoffensive Lehrerbildung oder auf den einschlägigen sportpädagogischen sowie fachübergreifenden Konferenzen, wie etwa der GEBF oder GFD.
        Quantitativ-analytische Forschung in der Sportpädagogik sitzt insofern „zwischen den Stühlen“, als dass sie sich im Spektrum von zumindest drei Bezügen unterschiedlicher Felder bewegt, die wiederum mit unterschiedlichen Herausforderungen einhergehen: Erstens markieren Konzepte und Methoden der Bildungs- und fachdidaktischen sowie soziologischen Forschung außerhalb der Sportwissenschaft wesentliche Ansprüche, Anregungen und Anschlüsse. Zweitens steht die quantitativ-analytische Sportpädagogik zugleich vor der Herausforderung, Bezüge zu relevanten sportwissenschaftlichen Teildisziplinen und vor allem der theoretisch-konzeptionellen wie der qualitativ-rekonstruktiven Sportpädagogik herzustellen und sich hier im Horizont von Kooperation und Konkurrenz weiter zu entwickeln. Schließlich und drittens erhebt auch die quantitativ-analytische Forschung den Anspruch, nicht nur grundlagenorientierte Beiträge anzubieten, sondern auch ihre Relevanz für die Praxis, z. B. von Sport und Schule, zu formulieren.
        Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen möchte der Round Table diskutieren, inwiefern die Einrichtung einer informellen „Arbeitsgruppe quantitativ-analytische Sportpädagogik“ (AquaS) diese Forschungsrichtung in der näheren Zukunft stärken und weiterentwickeln kann. Hierzu sollen vor allem Bedarfe, insbesondere des wissenschaftlichen Nachwuchses, weitere Herausforderungen und mögliche Angebote in der näheren Zukunft ausgeleuchtet werden.
        Einleitend werden vier kurze Statements aus einer allgemeinen Perspektive sowie im Hinblick auf die sportpädagogische Jugend-, die Unterrichts- und die Lehrkräfteforschung eine erste Bilanz ziehen und Herausforderungen sowie Perspektiven quantitativer Forschung skizzieren.

        Speakers: Rüdiger Heim (Universität Heidelberg), Miriam Seyda (TU Dormund), Tim Heemsoth (Universität Flensburg), Ukrike Burrmann (HU Berlin)
    • 19:30 20:00
      Übergabe und Präsentation des Bandes "Gelebte Sportpädagogik" 30m Sporthalle

      Sporthalle

    • 20:00 00:30
      Abendprogramm 4h 30m An der Kastanie

      An der Kastanie

    • 09:00 10:00
      Hauptvortrag 2: No Education without Physical Education - EUPEA und die Entwicklung der sportbezogenen Bildungspolitik Sporthalle

      Sporthalle

      Die European Physical Education Association (EUPEA) ist der Dachverband der europäischen Sportlehrerverbände in Europa und setzt sich seit ihrer Gründung in Brüssel im Jahr 1991 für die Belange des Schulsports in Europa ein (EUPEA, 1991). Dabei stehen eine angemessene Qualifikation der sportlehrenden Personen sowie die Qualität des Sportunterrichts bzgl. Struktur, Prozess und Produkt im Mittelpunkt der Interessen und der Mission von EUPEA (EUPEA, 2011; Scheuer & Holzweg, 2014). Im Sinne von „Adocacy for Physical Education“ sollen politische Entscheidungsträger auf europäischer Ebene sowie in den Ländern der EUPEA-Mitglieder demnach von der Bedeutung des Schulsports auf allen Ebenen eines Bildungssystems mit Blick auf eine ganzheitliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen hin zu einem bewegten Bewegungsstil überzeugt werden.
      In den letzten Jahrzehnten war EUPEA insbesondere auf europäischer Ebene im Rahmen von sportbezogener Bildungspolitik aktiv. Zum Einen wird dabei die Expertise von EUPEA in diesem relevanten Themengebiet in Expertengruppen der Europäischen Kommission oder als Mitglied im Consultative Committee im Enlarged Partial Agreement on Sport des Council of Europe anerkannt; zum Anderen hat EUPEA mehrere relevante Stellungnahmen zu aktuellen Themen publiziert, wie z.B. während der COVID-19-Pandemie das Position Statement on Physical Education in Schools, during the COVID-19 Pandemic (EUPEA, 2020). Auch hat EUPEA in der Vergangenheit mehrere Beiträge veröffentlicht, die einen vergleichenden Überblick zur Situation im Schulsport in Europa bieten (z.B. Holzweg et al., 2013; Onofre et al., 2012a, 2012b). Im Rahmen dieser Kernaktivitäten von EUPEA ist aber leider weiterhin – genau wie in den meisten Ländern Europas – fest zu stellen, dass die politischen Entscheidungsträger sich weiterhin sehr schwer tun, die seit Jahren vorliegende Evidenz und die damit einhergehenden Forderungen für eine Verbesserung der Bedingungen des Schulsports in Europa um zu setzen. Von Interesse ist hier insbesondere eine rezente Studie zur EU-Sportpolitik im Allgemeinen, an deren Durchführung EUPEA beteiligt war (Mittag & Naul, 2021).
      Seit Beginn des Erasmus+-Programms in 2014 ist EUPEA auch zunehmend im Bereich Forschung aktiv. Durch die Beteiligung an mittlerweile mehr als 20 forschungsbezogenen Kooperationsprojekten in den Bereichen Sport, Schulische Bildung und Hochschulbildung gilt EUPEA auf europäischer Ebene mittlerweile als ausgezeichnet vernetzt und ist eingebettet in europaweite Netzwerke von Nicht-Regierungs-Organisationen und akademischen Institutionen im Bereich Sport und Bewegung. Als strategische Kernthemen im Rahmen dieser Projektaktivitäten identifiziert EUPEA (1) das Eintreten für das Fach Sport, (2) die Lehrerausbildung, (3) das Monitoring und die Evaluation von Schulsport und körperlicher Aktivität sowie (4) die Förderung von Sportunterricht und körperlicher Aktivität (EUPEA, 2023).
      Im Rahmen dieses Vortrags werden diese drei Themen – die Mission von EUPEA, die Aktivitäten im Rahmen sportbezogener Bildungspolitik sowie die Beteiligung an kooperativen, europäischen Forschungsprojekten – dargestellt und diskutiert. Abschließend wird aus dieser Perspektive ein Blick auf mögliche Anknüpfungspunkte zur deutschen Sportpädagogik sowie die künftigen Prioritäten von EUPEA geworfen.

      Literatur
      European Physical Education Association (1991). Declaration of Madrid “No Education without Physical Education” 27th of October 1991. Ghent: European Physical Education Association.
      European Physical Education Association (2011). Declaration of Madrid “No Education without Physical Education” 27th of October 1991, amended 10th November 2011 in Brussels by the “add that” points. Ghent: European Physical Education Association.
      European Physical Education Association (2020). Position Statement on Physical Education in Schools, during the COVID-19 Pandemic. Luxembourg: European Physical Education Association.
      European Physical Education Association (2023). Matrix of EUPEA Projects for PE Advocacy. Luxembourg: European Physical Education Association. Abgerufen unter https://eupea.com/wp-content/uploads/2022/12/MATRIX_EUPEA-Forum-2022pdf.pdf
      Holzweg, M., Onofre, M., Repond, R.-M., & Scheuer, C. (2013). Schulsport in Europa aus Perspektive des Europäischen Sportlehrerverbands (EUPEA). Sportunterricht, 62, 229-234.
      Mittag, J. & Naul, R. (2021). EU sports policy: assessment and possible ways forward. Brussels: European Parliament, Research for CULT Committee - Policy Department for Structural and Cohesion Policies.
      Onofre, M., Marques, A., Moreira, R., Holzweg, M., Repond, R.-M., & Scheuer, C. (2012a). Physical education and sport in Europe: From individual reality to collective desirability (Part 1). International Journal of Physical Education, 49(2), 17-31.
      Onofre, M., Marques, A., Moreira, R., Holzweg, M., Repond, R.-M., & Scheuer, C. (2012b). Physical education and sport in Europe: From individual reality to collective desirability (Part 2). International Journal of Physical Education, 49(3), 31-35.
      Scheuer, C., & Holzweg, M. (2014). Quality in physical education: an overview from the perspective of physical education teacher associations. In C. Scheuer, B. Antala, & M. Holzweg, Physical Education: Quality in Management and Teaching (pp. 62-71). Logos: Berlin.

      Convener: Claude Scheuer (EUPEA)
    • 10:00 10:45
      Pause 45m Sporthalle

      Sporthalle

    • 10:45 12:15
      AK 3.1: Digitale Lernformate (auf Englisch) PC-Pool Raum

      PC-Pool Raum

      Convener: David Wiesche
      • 10:45
        Nutzungsevaluation einer individuellen videobasierten Online-Lernplattform 20m

        Einleitung
        Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie wurde die Digitalisierung immer weiter vorangetrieben – auch in der Lehrkräftebildung. Daten aus einem großangelegten Projekt von Richartz zeigten jedoch, dass eine Online-Videothek für die individuelle Fortbildung im Sport kaum genutzt wurde – in zwei Jahren haben sich über 80% der TrainerInnen (n=456) niemals eingeloggt (Richartz, Kohake & Maier, 2021). Trotz der Ausbreitung digitaler Technologien scheinen diese demnach nicht effektiv genutzt zu werden. Um diesem Problem entgegenzuwirken wurde die Onlineplattform in ein größeres CLASS-basiertes Coaching-Projekt im organisierten Sport eingebettet (Richartz, 2015), welches auf den Sportunterricht übertragen wurde.

        Methodik und Auswertung
        Acht Sportlehrkräfte wurden einmalig in ihrem täglichen Sportunterricht videografiert. Aus diesem Videomaterial wurden Videoclips geschnitten und durch zwei zertifizierte CLASS-Rater geprüft, um die Sichtbarkeit der jeweiligen Verhaltensmarker sicherzustellen. Danach wurde die Authentizität durch 29 ExpertInnen mit Hilfe eines Online-Fragebogens (auf Basis von Seidel, Blomberg & Stürmer, 2010) validiert. So wurden 44 Best-Practice Clips für sieben CLASS-Dimensionen erstellt, in eine bereits existierende Online-Lernplattform integriert und in einer individuellen Online-Coaching Intervention für Sportlehrkräfte (n=5) eingesetzt. Deskriptive Daten zur Nutzung der Website zeigen sowohl die Häufigkeit und Dauer der Log-Ins, als auch mit welchen Inhalten sie sich auseinandergesetzt haben. Zudem wurden die TeilnehmerInnen zum Coaching-Prozess und der Nutzung der Online-Lernplattform (inkl. Benutzerfreundlichkeit) interviewt. Die Auswertung der Interviews erfolgte mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse. Diese Daten wurden den quantitativen deskriptiven Daten, die über die Website abgerufen wurden, vergleichend gegenübergestellt und ausgewertet.

        Ergebnisse
        Trotz intensiver eins-zu-eins Betreuung und monatlichen Hinweisen auf die Lernplattform, wurde diese nur von drei TeilnehmerInnen regelmäßig genutzt. Bei den anderen Lehrkräften sind jeweils nur eine geringe bis keine Nutzung zu verzeichnen. Die Nutzung der Plattform schien unabhängig von der Lehrerfahrung zu sein. Es konnten Tendenzen für drei Lerntypen (Anpassung, Nachahmung, Ablehnung) identifiziert werden.

        Diskussion
        Bei der Weiterentwicklung der Videothek oder Erstellung ähnlicher Fortbildungstools sollten die ermittelten Lerntypen bedacht und die Art der Nutzung der Lernplattform kritisch hinterfragt werden. Die allgemeine Benutzerfreundlichkeit wurde als sehr gut evaluiert, scheint jedoch kein Garant für die tatsächliche Nutzung zu sein. Aussagen zur Nutzung waren nicht immer identisch mit den deskriptiven Daten, die von der Plattform generiert wurden, daher scheinen besonders quantitative Daten in Bezug auf die tatsächliche Nutzung von Vorteil zu sein, um den Aspekt sozialer Erwünschtheit ausschließen zu können.

        Literatur
        Richartz, A. (2015). Individuelle videogestützte Lernbegleitung zur Verbesserung der pädagogischen Trainingsqualität im Nachwuchsleistungssport. Unveröffentlichter Forschungsantrag.
        Richartz, A., Kohake, K., & Maier, J. (2021). Die Förderung pädagogischer Qualität im Kinder-und Jugendsport–vier videogestützte Module für die Trainerbildung. Kinder-und Jugendsportforschung in Deutschland–Bilanz und Perspektive, 365-385.
        Seidel, T., Blomberg, G., & Stürmer, K. (2010). „Observer“ – Validierung eines videobasierten In-struments zur Erfassung der professionellen Wahrnehmung von Unterricht. Projekt OBSERVE. In Kompetenzmodellierung. Zwischenbilanz des DFG-Schwerpunktprogramms und Perspektiven des Forschungsansatzes (S. 296–306). Weinheim: Beltz.

        Speaker: Jessica Maier
      • 11:05
        Wer ist besser? Adaptive Comparative Judgement in der sportbezogenen Lehrpersonenbildung 20m

        Einleitung
        Adaptive Comparative Judgement (ACJ) ist ein digitales Testverfahren, das sich besonders für die Bewertung komplexer Handlungskompetenzen oder kreativer Lernprodukte eignet. Der Vorteil von ACJ gegenüber traditionellen Formen der Leistungsbeurteilung liegt in der hohen Reliabilität des jeweiligen Tests, ohne dabei im Bereich der Validität Abstriche in Kauf nehmen zu müssen (Kimbell, 2022). Obwohl ACJ ein großes Potenzial zur Beurteilung im Sport und der sportbezogenen Lehrpersonenbildung zugeschrieben wird, sind uns bisher keine dokumentierten und publizierten Umsetzungsbeispiele bekannt (Bartholomew & Jones, 2022). Um diese Forschungs- und Entwicklungslücke zu bearbeiten, wird hier erstmals und exemplarisch die Anwendung der ACJ-Methode im Kontext der sportbezogenen Lehrpersonenbildung vorgestellt. Dabei wird am Beispiel einer Tanzprüfung untersucht, ob die Beurteilung mittels ACJ einen Mehrwert beim Beurteilen sportlicher Performanzen bietet.
        Methode
        In einer Präsenzprüfung werden 61 Tanzdarbietungen angehender Lehrkräfte im Fachbereich Bewegung und Sport von zwei Expertinnen mittels Beurteilungsraster bewertet. Zusätzlich werden die Performanzen videografiert und im Nachgang mithilfe des ACJ-Tools Comproved durch fünf Dozierende beurteilt. Dabei werden jeweils zwei Tanzvideos nebeneinander dargestellt und die Assessorinnen beurteilen unabhängig voneinander, welche Darbietung besser war. Durch mehrfache Vergleiche werden die Tanzleistungen rangiert, bis ein guter Reliabilitätswert für den Test erreicht wird (SSR > 0.70; vgl. Verhavert, 2018).
        Ergebnisse
        Bis zur Tagung werden die Ergebnisse aus diesem laufenden Drittmittelprojekt vorliegen. Neben dem Vergleich der beiden Beurteilungsmethoden wird diskutiert werden, wie ACJ für summative und formative Leistungsbeurteilungen der Studierenden genutzt werden kann und welche (technischen) Möglichkeiten es gibt, die Studierenden in den Bewertungsprozess einzubeziehen. Mit Blick auf andere Fachdidaktiken wird argumentiert, dass bewegungsbezogene Handlungsfelder wie der Sport, bei dem soziale Leistungsvergleiche zum konstituierenden Merkmal gehören, besonders fruchtbare Anwendungs- und Entwicklungsfelder für diese noch junge Assessment-Methode darstellen.
        Literatur
        Bartholomew, S. R., & Jones, M. D. (2022). A systematized review of research with adaptive comparative judgment (ACJ) in higher education. International Journal of Technology and Design Education, 32(2), 1159-1190.
        Kimbell, R. (2022). Examining the reliability of Adaptive Comparative Judgement (ACJ) as an assessment tool in educational settings. International Journal of Technology and Design Education, 32(3), 1515-1529.
        Verhavert, S., De Maeyer, S., Donche, V., & Coertjens, L. (2018). Scale Separation Reliability: What Does It Mean in the Context of Comparative Judgment? Applied Psychological Measurement, 42(6), 428-445.

        Speaker: Eric Jeisy
      • 11:25
        Möchten Sie das Programm "Digitaler Sportunterricht" wirklich in den Papierkorb verschieben? 20m

        Einleitung
        Die COVID-19-Pandemie hatte Auswirkungen auf die Durchführung von Sportunterricht in Deutschland: An manchen Schulen wurde er zeitweise vom Stundenplan gelöscht oder es wurden Empfehlungen zur Installation digitaler Sportlernangebote ausgesprochen (Kultusminister Konferenz, 2021). Es stellt sich die Frage, welchen Mehrwert digitale Sportlernangebote darstellen können. Überträgt man das ganzheitliche Verständnis von Sportunterricht auf digitale Angebote wird die Operationalisierung digitaler Bewegungs- und Lernaufgaben (vgl. Pfitzner, 2018) mit Blick auf die kognitive Aktivierung, soziale Interaktionen und den Lebensweltbezug der Aufgaben analysiert.

        Methode
        Die Analyse erfolgte als standardisierte Beobachtung des anleitenden Videomaterials und umfasste die Aufgaben zweier digitaler Sportlernangebot. Während die vom Niedersächsischen Kultusministerium empfohlene Plattform "SchulSportWelten" die schulische Seite repräsentierte, wurde ergänzend "ALBAs tägliche Sportstunde" als Vereinsangebot betrachtet. Ein Kodierer sichtete jeweils acht digitale Sportstunden und analysierte diese hinsichtlich der kognitiven Aktivierung, der sozialen Interaktion, der Differenzierung und des Lebensweltbezugs.

        Ergebnisse
        Die analysierten Aufgaben beider Lernplattformen können als wenig kognitiv aktivierende und wenig differenzierende Einzelaufträge weitgehend ohne Lebensweltbezug und ohne Interaktionsmöglichkeit beschrieben werden. Insgesamt kann ein deutlicher motorischer Fokus und eine Dominanz von Bewegungsanweisungen beobachtet werden.

        Diskussion
        Das kognitive Aktivierungspotenzial, das im Verständnis von Pfitzner (2018) durch soziale Interaktion, Differenzierung und Lebensweltbezug innerhalb von Aufgaben gesteigert werden kann, ist sowohl auf Schul- als auch auf Vereinsseite als gering einzuschätzen. Ein Sportlernangebot, das von den Lernenden zum Großteil abverlangt, Bewegungen motorisch nachzuahmen, ohne dabei sozial zu interagieren, einen authentischen Bezug zu ihrer Lebenswelt zu erkennen, die Hintergründe ihres Sich-Bewegens nachzuvollziehen und eigenständig zu abgewogenen Entscheidungen zu gelangen, würde dem Anspruch eines ganzheitlich bildenden Fachs nicht gerecht. Ein Virenscanner schlägt beim Programm "Digitaler Sportunterricht" nicht an. Dennoch sollten digitale Sportlernangebote aus der Perspektive des Sportunterrichts kritisch hinterfragt werden. Damit diese Angebote ganzheitlich bildende Charakteristika aufweisen, wären sie grundlegend didaktisch und methodisch aufzubereiten.

        Literatur
        Kultusminister Konferenz. (2021). Corona-Studie. https://www.kmk.org/fileadmin/pdf/PresseUndAktuelles/2021/KMK-Corona-Studie_Abschlussbericht.pdf
        Pfitzner, M. (2018). Lernaufgaben im kompetenzförderlichen Sportunterricht. Theoretische Grundlagen und empirische Befunde. Springer VS

        Speakers: Katharina Pöppel, Janik Schluroff
      • 11:45
        Körpererfahrung zwischen physischer und virtueller Realität? Gelingensbedingungen für den reflektierten Einsatz von Virtual Reality im Sportunterricht 20m

        Problemstellung
        Körpererfahrung in Virtual Reality (VR) ist Teil des gesellschaftlichen Transformationsprozesses Digitalisierung. Im Bildungskontext proklamiert die KMK (2021), dass immersive Technologien wie VR bei der Entwicklung innovativer, digitaler Lernformate im Unterricht zu beachten, zu reflektieren und einzubeziehen sind. Wie bedingt diese Innovation eine Neuorientierung des Sportunterrichts?
        Das Potential von VR für Körpererfahrung (Bielefeld, 1991; Neuber, 2021) im Sinne eines mehrperspektivischen Sportunterrichts ist noch unerforscht und es bestehen Unsicherheiten aus medizinischer und pädagogischer Perspektive (Zender et al., 2022). (Sport-)Lehrkräfte sowie Studierende bewegen sich in diesem Spannungsfeld. Die kompetenzorientierte Lehr- und Lernform Service-Learning (Schank et. al, 2020) ermöglicht eine phasenübergreifende Zusammenarbeit an gesellschaftlich relevanten Bedarfen. Dazu entwickeln in einem Hochschulprojekt MA-Studierende und Lehrkräfte konkrete Lernarrangements mit VR, setzen sie um und reflektieren sie. Untersucht werden Gelingensbedingungen und die didaktischen Möglichkeiten für den Sportunterricht.

        Methoden
        Drei Ratingkonferenzen, in denen Studierende und Lehrkräfte ihre Arbeitsergebnisse diskutieren, sowie zehn Leitfadeninterviews mit Lehrkräften wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2018) bzw. deduktiver und induktiver Kategoriensysteme analysiert.

        Ergebnisse und Diskussion
        Die Selbsterfahrung von VR ist von zentraler Bedeutung. Die Beteiligten beschreiben Irritationsmomente hinsichtlich ihrer eigenen Körpererfahrung, sehen konkrete (leistungsbezogene) Anwendungsmöglichkeiten und Chancen zur Körpererfahrung mittels VR, benennen aber Grenzen wie organisatorische Rahmenbedingungen. Die Perspektive der Studierenden wird in weiteren Arbeiten fokussiert.

        Literatur
        Bielefeld, J. (1991). Körpererfahrung. Grundlage menschlichen Bewegungsverhaltens. Hogrefe.
        Kuckartz, U. (2018). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Grundlagentexte Methoden. Beltz.
        Kultusministerkonferenz (2021): Lehren und Lernen in der digitalen Welt. Die ergänzende Strategie "Bildung in der digitalen Welt". Abruf unter https://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2021/2021_12_09-Lehren-und-Lernen-Digi.pdf
        Neuber, N. (2021). Wahrnehmung und Körpererfahrung. In: Fachdidaktische Konzepte Sport II. Basiswissen Lernen im Sport (S. 31-50). Springer.
        Schank, C., Biberhofer, P., Halberstadt, J., & Lorch, A. (2020). Service Learning als kompetenzorientierte Lehr- und Lernform. In C. Fridrich, R. Hedtke & W. O. Ötsch (Hrsg.), Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft. Grenzen überschreiten, Pluralismus wagen – Perspektiven sozioökonomischer Hochschullehre (S. 217-239). Springer.
        Zender, R., Buchner, J., Schäfer, C., Wiesche, D., Kelly, K. & Tüshaus, L. (2022). Virtual Reality für Schüler:innen: Ein «Beipackzettel» für die Durchführung immersiver Lernszenarien im schulischen Kontext. MedienPädagogik(47), 26–52.

        Speakers: David Wiesche (Universität Duisburg-Essen), Helena Sträter (Bergische Universität Wuppertal), Caterina Schäfer (Universität Duisburg-Essen)
    • 10:45 12:15
      AK 3.2: Professionalisierung FEL03

      FEL03

      Convener: Jan Erhorn
      • 10:45
        Schwimmen lernen in der Kita – Entwicklung und Evaluation eines Qualifizierungskonzepts für Fachkräfte und Sportstudierende 20m

        Mehr als ein Fünftel der Grundschulkinder sind in Deutschland nicht schwimmfähig und insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern sind betroffen (DLRG, 2022). Dies ist auch auf den Mangel von niedrigschwelligen Angeboten und qualifizierten Lehrpersonen vor Schuleintritt zurückzuführen (Staub, Nobis & Bieder, 2017), weshalb im von der Bohnenkamp-Stiftung geförderten Projekt „Schwimmen lernen in der Kita“ ein Format für die Erschließung des Bewegungsraums Wasser sowie ein darauf bezogenes Qualifizierungskonzept für Kita-Fachkräfte und Sportstudierende entwickelt wird.

        Theoretischer Rahmen
        Als wichtige Grundlage für Formate zur Erschließung des Bewegungsraums Wasser werden die basic aquatic skills (BAS) betrachtet (Vogt & Staub, 2020). Didaktische Bezugspunkte zur Vermittlung dieser im Kita-Alter sind kindliche Aktionsformen, geeignete räumliche Arrangements und pädagogische Interaktionsformen (Erhorn, 2015). Darüber hinaus benötigen die Lehrpersonen professionelle Kompetenzen, welche als Kontinuum von Dispositionen, situationsspezifischen Fähigkeiten und Performanz betrachtet und u.a. durch Verfahren der Fallarbeit geschult werden können (Erhorn, Langer & Möller, 2020).

        Methodisches Vorgehen
        Das Projekt folgt dem design-based research Ansatz (McKenney & Reeves, 2014), wobei in einem ersten Schritt der Literatur- und Forschungsstand zur Wassergewöhnung und zum Anfangsschwimmen systematisch ausgewertet und in ein darauf bezogenes Qualifizierungskonzept entwickelt wurde. Diese wurden zunächst in einer Partnerkita durchgeführt und videografiert. Dabei werden relevante Anforderungssituationen ausgemacht und für deren Bewältigung benötigte Kompetenzen ermittelt (Erhorn, Setzer & Wohlers, 2019). Die Angebotsformate werden weiterentwickelt und in einem zweiten Durchführungszyklus mit dem Instrument Assessment of Basic Aquatic Skills (ABAS) (Vogt & Staub, 2020) auf ihre Wirksamkeit untersucht.

        Ausgewählte Ergebnisse
        Im Rahmen des Vortrages sollen Ergebnisse des Reviews, Bezugspunkte für ein wissenschaftlich fundiertes Format zur Vermittlung von BAS im Kita-Alter und ein darauf aufbauendes Qualifizierungskonzept für Kita-FK vorgestellt werden.

        Literatur
        Erhorn, J. (2015). Urbane Bewegungsräume mit Kindern erobern. Theoretische Vorüberlegungen. In J. Erhorn & J. Schwier (Hrsg.), Die Eroberung urbaner Bewegungsräume. SportBündnisse für Kinder und Jugendliche (S. 89-107). Bielefeld: transcript.
        Erhorn, J., Langer, W., & Möller, L. (2020). Förderung und Evaluation von situationsspezifischen Fähigkeiten für einen inklusiven Sportunterricht. QfI - Qualifizierung für Inklusion, 2 (1).
        Erhorn, J., Setzer, M. & Wohlers, J. (2019). Professionelle Kompetenzen von Sportlehrkräften ermitteln? Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge, 60 (2), 154-178.
        Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. (2022). Zahl der Nichtschwimmer im Grundschulalter hat sich verdoppelt. DLRG-Pressestelle.
        McKenney, S., & Reeves, T. (2014). Educational design research. In Handbook of Research on Educational Communications and Technology (4th ed.; pp. 401-412). Springer.
        Staub, I., Nobis, N. & Bieder, A. (2017). Schwimmunterricht in der Grundschule. Eine Befragung von Lehrkräften in Nordrhein-Westfalen. Sportunterricht, 66 (2), 49-55.
        Vogt, T. & Staub, I. (2020). Assessment of basic aquatic skills in children: Inter-rater reliability of coaches, teachers, students and parents. Journal of Physical Education and Sport, 20 (2), 577-583.

        Speakers: Maria Rücker, Björn Brandes, Jan Erhorn
      • 11:05
        Aufgabenanalysefähigkeit von Sportlehrkräften – Kompetenztheoretische Positionierung und empirische Zugänge 20m

        Eine berufliche Kernaufgabe von Sportlehrkräften besteht darin, sportunterrichtliche Lernprozesse anzubahnen (Bräutigam, 2015). Um diese Herausforderung erfolgreich zu bewältigen, müssen Sportlehrkräfte das individuelle Kompetenzniveau der Schülerinnen und die Schwierigkeit der von ihnen gestellten Aufgaben aufeinander abstimmen. Dazu benötigen sie diagnostische Kompetenzen, mit denen sie die Anforderungen in Aufgaben analysieren können. In der Sportpädagogik wurde die Aufgabenanalysefähigkeit bislang nicht untersucht. Dies liegt u.a. daran, dass unterschiedliche Ansätze zur Beschreibung der Kompetenzen von Sportlehrkräften vorliegen (Seyda, 2020) und zudem kontrovers diskutiert wird, was Schülerinnen im Sportunterricht lernen sollen. Hier setzt der Vortrag an und geht unter der aktuell viel thematisierten, aber keineswegs unumstrittenen, kompetenztheoretischen Sichtweise der Frage nach, wie gut Sportlehrkräfte das kognitive und motorische Anforderungsniveau in sportunterrichtlichen Aufgaben beurteilen können.

        Methode
        Mithilfe eines multimethodischen Vorgehens wurden kompetenzförderliche Aufgaben systematisch entwickelt und von N=18 Expertinnen (je n=6 Hochschullehrende, promovierte Sportdidaktikerinnen und Fachleiterinnen Sport aus NRW) in Bezug auf ihre kognitiven und motorischen Anforderungen beurteilt. Darauf aufbauend wurden acht Aufgabenpaare gebildet, die sich hinsichtlich ihres Anforderungsniveaus systematisch unterscheiden. In einem paarweisen Vergleich schätzten abschließend N=62* Sportlehrkräfte das jeweils höhere kognitive und motorische Anforderungsniveau der Aufgaben ein (angelehnt an Rieu et al., 2020).

        Ergebnisse & Ausblick
        Insgesamt beurteilen Sportlehrkräfte kognitive Anforderungen (76,6% korrekte Urteile) etwas besser als motorische Anforderungen (67,6% korrekte Urteile). Zudem konnte kein Zusammenhang zwischen der Fähigkeit zur Beurteilung der kognitiven und der motorischen Anforderungen festgestellt werden. Diese Ergebnisse könnten ein Hinweis darauf sein, dass beide Beurteilungen auf unterschiedlichen Fähigkeiten basieren. In der Studie wurde darüber hinaus der Einfluss verschiedener Merkmale (u.a. Berufserfahrung) auf die Beurteilungsleistung untersucht. Die Ergebnisse werden im Vortrag präsentiert und ihre Bedeutung für die Sportlehrkräfteprofessionalisierung vor dem Hintergrund der kompetenztheoretischen Positionierung diskutiert.

        Literatur
        Bräutigam, M. (2015). Sportdidaktik. Ein Lehrbuch in 12 Lektionen (Sportwissenschaft studieren, Band 3). Meyer & Meyer.
        Rieu, A., Loibl, K., Leuders, T., & Herppich, S. (2020). Diagnostische Urteile als informationsverarbeitender Prozess – Wie nutzen Lehrkräfte ihr Wissen bei der Identifizierung und Gewichtung von Anforderungen in Aufgaben? Unterrichtswissenschaft, 48, 503-529.
        Seyda, M. (2020). Sportlehrerinnenkompetenzen und Lehrerinnenprofessionalität. In E. Balz, C. Krieger, W. D. Miethling & P. Wolters (Hrsg.), Empirie des Schulsports (S. 217-241). Meyer & Meyer.

        Speaker: Philipp Hendricks (Tu Dortmund)
      • 11:25
        Kooperatives Lernen im Schulsport - Qualitatives Interview von Lehrkräften zu Gelingensbedingungen 20m

        Theorie Kooperatives Lernen (KL) kann als Unterrichtsstruktur angesehen werden, die einen adäquaten Umgang mit der Diversität der S:S im Schulsport ermöglicht. Bisher wurden vielfältige positive Effekte von KL im Schulsport auf die psycho-physio-soziale Gesundheit nachgewiesen (Schulze & von Huth, 2022), allerdings fehlen Analysen zu den Anwendungspraktiken. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, mittels problemzentrierter Interviews mit Lehrpersonen Informationen zu den Umsetzungsstrategien und Gelingensbedingungen von KL zu erlangen.
        Methodik Die leitfadengestützten Interviews wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring, 2010) ausgewertet. Die Kategorisierung erfolgte durch zwei unabhängige Personen und wurde anschließend durch einen weiteren Kodierer auf Übereinstimmung geprüft. Daraufhin erfolgte eine Typisierung des Lehrpersonenverhaltens durch die Bildung charakteristischer Verhaltensmuster innerhalb kooperativer Lernstrukturen, um Umsetzungsstrategien zu evaluieren, die zu einem gelingenden Einsatz beitragen können.
        Ergebnisse Insgesamt nahmen 20 Lehrpersonen an der Untersuchung teil (Durchschnittsalter=42,75±11,84 Jahre; 45% männlich). Die Interraterreliabilität wies eine beachtliche Übereinstimmung auf (Cohens Kappa=0,735; Landis & Koch (1977)). In der Analyse konnten fünf Typen des Lehrpersonenverhaltens festgestellt werden: Lehrpersonen mit (1) vermeidendem Verhalten; (2) resignierendem Verhalten; (3) flexiblen Vorbereitungs- und Umsetzungsstrategien; (4) theoriegeleiteten Vorbereitungs- und Umsetzungsstrategien und (5) theoriegeleiteten Vorbereitungs- und flexiblen Umsetzungsstrategien. Typ 5 Lehrpersonen setzen kooperatives Lernen frequent und erfolgreich im Sportunterricht ein.
        Diskussion Innerhalb der Umsetzung von KL im Schulsport kann angenommen werden, dass eine theoriegeleitete Vorbereitung (Rituale, Regeln, Gruppenaufteilung) und eine flexible Umsetzung (Wegnahme von einzelnen Phasen der KL, Möglichkeit der Einzelarbeit von S:S) wichtige Gelingensbedingungen darstellen. Lehrkräfte sollten Weiterbildungsmöglichkeiten für KL erhalten und wahrnehmen, um die theoretischen Umsetzungsstrategien zu verinnerlichen. Ebenfalls ist es essentiell, dass die Lehrpersonen die individuellen Voraussetzungen ihrer Klasse beachten und KL entsprechend anpassen können. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die Sicht der S:S bezüglich KL zu analysieren.
        Literatur
        Landis, J. R., & Koch, G. B. (1977). The Measurement of Observer Agreement For Categorial Data. Biometrics, 33(1), 159-174.
        Mayring, P. (2010). Qualitative Inhaltsanalyse. In G. Mey & K. Mruck (Eds.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie (pp. 601-613). Wiesbade: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
        Schulze, C., & von Huth, M. (2022). Effects of cooperative learning structures in physical education: a systematic review. International Journal of Physical Education, Fitness and Sports, 11(4).

        Speakers: Carolin Schulze (Chemnitz University of Technology), Linda Albert (Chemnitz University of Technology), Bruno Rümmler (Chemnitz University of Technology), Leona Freudenberg (Chemnitz University of Technology), Marcus von Huth (Business & Law School Berlin)
      • 11:45
        Entwurf einer Typologie von Reflexionsgesprächen von Sportlehrkräften und Schüler:innen der Sekundarstufe I – Ergebnisse einer videographischen Untersuchung der sportunterrichtlichen Praxis 20m

        Reflexionsprozesse sind an Sprache gebunden und können somit im Rahmen von Unterrichtsgesprächen verbalisiert werden. Im pädagogisch-didaktischen Kontext wird der Reflexion, interpretiert als lohnenswerte Verarbeitung von Erlebnissen, eine große Bedeutung bei der Einlösbarkeit der pädagogischen Ansprüche des Sportunterrichts zugesprochen (Wolters, 2022). Studien zeigen jedoch, dass Reflexionsgespräche im Sportunterricht den an sie gestellten Ansprüchen nur selten gerecht werden (Hapke, 2018). Da die Unterrichtspraxis in diesem Bereich nur unzureichend erforscht ist, wird im Rahmen des Dissertationsprojekts untersucht, wie Reflexionsgespräche unter variierenden Bedingungen von Sportlehrkräften und Schüler:innen in der Sekundarstufe I geführt werden.

        Als Grundlage dient ein Datenkorpus aus dem QIS-Projekt (Erhorn & Langer, 2022). Dieser umfasst u.a. 23 Unterrichtsdoppelstunden aus der Sekundarstufe, die sowohl mit einer auf die Lehrkraft (inkl. Funkmikrofon) als auch auf die Lerngruppe ausgerichteten Kamera dokumentiert wurden. Das Datenmaterial wurde mittels Verfahrensweisen der Grounded Theory (vgl. Strauss & Corbin) ausgewertet und aufgrund dessen eine Typologie von Reflexionsgesprächen entwickelt (vgl. Kelle & Kluge, 2010).

        Insgesamt konnten vier Reflexionsgesprächstypen gebildet werden, die sich sowohl hinsichtlich Ihrer Zielsetzung als auch ihrer Form unterscheiden: Der problemlösende Reflexionsdialog und -monolog, sowie der überprüfende und der rückbesinnende Reflexionsdialog. Auf differente Reflexionsanlässe folgten unterschiedliche Strategien der Lehrkräfte, um eine Irritation im Gespräch aufzugreifen. Die Ergebnisse geben einen Hinweis darauf, dass das Führen von Reflexionsgesprächen für Lehrkräfte ein von Ambivalenz geprägtes pädagogisches Handeln darstellt. Je nach Anlass muss vor dem Hintergrund pädagogischer Zielsetzungen und kontextueller Bedingungen durch die Lehrkraft abgewogen werden, ob bzw. in welcher Form mehr oder weniger irritierende Vorkommnisse aufgegriffen werden sollen. Um genauer zu verstehen, worin das Handeln der Lehrkräfte begründet liegt und wie es verbessert werden kann, sollten weitere Studien und eine Überführung in die Sportlehrkräftebildung fokussiert werden.

        Literatur
        Erhorn, J. & Langer, W. (2022). Qualifizierung angehender Sportlehrkräfte für einen inklusiven Sportunterricht. In D. Lutz et al. (Hrsg.), Qualifizierung für Inklusion. Sekundarstufe (S. 101-114). Münster: Waxmann.
        Hapke, J. (2018). Pädagogische Perspektiven im Handeln von Sportlehrenden – eine zentrale Fachdidaktische Idee zwischen Anspruch und Wirklichkeit. ZSF, 6(1), 29-48.
        Kelle, U. & Kluge, S. (2010). Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung. Wiesbaden: VS Verlag.
        Strauss, A. L. & Corbin, J. (1996): Grounded Theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.
        Wolters, P. (2022). Philosophiedidaktik als Ideengeberin für die Sportdidaktik? Sportunterricht, 71(1), 8-13.

        Speaker: André Meister (Institut für Sport und Bewegungswissenschaft)
    • 10:45 12:15
      AK 3.3: Erzieherische Aspekte im Sportunterricht Lesesaal

      Lesesaal

      Convener: Tim Heemsoth (Europa-Universität Flensburg)
      • 10:45
        Agentic Engagement in der Primarschule: Wenn Schüler:innen aktiv versuchen, ihren Sportunterricht zu verbessern 20m

        Einleitung
        Agentic engagement beschreibt die bewussten und disruptiven Anstrengungen von Schüler:innen, ihre Lernbedingungen direkt zu verbessern indem sie versuchen, ihre Lehrperson zu beeinflussen (Reeve & Jang, 2022). Die Schüler:innen ergreifen dabei selbst Initiative, um den Unterrichtsverlauf, durch direktes Aushandeln mit der Lehrperson, zu verändern (Vaughn, 2021). Aufgrund des konstruktiven Charakters von agentic engagment kann dies als Weg zur Ko-Konstruktion von Unterricht gesehen werden, da Schüler:innen dabei mit dem Ansinnen nach Verbesserung, Veränderung, Anpassung, Entwicklung oder Mitbestimmung des Unterrichts handeln (Reeve, 2011).
        Obwohl dieses Handeln grundlegend für die Annahme einer „doppelten Paradoxie des Sportunterrichts“ (vgl. Prohl, 1999, S. 1003ff.) ist beschränken sich bisherige Studien zur Beobachtung auf den universitären Bereich (Montenegro, 2019) oder andere Unterrichtsfächer (Reeve, 2004). Dementsprechend zielt dieser Beitrag darauf ab, das Konzept des agentic engagments auf den Sportunterricht in der Primarschule zu übertragen und die Prävalenz des Verhaltens aufzuklären.

        Methode
        Basierend auf einer Datenlage von je zwei videografierten Unterrichtslektionen aus 39 Klassen, welche im Laufe eines sechswöchigen Vollzeitpraktikums gegen Anfang bzw. gegen Ende erstellt wurden, soll ein Überblick über die Häufigkeit von agentic engagment und die Ziele des Handelns gewonnen werden. Dabei sollen selbstinitiierte Schüler:innen-Lehrer:innen-Interaktionen vor dem Hintergrund der aktuellen Aufgabe (erwartetes oder unerwartetes Verhalten) eventbasiert analysiert, als agentic oder nicht agentic codiert und nach den verfolgten Ziele kategorisiert werden.

        Ergebnisse
        Am Kongress soll neben der Vorstellung dieser relativ neuen Erweiterung des Engagement Konstrukts, eine theoretische Abgrenzung von anderen Verhaltensweisen vorgenommen werden. Zudem werden erste Ergebnisse einzelner Klassen, sowie konkrete Beispiele aus dem Unterricht präsentiert und diskutiert werden.

        Literatur
        Montenegro, A. (2019). Why are students’ self-initiated contributions important(?) A study on agentic engagement. International Journal of Sociology of Education, 8(3), 291–315. https://doi.org/10.17583/rise.2019.4540
        Prohl, R. (1999). Grundriss der Sportpädagogik. Limpert.
        Reeve, J., & Jang, H. (2022). Agentic Engagement. In A. L. Reschly & S. L. Christenson (Hrsg.), Handbook of Research on Student Engagement (S. 95–107). Springer International Publishing. https://doi.org/10.1007/978-3-031-07853-8_5
        Reeve, J., Jang, H., Carrell, D., Jeon, S., & Barch, J. (2004). Enhancing Students’ Engagement by Increasing Teachers’ Autonomy Support. Motivation and Emotion, 28(2), 147–169. https://doi.org/10.1023/B:MOEM.0000032312.95499.6f
        Reeve, J., & Tseng, C.-M. (2011). Agency as a fourth aspect of students’ engagement during learning activities. Contemporary Educational Psychology, 36(4), 257–267. https://doi.org/10.1016/j.cedpsych.2011.05.002
        Vaughn, M. (2021). Student agency in the classroom: Honoring student voice in the curriculum. Teachers College Press.

        Speaker: Clemens Berthold
      • 11:05
        Koedukativer Sportunterricht aus Sicht tänzerisch aktiver Schülerinnen 20m

        Einleitung
        Die Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen im Sportunterricht ist durch eine Vielzahl von Beiträgen aus der sportwissenschaftlichen Koedukationsforschung belegt (Mutz & Burrmann, 2014). Während die Konsequenzen der Nicht-Berücksichtigung von Gestaltungssportarten für breitensportlich orientierte und sportschwache Schülerinnen schon weitreichend beleuchtet wurden, fehlt bislang ein fokussierender Blick auf die Folgen, die ein an einem männlichen Sportverständnis orientierter Sportunterricht auf die spezifische Gruppe hochsportiver Tänzerinnen haben kann. Die Studie widmet sich der Frage, wie tänzerisch aktive Schülerinnen ihren Sportunterricht wahrnehmen.

        Methode
        Die Datenbasis liefern 28 leitfadengestützte Interviews, die mit tänzerisch hochsportiven Schülerinnen durchgeführt wurden. 14 Schülerinnen besuchen aktuell die Sek I, weitere 14 sind ehemalige Schülerinnen, die heute als Profitänzerinnen oder Tanztrainerinnen arbeiten und ihren Sportunterricht retrospektiv betrachten. Die Interviewpartnerinnen sind in unterschiedlichen Tanzstilen aktiv (Hip Hop, Ballett, Rhythmische Sportgymnastik, Jazz, Breakdance; Musical Dance). Die Daten wurden qualitativ inhaltsanalytisch aus-gewertet.

        Ergebnisse
        Alle Interviewpartnerinnen betrachten ihren Sportunterricht (retrospektiv) als an den Inte-ressen der Jungen ausgerichtet, nehmen dies jedoch überwiegend als selbstverständ-lich wahr und reflektieren die Ungleichbehandlung nur vereinzelt als ungerecht. Ihre Sportnoten sind mit denen sportschwacher Schülerinnen vergleichbar. Während sie sich selbst als hoch sportiv einschätzen, werden sie von ihren Sportlehrern und Mitschülern in der Regel als unsportlich eingestuft und erleben häufig eine Entwertung ihrer tänzerischen Kompetenzen.

        Diskussion
        Die Ergebnisse zeigen, dass auch Schülerinnen, die im hohen Maße wettkampf- und leistungsorientiert sind, und damit einem eher männlichen Sportverständnis entsprechen, im Sportunterricht scheitern, wenn die von ihnen durchgeführten Sportarten nicht unterrichtet werden. Dass sich die Ergebnisse unabhängig von der Tanzdisziplin und dem Alter der Interviewpartnerinnen zeigen, verweist einmal mehr auf ein Nicht-Einlösen der pädagogischen Potenziale eines reflexiv koedukativen Sportunterrichts.

        Literatur
        Mutz, M., & Burrmann, U. (2014). Sind Mädchen im koedukativen Sportunterricht systematisch benach-teiligt? Neue Befunde zu einer alten Debatte. Sportwissenschaft, 44(3), 171-181.

        Speakers: Uta Czyrnick-Leber, Dennis Batdorf, Miriam Jordis Kuhrs, Lennart Kleigrewe, Jerome Lause, Mario Quiering
      • 11:25
        Zwischen Lehrplänen, Lehrmitteln und Gesetzen – eine Standortbestimmung zum koedukativen Sportunterricht in der Schweiz 20m

        Problemstellung
        In der Schweiz hat die sportliche Aktivität der Mädchen sowie der jungen Frauen in den letzten Jah-ren zugenommen. Die Knaben und jungen Männer weisen im Vergleich nach wie vor auf jeder Al-tersstufe sowie in allen Sprachregionen eine höhere Sportaktivität auf (Lamprecht, Bürgi, Gebert & Stamm, 2021). Der Bewegungs- und Sportunterricht an Schulen wird als wichtiger Faktor bei der Förderung sportlicher Aktivität betrachtet. Es stellt sich somit die Frage wie das Fach Bewegung- und Sport in den einzelnen Kantonen der Schweiz unterrichtet wird, um den Geschlechtern gerecht zu werden.
        Eine mögliche Umsetzung ist der koedukative Sportunterricht, d.h. die gemeinsame Teilnahme von Mädchen und Knaben am Bewegungs- und Sportunterricht (u.a. Alfermann, 1995; Faulstick & Her-stkemper, 1995; Mutz & Burrmann, 2014).
        Das Bundesgesetz beinhaltet derweil keine Vorgaben hinsichtlich des koedukativen Sportunterrichts. In der mehrsprachigen Schweiz haben während der obligatorischen Schulzeit in erster Linie die ins-gesamt 26 Kantone die Verantwortung für das Bildungswesen. Im vorliegenden Beitrag soll dem-nach untersucht werden welche Kantone koedukativen Sportunterricht umsetzen und inwiefern die-se mit den sprachregionalen Lehrplänen in Verbindung gebracht werden können.

        Methodisches Vorgehen
        Mithilfe einer qualitativen Umfrage bei den kantonalen Volksschulämtern wurde eine Standortbe-stimmung der aktuellen Situation hinsichtlich des koedukativen Sportunterrichts in den insgesamt 26 Kantonen der Schweiz vorgenommen. Zudem wurde eine inhaltliche Dokumentenanalyse der kantonalen Gesetzgebungen und Reglemente sowie der sprachregionalen Lehrpläne durchgeführt.

        Befunde und Diskussion
        Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass stufenspezifische, kantonale sowie sprachregionale Unter-schiede vorliegen. Die vorliegende Studie könnte somit einen relevanten Beitrag zum Verständnis des politischen Bildungssystems hinsichtlich des koedukativen Sportunterrichts in der Schweiz leis-ten.

        Literatur
        Alfermann, D. (1992). Koedukation im Sportunterricht. Sportwissenschaft, 22(3), 323-343.
        Faulstich-Wieland, H. & Herstkemper, M. (1995). „Trennt uns bitte, bitte nicht!“. Koedukation aus Mädchen- und Jungensicht. Leske und Budrich.
        Lamprecht, M., Bürgi, R., Gebert, A. & Stamm, H.P. (2021). Sport Schweiz 2020: Kinder- und Ju-gendbericht. Bundesamt für Sport BASPO.
        Mutz, M. & Burrmann, U. (2014). Sind Mädchen im koedukativen Sportunterricht systematisch benachteiligt? Neue Befunde zu einer alten Debatte. Sportwissenschaft, 44(3), 171-181.

        Speaker: Christelle Hayoz (Pädagogische Hochschule Freiburg, Schweiz)
      • 11:45
        Messung und Förderung einer demokratischen Handlungskompetenz im Sportunterricht 20m

        In der Unterrichtsforschung wird in den letzten Jahren gefordert, bei Kindern und Jugendli-chen eine demokratische Handlungskompetenz zu fördern (Beutel et al., 2022). Für den Sportunterricht ist bis heute jedoch unklar, wie genau sich eine solche Kompetenz konzeptua-lisieren, messen und fördern lässt. So lässt sich hinsichtlich der Konzeptualisierung anneh-men, dass insbesondere den Komponenten Einstellungen, Urteilsfähigkeit und Handlungsfä-higkeit eine besondere Rolle zukommt. Hinsichtlich der Förderung wird angenommen, dass das Kultivieren von Konflikten eine zentraler Motor ist (z. B. Amesberger & Ahns, 2020; Derecik et al., 2018). Im vorliegenden Beitrag wird auf Basis dieser Annahmen die Messbar-keit und Förderung einer demokratischen Handlungskompetenz empirisch untersucht.

        Methode
        Nach einer theoretischen Konzeptualisierung und zufriedenstellenden Pilotierung eines Schü-ler:innenfragebogens zur Selbsteinschätzung der demokratischen Handlungskompetenz hin-sichtlich der zuvor genannten Komponenten wurde eine Intervention zur Förderung eben die-ser entwickelt. Hierfür wurde eine Unterrichtseinheit zum Thema Spiele entwickeln konzipiert, in der das Kultivieren von Konflikten angesprochen wurde. Anschließend wurde eine experi-mentelle Studie im Pre-Intervention-Post-Design durchgeführt. Hierfür wurden insgesamt 332 Schüler:innen auf eine Interventionsgruppe und eine Kontrollgruppe verteilt.

        Befunde
        Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich die demokratische Handlungskompetenz relativ gut durch ein 3-Faktor-Modell (Einstellungen, Urteilsfähigkeit und Handlungsfähigkeit) abbilden lässt (χ2 = 35,58; df = 24; p = 0,06; CFI = 0,99; TLI = 0,98; RMSEA = 0,04; SRMR = 0,04). Die entwickelte Intervention führt zu einem bedeutsamen Anstieg bei den Komponenten Urteilsfä-higkeit und Handlungsfähigkeit, aber nicht zu signifikant stärkeren Einstellungen.

        Diskussion
        Insgesamt liegen das erste empirisch überprüfte Instrument zur Messung und die erste, mit quantitativen Methoden überprüfte, Intervention zur Förderung einer demokratischen Hand-lungskompetenz im Sportunterricht vor.

        Literatur
        Amesberger, G., & Ahns, M. (2020). Demokratiebildende Potenziale des Unterrichtsfaches Bewegung und Sport. In R. Ammerer, Heinrich; Geelhaar, Margot; Palmstorfer (Hrsg.), Demokratie lernen in der Schule (S. 201–217). Waxmann. https://doi.org/10.31244/9783830991946
        Beutel, W., Gloe, M., Himmelmann, G., Lange, D., Reinhardt, V., & Seifert, A. (2022). „... das macht sich doch alles nicht von selbst“ - Auftakt zu einem Handbuch Demoraktiepädagogik. In W. Beutel, M. Gloe, G. Himmelmann, D. Lange, V. Reinhardt, & A. Seifert (Hrsg.), Handbuch Demokratiepädagogik (S. 9–19). Wochenschau Verlag.
        Derecik, A., Goutin, M.-C., & Michel, J. (2018). Partizipationsförderung in Ganztagsschulen Innovative Theorien und komplexe Praxishinweise (Springer V). https://doi.org/10.1007/978-3-658-17072-1

        Speakers: Mikesch Bouchehri, Tim Heemsoth (Universität Flensburg), Claus Krieger (Universität Hamburg)
    • 10:45 12:15
      AK 3.4: Psychosoziale Ressourcen in unterschiedlichen Bildungssettings Hörsaal

      Hörsaal

      Conveners: Nicola Böhlke (Institut für Sportwissenschaft und Bewegungspädagogik), Ralf Sygusch (dvs)
      • 10:45
        Psychosoziale Ressourcen im Sport – ein Integratives Review in sportpädagogischem Interesse 20m

        Einleitung
        Kinder- und Jugendsport werden Bildungspotenziale zugeschrieben, die psychosoziale Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung betreffen. Grundlage dazu ist die Annahme, dass Sport neben motorischen auch psychosoziale Anforderungen umfasst. Diese können als Herausforderungen für eine gelingende Teilhabe, Handlungs- und Leistungsfähigkeit im Sport aufgefasst werden (Sygusch et al., 2022). In der sportpädagogischen Diversitätsdebatte werden psychosoziale Anforderungen auch als Barrieren für die Teilhabe am Sport diskutiert (u.a. Böhlke, 2019). Diese Blickwinkel werden mit dem Zielfernrohr einer Bildung im Sport zusammengedacht. Ziel ist es, solche Ressourcen zu identifizieren, die für die Bewältigung psychosozialer Anforderungssituationen relevant sind und diese im Kontext von Bildung im organisierten Kinder- und Jugendsport sowie der sportpädagogischen Diversitätsdebatte zu reflektieren.

        Methode
        Im Rahmen eines Integrativen Reviews (Whittemore & Knafl, 2005) wurden in sozial- und sportwissenschaftlichen Datenbanken solche Beiträge (2000-2022) recherchiert, die über theoretische bzw. empirische Zugänge die Relevanz psychosozialer Ressourcen im Sport thematisieren. Im sukzessiven Auswahlverfahren wurden 42 Beiträge identifiziert, in denen jeweils mehrere Ressourcen (bspw. in Modellen) gebündelt behandelt werden. Im iterativen Analyseverfahren (Ordnung, Kodierung, Kategorisierung) wurden die Beiträge zunächst 3 Kategorien – je nach thematischem Zugang – zugeordnet: Psychosoziale Ressourcen (1) als Determinanten sportlicher Leistungen, (2) im Rahmen von Talentförderung sowie (3) von Bindung/Dropout.

        Ergebnisse und Ausblick
        Die Mehrzahl der Beiträge ist sportpsychologisch ausgerichtet, fokussiert (Nachwuchs-)Leistungssport und thematisiert vereinzelt sportpädagogische Implikationen (u. a. gezielte Förderabsichten). Rein sportpädagogische Ansätze liegen nicht vor. Als zentrale Ressourcen werden Motivation und Volition herausgestellt. Uneinheitlich werden Selbstwirksamkeit, Emotionsregulation sowie Wahrnehmungsfähigkeit thematisiert. Nachrangig werden, insbesondere im Kontext Mannschaftsport, soziale Ressourcen (u. a. Kommunikationsfähigkeit) betont. Im sportpädagogischen Interesse wären Bildungskonzeptionen sowie Diversitätsdiskurse sinnvoll, die die Funktion psychosozialer Ressourcen im Kinder- und Jugendsport settingspezifisch aufgreifen.

        Literatur
        Böhlke, N. (2019). Wie Jugendliche mit psychischen Störungen Sport erleben. Eine qualitative Studie. Feldhaus.
        Whittemore, R., & Knafl, K.A. (2005). The integrative review: updated methodology. Jour-nal of advanced nursing, 52(5), 546-53.
        Sygusch, R., Muche, M. & Herrmann, C. (2022). Persönlichkeits- und Teamentwicklung im Sport – Konzeptentwicklung zwischen normativen Ansprüchen, theoretischer Fundierung und empirischer Prüfung. In N. Neuber (Hrsg.), Kinder- und Jugendsportforschung in Deutschland – Bilanz und Perspektive (S. 245-270). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30776-9_12

        Speakers: Ralf Sygusch (dvs), Nicola Böhlke (dvs)
      • 11:05
        Das Leid der Schüler:innen im Sportunterricht. Empirische Befunde und kritische Reflexionen 20m

        Gleichwohl dem Sportunterricht durch seine inhaltliche Ausrichtung auf Bewegungsaktivitäten besondere Potenziale für Gesundheit und Wohlbefinden zugeschrieben werden, erleben einzelne Schüler:innen im Sportunterricht immer wieder Situationen, die sie (etwa aufgrund von Beschämung, Gewalt oder sozialer Ausgrenzung) nachhaltig belasten können (u. a. Wiesche & Klinge, 2017). Das damit verbundene Leiden der Schüler:innen erhält in der sportpädagogischen Community jedoch kaum Aufmerksamkeit. Der geplante, aus einem laufenden Drittmittelprojekt hervorgehende Vortrag nimmt dies zum Anlass, systematisch empirische Befunde zu belastenden Erlebnissen von Schüler:innen in Bezugnahme auf verschiedene sportunterrichtliche Situationen vorzustellen. Durch eine damit einhergehende Betrachtung der unterrichtlichen Bedingungsgefüge, die für das situative Erleben der Schüler:innen entscheidend sind, tragen wir in Anschluss an den internationalen Diskurs der ‚critical pedagogy‘ (u. a. Fitzpatrick, 2019) zu einer sozial-kritischen Reflexion der Grundverhältnisse sportunterrichtlicher Praxis bei.

        Psychosozial belastende Erlebnisse von Schüler:innen im Sportunterricht verstehen wir aus einer sozialkonstruktivistischen Perspektive als subjektives Erleben von Situationen, welche sich als krisenhaft vom Alltagsgeschehen abheben. Vor diesem Hintergrund wurde eine qualitative Befragung aktueller und ehemaliger Schüler:innen mittels schriftlicher Kurznarrationen (N = 677) durchgeführt, die darin retrospektiv von belastenden Erlebnissen aus ihrem Sportunterricht berichten. Die interpretative Datenauswertung orientierte sich an Kodierverfahren der Grounded Theory (Glaser & Strauss, 2010).

        Wir konnten eine große Bandbreite an sportunterrichtlichen Erlebnissen identifizieren, welche Schüler:innen als belastend empfanden. Darin zeigt sich, dass die Schüler:innen insbesondere durch körperliche Entblößung und Leistungsversagen eine situativ hergestellte Vulnerabilität empfinden, die mitunter folgenreiche soziale Konsequenzen haben kann. In der Analyse der damit verbundenen situativen Bedingungen richtet sich unser Fokus auf das soziale und didaktische Setting des Sportunterrichts. Daran schließt sich im Sinne einer kritischen Reflexion die Frage nach der Verantwortung der eigenen Fachdisziplin an. Es ist zu diskutieren, aus welchem Selbstverständnis heraus die Sportpädagogik sportunterrichtliche Verhältnisse nicht nur von der Außenlinie betrachten, sondern auch verstärkt politisch aktiv zu einer Veränderung pädagogischer Praxis beitragen kann.

        Literatur
        Fitzpatrick, K. (2019). What happened to critical pedagogy in physical education? An analysis of key critical work in the field. European Physical Education Review, 25(4), 1128–1145.
        Glaser, B. G., & Strauss, A. L. (2010). Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung. Hogrefe.
        Wiesche, D., & Klinge, A. (Hrsg.). (2017). Scham und Beschämung im Schulsport. Facetten eines unbeachteten Phänomens. Meyer & Meyer.

        Speakers: Sarah Metz (Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Sportwissenschaften), Benjamin Zander (Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Sportwissenschaften), Ina Hunger (Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Sportwissenschaften)
      • 11:25
        Der professionelle Blick von Sportlehrkräften in Missachtungssituationen des Sportunterrichts 20m

        Einleitung
        Die Heterogenität der Schülerinnen kann Auslöser für Ausgrenzungen im Sportunterricht sein (Schiller et al., 2021). Das Erleben von Kompetenz und Zugehörigkeit ist äußerst relevant (Leisterer & Jekauc, 2019), um bei Individuen negative Folgen von Ausgrenzungsprozessen für die physische und psychische Gesundheit zu vermeiden (Baumeister & Leary, 1995). Sportlehrkräfte haben daher eine besondere pädagogische Verantwortung wahrzunehmen, wie Schülerinnen sportunterrichtliche Kontexte (Grimminger, 2015) für die Gestaltung ihrer Peer-Beziehungen nutzen. Für einen professionellen Umgang mit potenziellen Missachtungssituationen benötigen Sportlehrkräfte einen „professionellen Blick“ (Goodwin, 1994; Reuker, 2018). Das Konzept basiert auf drei Fähigkeiten, die sich in die selektive Aufmerksamkeit, eine fundierte Deutung und die reflektierte Entscheidungsfindung gliedern. Folglich untersucht die Studie, ob und wie Sportlehrkräfte Missachtungssituationen im Sportunterricht wahrnehmen, deuten und wie sie ihre eigene Handlungsentscheidung begründen.

        Methode
        In der aktuell laufenden Studie wird über leitfadengestützte Interviews und videographische Fallbeispiele der professionelle Blick von Sportlehrkräften in Missachtungssituationen des Sportunterrichts untersucht. Über Videovignetten werden die Interviewten angeregt, die für sie bedeutsame Situation zu explizieren und eine Handlungsreaktion zu benennen. Die Aussagen werden transkribiert und mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2018) analysiert.

        Ergebnisse & Diskussion
        Die Studie befindet sich aktuell noch in der Datenerhebung. Erste Ergebnisse können bei der Tagung präsentiert und diskutiert werden. Perspektivisch ermöglichen die Studienergebnisse jedoch nicht nur Einblicke in das professionelle Handeln von Sportlehrkräften in Missachtungssituationen, sondern liefern auch Ansatzpunkte für die Lehrer*innenaus- und fortbildung.

        Literatur
        Baumeister, R. F. & Leary, M. R. (1995). The need to belong: desire for Interpersonal attachments as a fundamental human motivation. Psychological Bulletin, 117 (3),497-529.
        Goodwin, C. (1994). Professional Vision. American Anthropologist, 96 (3), 606-633.
        Grimminger, E. (2015). Missachtungsprozesse unter Schülerinnen und Schülern im Sportunterricht. Sportpädagogik, 39 (1), 40-43.
        Kuckartz, U. (2018). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Beltz.
        Leisterer, S. & Jekauc, D. (2019). Kompetenzerleben und Zugehörigkeit als Determinanten des Affekts im Sportunterricht. ZSF, 7 (1), 5-30.
        Reuker, S. (2018). “Ich unterrichte so, wie es die Ereignisse erfordern“ – Der professionelle Blick von Sportlehrkräften und seine Bedeutung für adaptiven Unterricht. ZSF, 6 (2), 31-52.
        Schiller, D., Rode, D., Zander, B. & Wolff, D. (2021). Orientierungen und Praktiken sportunterrichtlicher Differenzkonstruktionen. Perspektiven praxistheoretischer Unterrichtsforschung im formal inklusiven Grundschulsport. Zeitschrift für Grundschulforschung, 14, 67-81.

        Speaker: Laura Becher (Universität Paderborn)
      • 11:45
        Wie erleben körperunzufriedene Schüler*innen den Sportunterricht? 20m

        Einleitung und Problemstellung
        Körperunzufriedenheit (KUZ) als Facette eines negativen Körperbilds (Cash, 2004) kann bereits im Kindes- und Jugendalter mit psychosozialen Entwicklungsrisiken und gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen assoziiert werden, und ist deswegen mit Blick auf die Besonderheiten des Sportunterrichts ein (sport)pädagogisch relevantes Thema. Der Sportunterricht birgt wegen des deutlichen Körperbezugs die Gefahr für soziale Vergleiche und Bewertungen des Körpers entlang normativer Kriterien wie Gewicht, Proportionalität und Fitness. Infolgedessen wird KUZ mit negativen Erfahrungen im Sportunterricht in Verbindung gebracht, wie z.B. Angst vor dem Sportunterricht (Grimminger-Seidensticker et al., 2019) und geringer Kompetenzerfahrung (Kerner et al., 2018). Bislang gibt es jedoch keine Studien dazu, welche Situationen im Sportunterricht für körperunzufriedene Jugendliche besonders herausfordernd sind und wie Sportlehrkräfte vor diesem Hintergrund ein körperbildsensibles Unterrichtsklima schaffen können. Daher untersucht die Studie, wie körperunzufriedene Schüler*innen den Sportunterricht erleben.

        Methode
        Bislang wurden mit N = 24 körperunzufriedenen Jugendlichen (12-19 Jahre alt), mit verschiedensten Ausprägungen von KUZ (z.B. gewichtsbezogene Änderungswünsche; Muskelsorgen), narrative Interviews durchgeführt. Die Jugendlichen wurden aufgefordert, ihre Erlebnisse und ihr Verhalten im Sportunterricht in Bezug auf bestimmte Unterrichtskontexte und das Verhalten von Sportlehrerinnen und Mitschülerinnen zu erzählen. In einem iterativen Prozess im Sinne der Grounded Theory erfolgen Datenerhebung und -auswertung gleichzeitig.

        Ergebnisse und Diskussion
        Eine erste Auswertung zeigt, dass KUZ das Erleben des Sportunterrichts zu prägen scheint. So zeichnen sich in den Interviewdaten immer wiederkehrende körperbezogene Kontexte und Situationen ab (z.B. Präsentationssituationen, Schwimmunterricht, Umkleidekabinen, Leistungsüberprüfungen), die von den Befragten als besonders verunsichernd und negativ beschrieben werden und die zur Ablehnung des Schulsports führen können. Dabei lassen sich Parallelen zu Erkenntnissen zum Schamerleben, zur Schulsportverweigerung oder zum Erleben von körperlicher Exponiertheit im Sportunterricht erkennen. Zum Zeitpunkt der Tagung können tiefergehende Analyseergebnisse präsentiert und Implikationen für die sportunterrichtliche Inszenierung diskutiert werden.

        Literatur
        Cash, T.F. (2004). Cognitive-behavioral perspectives on body image. In T.F. Cash & T. Pruzinsky (Hrsg.), Body image. A handbook of theory, research, & clinical practice (S. 38-46). Guilford.
        Grimminger-Seidensticker, E., Korte, J., Möhwald, A. & Trojan, J. (2019). Körperunzufriedenheit, Angsterleben und Präferenzen didaktischer Inszenierungen im Sportunterricht der Grundschule. Zeitschrift für sportpädagogische Forschung, 7(2), 73-87.
        Kerner, C., Haerens, L. & Kirk, D. (2018). Body dissatisfaction, perceptions of competence and lesson content in physical education. Journal of School Health, 88(8), 576-582.

        Speaker: Julia Terzic (Universität Paderborn)
    • 10:45 12:15
      Diskussionsforum 2: Von der Bewegungserziehung zur Bewegungsförderung – ein sportpädagogischer Paradigmenwechsel? Sporthalle

      Sporthalle

      Convener: Nils Neuber (Universität Münster)
      • 10:45
        Von der Bewegungserziehung zur Bewegungsförderung – ein sportpädagogischer Paradigmenwechsel? 20m

        Der Begriff der Bewegungserziehung war lange Zeit für die sportpädagogische Auseinandersetzung mit Bewegung, Spiel und Sport gesetzt. Das Handbuch Bewegungserziehung von Renate Zimmer erschien erstmals Anfang der 1990er Jahre. Darin wurde ausführlich begründet, warum und wie pädagogisch verantwortete Bewegungsangebote die Entwicklung von Kindern fördern können (Zimmer, 1993). Viele weitere Ansätze bedienten sich dieser sportpädagogischen Argumentationsfigur. Das Verständnis bildet bis heute auch die Grundlage für die Primarstufendidaktik (Neuber, 2020).
        Parallel diesem Konzept entwickelte sich der Ansatz der Bewegungsförderung. Mitte der 1980er Jahre veröffentlichte Sigrid Dordel unter dem Titel „Bewegungsförderung in der Schule“ ihr Handbuch zum Sportförderunterricht (Dordel, 1987). Schon früh wurde der Ansatz biomedizinisch ausgelegt. Bis heute hat er hier seine stärkste Bedeutung, was eine jüngst veröffentlichte Studie mit dem Titel „Bewegungsförderung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ bestätigt (BMG, 2022). Gleichwohl wird der Begriff seit den 2010er Jahren zunehmend auch im sportpädagogischen Feld gebraucht.
        Der Begriff der Bewegungsförderung scheint damit sportpädagogisch hoffähig geworden zu sein. Es stellt sich allerdings die Frage, welche Implikationen mit dem „neuen“ Begriff verbunden sind: Wird er reflektiert in den sportpädagogischen Diskurs integriert? Oder werden durch die Hintertür biomedizinische Denkfolien importiert? Diese Zuspitzung mag übertrieben klingen, am Ende dürfte sie aber mit darüber entscheiden, welche Arbeiten als „wissenschaftlich“ gelten. Insofern ist das gewählte Beispiel nur ein Indiz für eine sich verändernde Wissenschaftslandschaft in der Sportwissenschaft.
        Vor diesem Hintergrund sollen im Diskussionsforum die Begriffe Bewegungserziehung und Bewegungsförderung geklärt werden. Dazu werden zwei neuere sportpädagogische Projekte vorgestellt. Esther Pürgstaller berichtet von einem Projekt zur Kreativen Bewegungserziehung in der Ganztagsschule. Im Anschluss stellen Anne Strotmeyer und Miriam Kehne ein Projekt zur Förderung motorischer Kompetenzen im Kontext der Bewegungsförderung vor. In einem weiteren Schritt fragt Nils Neuber nach den wissenschaftstheoretischen Implikationen dieser beiden Zugänge, um auf dieser Grundlage den aktuellen Standort der Sportpädagogik zu diskutieren. Als Diskutant unterstützt Peter Frei das Forum.
        Literatur
        Bundesministerium für Gesundheit (BMG). (2022). Bewegungsförderung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Zugriff am 20.02.2023 unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen.html
        Dordel, S. (1987). Bewegungsförderung in der Schule – Handbuch des Schulsonderturnens/Sportförderunterrichtes. Modernes Lernen.
        Neuber, N. (2020). Fachdidaktische Konzepte Sport – Zielgruppen und Voraussetzungen. Springer VS.
        Zimmer, R. (1993). Handbuch der Bewegungserziehung – Didaktisch-methodische Grundlagen und Ideen für die Praxis. Herder.

        Speaker: Nils Neuber (Universität Münster)
      • 11:05
        Tanz und Bewegungstheater – ein Interventionsprojekt zur Kreativen Bewegungserziehung 20m

        Die Kreative Bewegungserziehung verbindet psychomotorische, ästhetische und künstlerisch-pädagogische Ansätze im Sinne eines fachdidaktischen Konzepts für den Grundschulsport. Ausgehend von pädagogischen und entwicklungstheoretischen Begründungsmustern zielt das Konzept auf eine umfassende Entwicklungsförderung von Kindern, in deren Zentrum neben motorischen insbesondere kreative und Fähigkeiten stehen (Neuber, 2000). Dazu greift der Ansatz auf ein komplexes methodisches Instrumentarium zurück, mit dem unter anderem der Freiheitsgrad von Aufgabenstellungen durch die Lehrkraft variiert werden kann (Pürgstaller, 2020).
        Auf der Grundlage des Konzepts der Kreativen Bewegungserziehung wurde ein Interventionsprojekt an zehn rheinland-pfälzischen Ganztagsgrundschulen durchgeführt. Im Kern der quasi-experimentellen Längsschnitt-Studie im Kontrollgruppendesign stand ein dreimonatiges Tanz- und Bewegungstheater-Angebot, das von Tanz- und Theaterpädagogen einmal wöchentlich 90-Minuten lang geleitet wurde. Die Intervention beruhte auf einem vom Projektteam entwickelten methodisch-didaktischen Leitfaden. Dabei sollten die motorisch-kreativen Fähigkeiten, die emotionalen Kompetenzen und das Selbstkonzept der teilnehmenden Kinder gezielt gefördert werden (Konowalczyk et al., 2018). Inhaltlich waren vier Ausgangspunkte vorgegeben (Alltagsbewegung, Material, Beziehung, Bild).
        Neben der Interventionsgruppe (nIV = 138) wurde eine Kontrollgruppe einbezogen (nKG = 88), die während des gleichen Zeitraumes andere AG-Angebote besuchte. Die Kinder der ersten bis vierten Klassen wurden vor, direkt nach sowie drei Monate nach Abschluss des Projektes u. a. in der motorischen Kreativität (MKT 9-11) in den Facetten der Produktivität, Problemlösungsfähigkeit und Originalität getestet (Neuber, 2000). Die Ergebnisse deuten auf eine Wirkung der Tanz- und Bewegungstheater-Angebote auf Teilbereiche der Kreativität, des Selbstkonzepts und der emotionalen Kompetenz hin. So zeigen sich bspw. tendenziell signifikant unterschiedliche Entwicklungsverläufe zwischen Interventions- und Kontrollgruppe in den Kreativitätsfacetten der Produktivität (pt1-t2 = ,057; η2 = ,019) und der Problemlösungsfähigkeit (pt1-t2 = ,078; η2 = ,016). Erwartete unterschiedliche Entwicklungsverläufe in der Facette der Originalität blieben aus (pt1-t2 = ,253; η2 = ,007).
        Literatur
        Konowalczyk, S., Steinberg, C., Pürgstaller, E, Hardt, Y., Neuber, N. & Stern, M. (2018). Kulturelle Bildung in bildungsbenachteiligten Milieus – Eine empirische Untersuchung zur Wirkung von Tanz- und Bewegungstheaterangeboten in der Ganztagsgrundschule. Diskurs Kindheits- und Jugendforschung, 13(2), 179-190.
        Neuber, N. (2000). Kreativität und Bewegung – Grundlagen kreativer Bewegungserziehung und empirische Befunde. Academia.
        Pürgstaller, E. (2020). Kulturelle Bildung im Tanz – Grundlagen und Befunde zur Kreativitäts-entwicklung im Grundschulalter. Springer VS.

        Speakers: Esther Pürgstaller (Universität Potsdam), Nils Neuber (Universität Münster)
      • 11:25
        Motorische Kompetenzen im Kontext der Bewegungsförderung 20m

        Als Voraussetzung für die aktive Teilhabe an der Bewegungs- und Sportkultur gilt es, ein Mindestmaß an motorischen Kompetenzen auszubilden (Herrmann & Seelig, 2020). Dies ist auch ein zentrales Ziel des Schulsports. Im Kontext der Bewegungsförderung ist die kompetenzorientierte motorische Ausbildung zur Bewegungs- und Sportteilhabe unerlässlich. Die Kompetenzdebatte, die vor zwei Jahrzenten Einzug in die Bildungslandschaft erhalten hat, lässt allerdings bis heute Fragen zum kompetenzorientierten Schulsport offen (u.a. Gogoll, 2022). So auch die Frage nach einer effektiven methodisch-didaktischen Inszenierung zur Entwicklung grundlegender motorischer Kompetenzen, um an der Bewegungs- und Sportkultur teilhaben zu können. Es besteht diesbezüglich ein Mangel an Interventionsstudien zur Feststellung von Wirkungszusammenhängen. Vor diesem Hintergrund wurde ein Konzept zur Förderung von motorischen Basiskompetenzen für das mittlere Kindesalter entwickelt und evaluiert. Ziel dieses Beitrags ist es, das Konzept und dessen begriffliche Einordung hinsichtlich der Bewegungsförderung für das sportpädagogische Feld darzustellen.

        Zur kompetenzorientierten Förderung wurden Inhalte und deren methodisch-didaktische Umsetzung, anhand der Trias Bewegungskönnen, Bewegungswissen und Bewegungsmotivation, erarbeitet. Dabei lag der Schwerpunkt auf dem Bewegungskönnen. Das Konzept wurde in einem zwölfmonatigen partizipativen Prozess unter wissenschaftlicher Begleitung pilotiert. Anschließend wurden Effekte im Rahmen einer Interventionsstudie im Kontrollgruppendesign im Sportunterricht in der dritten und vierten Jahrgangsstufe (16 Einheiten à 45 Minuten; N = 200; 37% Jungen, M = 8.68 ± 0.62 Jahre) untersucht (Strotmeyer et al., 2021).

        Das kompetenzorientierte Konzept zeigt bereits nach einem kurzen Zeitraum positive Effekte auf die motorischen Basiskompetenzen; insbesondere im Umgang mit dem Ball (F (1, 166) = 7.52; p = .01; η² = .04, f = .21). Vor diesem Hintergrund erscheint das Konzept geeignet, um wichtige Grundlagen für die Teilhabe an der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur zu entwickeln. Anschlussstudien zur Überprüfung der Wirkung motorischer Basiskompetenzen auf das Bewegungsverhalten der Kinder sind zur weiteren Klärung sinnvoll.

        Literatur
        Gogoll, A. (2022). Kompetenzorientierung im Sportunterricht - konzeptuelle Grundlagen und didaktische Innovationen. In R. Sygusch, J. Hapke, S. Liebl, C. Töpfer, M. Ahns & S. Engelhardt (Hrsg.), Beiträge zur Lehre und Forschung im Sport: Bd. 198. Kompetenzorientierung im Sport: Grundlagen, Modellentwurf und Anwendungsbeispiele (S. 19-34). Hofmann.
        Herrmann, C., & Seelig, H. (2020). Motorische Basiskompetenzen. In P. Neumann & E. Balz (Hrsg.), Edition Schulsport. Grundschulsport: Empirische Einblicke und pädagogische Empfehlungen (S. 17-30). Meyer & Meyer Verlag.
        Strotmeyer, A., Kehne, M. & Herrmann, C. (2021). Effects of an Intervention for Promoting Basic Motor Competencies in Middle Childhood. Int J Environ Res Public Health, 18(14), 1–15. Doi:10.3390/ijerph18147343.

        Speakers: Anne Strotmeyer, Miriam Kehne
      • 11:45
        Bewegungserziehung vs. Bewegungsförderung – wissenschaftstheoretische und wissenschaftspolitische Implikationen 20m

        Der Vortrag greift die Diskussion um die Begriffe Bewegungserziehung und Bewegungsförderung auf und fragt nach den wissenschaftstheoretischen Implikationen, die damit verbunden sind. Die Idee der Bewegungserziehung geht davon aus davon aus, dass es in der Sportpädagogik mindestens eine bildungstheoretisch-normative und eine erfahrungswissenschaftlich-empirische Perspektive gibt (Balz, 2009). Normative Begründungen können bspw. auf anthropologischer, entwicklungstheoretischer oder schulkultureller Basis erfolgen. Empirische Zugänge können qualitativ und quantitativ sein. Die Verbindung dieser beiden Perspektiven, „die in den Horizont bildungstheoretischer Fragen nach dem Wozu und Warum eingebettet sind, kann […] als wesentliches Merkmal der Sportpädagogik im Vergleich zu anderen sportwissenschaftlichen Disziplinen angesehen werden“ (Kuhlmann & Stibbe, 2022, S. 54).
        Demgegenüber folgt die Idee der Bewegungsförderung in ihrer biomedizinischen Auslegung einem naturwissenschaftlichen Forschungsparadigma. Bewegung entspricht darin „der durch die Skelettmuskulatur erzeugten Bewegung des Körpers, die zu einem substanziellen Anstieg des Energieverbrauchs über den Ruheenergieverbrauch“ hinausführt (Rütten & Pfeifer, 2016, S. 19). Begründungen für Bewegungsaktivitäten von Kindern und Jugendlichen erfolgen aus medizinischer Perspektive: „Körperliche Aktivität hat positive Wirkungen auf das kardiovaskuläre und metabolische Risikoprofil, die motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die kognitive Leistungsfähigkeit […] sowie die Prävalenz von Übergewicht“ (Rütten & Pfeifer, 2016, S. 24). Gleichwohl wird der Begriff der Bewegungsförderung zunehmend im Kontext sportpädagogischer Arbeiten verwendet.
        Ein Grund dafür kann in der „empirischen Wende“ der Sportpädagogik liegen. Hinzu kommt die zunehmende Orientierung an international sichtbarer Forschung, was mit einer Zunahme an englischsprachigen Publikationen und einer Tendenz zu empirisch-analytischen Arbeiten einhergeht. Die Sportpädagogik folgt damit einem allgemeinen Trend in der Sportwissenschaft. Wissenschaftspolitisch ist das nachvollziehbar, werden doch Professuren immer häufiger nach den Kriterien einer naturwissenschaftlichen Wissenschaftsidee besetzt. Auch die Mittelzuweisungen der Universitäten folgen zunehmend dieser Logik. Es bleibt jedoch zu klären, inwieweit die Sportpädagogik unter diesen Bedingungen ihrem Anspruch gerecht werden kann, Bewegungsaktivitäten von (jungen) Menschen umfassend zu begründen und zu erforschen.
        Literatur
        Balz, E. (Hrsg.). (2009). Sollen und Sein in der Sportpädagogik – Beziehungen zwischen Normativem und Empirischem. Shaker.
        Kuhlmann, D. & Stibbe, G. (2022). Systematik der Sportpädagogik. In E. Balz, S. Reuker, V. Scheid & R. Sygusch (Hrsg.), Sportpädagogik – Eine Grundlegung (S. 48-59.). Kohlhammer.
        Rütten, A. & Pfeifer, K. (2016). Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung (hrsg. von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung). BZgA.

        Speaker: Nils Neuber (Universität Münster)
    • 12:15 13:30
      Pause 1h 15m
    • 13:30 14:30
      Hauptvortrag 3: Sport Pedagogy – Past, Present, and Future Sporthalle

      Sporthalle

      More than a decade has passed since the evolution and revolution of the concept of sport pedagogy. Initially mooted by Tinning (2008), three events occurred which cemented its place in the world of academia. The first was an edited book: ‘Sport Pedagogy: An introduction for teaching and coaching (Armour, 2011). Here, sport pedagogy is defined as a subdiscipline of sport science (and related areas of study) with three complex dimensions (knowledge in context, learners and learning, teachers and teaching/coaches and coaching) which increase in complexity as they interact to form each pedagogical encounter (ibid). The second event involved the Association Internationale des Écoles Supèrieure d’Éducation Physique (AIESEP) specialist seminar at the University of Birmingham from which emanated a Position Statement: ‘Sport (& Exercise) Pedagogy’: (Re)Defining the Field’ (AIESEP, 2012). Finally, the third event - the 2014 Sport Education and Society Special Edition – New Directions for Research in Physical Education and Sport Pedagogy. It was here that Armour and Chambers unpacked the concept in considerable detail in their article: ‘Sport & Exercise Pedagogy’. The case for a new integrative sub-discipline in the field of Sport & Exercise Sciences/ Kinesiology/Human Movement Sciences’. Since then, academic researchers have been ‘playing’ with the concept of sport pedagogy. Ten years on, it seems prudent to pause and to gauge the status and contribution of sport pedagogy research globally. Therefore, this overview will explore the role of academic genealogy and terroir in shaping emergent sport pedagogy research themes in various regions of the world. Acknowledging that the world is in polycrises, the theme of design fiction and possible futures for sport pedagogy will also be interrogated to suggest its future direction and particularly its potential unique contribution to Society 5.0 (Deguchi et al, 2018).

      Convener: Fiona Chambers
    • 14:30 15:00
      Pause 30m
    • 15:00 17:00
      AK 4.1: Soziale Netzwerke im Sportunterricht Sporthalle

      Sporthalle

      Convener: Rüdiger Heim (Universität Heidelberg)
      • 15:00
        Peerbeziehungen im Sportunterricht – Eine Einführung in netzwerktheoretische und -analytische Zugänge 20m

        Der Beitrag soll den Ansatz der Sozialen Netzwerkanalyse im Sinne einer Einführung in den AK vorstellen und seine vielfältigen Potenziale in theoretischer wie methodischer Hinsicht skizzieren.
        Gegenüber dem bisher in der Unterrichts- und sportpädagogischen Forschung dominierenden attributbasierten Ansatz fokussieren netzwerkanalytische Zugänge direkt die sozialen Peerbeziehungen, indem zumeist Peernominierungen im Hinblick auf ausgewählte, pädagogisch oder unterrichtlich interessierende Aspekte (z.B. Freundschaften oder Cliquen) erhoben und analysiert werden (Carolan 2013).
        Theoretisch bietet das Konstrukt des sozialen Netzwerks (SN) also grundsätzlich zunächst eine spezifische Konzeptualisierung von Peerbeziehungen, die mit relevanten Unterrichts- oder Schüler*innenmerkmalen (z.B. Lernleistungen, Lernmotivation, Wohlbefinden) verknüpft werden können. Aus sozialökologischer Perspektive konstituieren sich SN generell einerseits im Horizont universaler Mechanismen (z.B. Gegenseitigkeit, Hierarchie, Homophilie) und andererseits im Rahmen ihrer ökologischen Kontexte (McFarland et al. 2014) und wirken auf diese zurück. In Anlehnungen an White (2012) entfalten sich SN in Schulklassen darüber hinaus sowohl fach- und kontextspezifisch als auch generisch: Während affektive Beziehungen (etwa Sympathie und Freundschaft) sich vorwiegend jenseits der Schulfächer einstellen, sind instrumentell-kognitive Peerbeziehungen sowohl durch das Unterrichtsfach als auch durch die verschiedenen, typischen (fach-)unterrichtlichen Situationen (im Sportunterricht z. B. Aufwärmen, Lernen in Gruppen, Spiel) geprägt (Heim et al. 2023).
        Methodisch beschränkt der Ansatz von SN zunächst das analytische Potenzial wegen der relationalen Datenstruktur, eröffnet aber mittlerweile ein breites Spektrum, attributbasierte Daten mit relationalen zu verknüpfen und das Zusammenspiel der jeweiligen Konstrukte vor allem regressionsanalytisch zu prüfen (Carolan 2013). Die Grundidee, Beziehungen selbst zu konzeptualisieren und zu messen, kann zudem für Konstrukte genutzt werden, die bisher attributbasiert erhoben wurden. So können etwa Fähigkeiten oder Motivationen relational in ihrem Beziehungsgeflecht der Schulklasse im Hinblick auf Selbst- und Fremdeinschätzungen konzipiert und über Ratings gemessen und ihre Zusammenhänge mit SN analysiert werden.

        Literatur:
        Carolan, B.V. (2013). Social network analysis and education: Theory, methods & applications. Sage.
        Heim, R., Schüßler, A. & Holler, C. (2023) Peerbeziehungen in der Sporthalle – Soziale Netzwerke im Sportunterricht. Zeitschrift für sportpädagogische Forschung, 11 (1), 3-28.
        McFarland, D. A., Moody, J., Diehl, D., Smith, J. A., & Thomas, R. J. (2014). Network ecology and adolescent social structure. American Sociological Review, 79(6), 1088–1121.
        White, H.C. (2012). Identity and control: How social formations emerge (2nd ed.). Princeton University Press.

        Speaker: Rüdiger Heim (Universität Heidelberg)
      • 15:20
        Soziale Eingebundenheit und Interaktionsverhalten im Sportunterricht – eine netzwerkanalytische Fallstudie. 20m

        Das Handeln und soziale Interaktionen von Schülerinnen sind in institutionellen Zusammenhängen stets in einen unterrichtlichtsspezifischen und einen sozial-peerkulturellen Kontext eingebettet, die wechselseitig miteinander verflochten sind (Breidenstein, 2021). Insbesondere der Sportunterricht offeriert durch seine fachli-chen und räumlichen Spezifika vielfältige bewegungsbezogene Interaktionsgele-genheiten und stellt somit einen unmittelbaren beziehungsrelevanten Handlungs-kontext für die Schülerinnen dar. Die sozialen Peerbeziehungen scheinen dabei eine moderierende Rolle für die individuelle Teilnahme im Sportunterricht zu haben (z.B. Munk & Agergaard, 2015). Die vorliegende Untersuchung versucht mithilfe des methodischen Zugangs der sozialen Netzwerkanalyse einerseits die Struktur klasseninterner Schülerinnenbeziehungen und andererseits das Interaktionsver-halten im Sportunterricht zusammenzuführen. Ziel ist es zu klären, welchen Ein-fluss die soziale Einbindung in das peerkulturelle Beziehungsnetzwerk auf das Teilnahmeverhalten im Sportunterricht hat und inwiefern sich dabei sozial stark ver-sus sozial schwach eingebundene Schülerinnen unterscheiden. Hierzu wurden zunächst klassenbezogene Schülerinnnenbeziehungen einer fünften Klasse über ein Schuljahr durch Fragebögen erhoben und netzwerkanalytisch hinsichtlich der sozialen Eingebundenheit der Schülerinnen (Indegree Popularity) ausgewertet. Ferner wurden Interaktionsdaten mittels sportunterrichtlicher Videografien gesam-melt und jeweils für die zwei kontrastiven Einbindungstypen ausgewertet. Die Er-gebnisse zeigen, dass besonders der sportlich und sozial hoch eingebundene Typ häufiger in interaktive Situationen eingebunden ist und damit auch häufiger an der formellen und informellen Sportunterrichtspraxis teilnimmt als der ähnlich sportliche aber sozial schwach eingebundene Typ. Das Interaktionsverhalten weist ferner ty-pisch genderhomophile Muster auf und scheint bezüglich der Häufigkeit und Dauer über die Zeit stabil zu bleiben. Damit zeigt sich, ähnlich zu Befunden im Klassenun-terricht (Zander, Kreutzmann & Hannover, 2017), dass Peerbeziehungen auch für den Handlungskontext Sportunterricht einen verhaltensregulierenden Einfluss ha-ben können.

        Literatur
        Breidenstein, G.). Peer-Interaktion und Peer-Kultur im Kontext von Schule. In T. Hascher, T.-S. Idel & W. Helsper (Hrsg.), Handbuch Schulforschung (S. 1-20). Springer Fachmedien.
        Zander, L. Kreutzmann, M. & Hannover, B. (2017). Peerbeziehungen im Klassenzimmer. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 20, 353-386.
        Munk, M. & Agergaard, S. (2015). The Processes of Inclusion and Exclusion in Physical Educati-on. A Social-Relational Perspective. Social Inclusion, 3 (3), 67.

        Speaker: Jennifer Schmitz (HU Berlin)
      • 15:40
        Zur Dualität von sozialen Netzwerken und individuellen Schüler*innenmerkmalen im Sportunterricht 20m

        Peernetzwerke wurden in der Vergangenheit vornehmlich fachunspezifisch, also ohne Berücksichtigung der Besonderheiten einzelner Fachkulturen, untersucht. Vor dem Hintergrund bisheriger Forschungsarbeiten zu sozialen Netzwerken in der Schule (z.B. McFarland et al., 2014) stellt sich die Frage, inwieweit typische Unterrichtsszenarien im Sportunterricht die Art der Beziehungsbildung beeinflussen und welche Beziehungsarten mit welchen Schülerinnenmerkmalen verknüpft sind.
        In der vorliegenden Studie (N= 10 Schulklassen) wurden affektive (z.B. Sympathie) und instrumentelle Beziehungsarten (z.B. Sportspiel) in drei verschiedenen schulischen Domänen (Sport-, Mathematik- und Klassenleitungsunterricht) mit Hilfe von Peernominierungsverfahren erfasst. Zusätzlich wurden für diese Kontexte relevante Schüler
        innenattribute (Geschlecht, Leistungsfähigkeit, Motivation) ermittelt, um die Dualität zwischen Peernetzwerken und Individualattributen in unterschiedlichen schulischen Domänen zu erforschen. Vor dem Hintergrund der Multiplexität von sozialen Netzwerken können keine monokausalen Zusammenhänge erwartet werden, sodass die multiple Korrespondenzanalyse (MCA) Methode der Wahl ist. Die MCA ist ein explorativer Ansatz zur Reduzierung und Visualisierung eines großen kategorialen Datensatzes auf einen niedrigdimensionalen Raum.
        Die MCA hat ergeben, dass Sympathie die Grundvoraussetzung für die Zusammenarbeit schulbezogener Aktivitäten (z.B. Sportspiel) darstellt. Darüber hinaus lassen sich drei Bereiche der Beziehungsbildung empirisch unterscheiden: Persönliche Beziehungen, welche stark geschlechtshomophil geprägt sind und schulfachspezifische, instrumentelle Beziehungen. Instrumentelle Beziehungen sind dabei stärker geschlechterdurchmischt und werden durch fachspezifische Attribute (Leistung, Motivation) beeinflusst. Der sich daraus ergebende zweidimensionale Raum spiegelt die Muster für die Beziehungsbildung im Horizont von Individualattributen wieder, die wiederum stark durch die Besonderheiten der Fächer beeinflusst werden.
        Die gewonnenen Erkenntnisse liefern erste Hinweise zum Einsatz von Sozialformen für (Sport)-lehrkräfte, um die Unterrichtsqualität nachhaltig zu optimieren. So konnten einzelne Interventionsstudien bereits eine verbesserte Lernleistung feststellen, wenn Lerndyaden auf Basis von Sympathie und nicht aufgrund von Leistungsaspekten im Informatikunterricht zusammengesetzt wurden (Hartl et al., 2015).

        Literatur

        Hartl, A.C., Dawn, D., Laursen, B, Denner, J., Werner, K., Campe, S., & Ortiz, E. (2015). Dyadic instruction for middle school students: Liking promotes learning. Learning and Individual Differences, 44, 33-39

        McFarland, D. A., Moody, J., Diehl, D., Smith, J. A., & Thomas, R. J. (2014). Network Ecology and Adolescent Social Structure. American Sociological Review, 79(6), 1088–1121.

        Speaker: Annabell Schüßler (Institut für Sport und Sportwissenschaft Universität Heidelberg, AB Sport und Erziehung)
      • 16:00
        Soziale Netzwerke, Fremd- und Selbsteinschätzungen der sportunterrichtlichen Leistungsfähigkeit 20m

        Die sportliche Leistungsfähigkeit im Schulsport spielt eine wichtige Rolle für die soziale Eingebundenheit in fachspezifischen Peerbeziehungen sowie für Anerkennungs- und Missachtungsprozesse in der Sporthalle (Grimminger, 2012). Hierbei kommt der Bewertung der Leistungsfähigkeit der Mitschüler:innen insbesondere im Vergleich zur eigenen Leistungsfähigkeit besondere Bedeutung zu. So gründen sich Fähigkeitsselbstkonzepte (FSK) nicht nur auf temporalen und dimensionalen, sondern insbesondere auf sozialen Vergleichen (Marsh, 1990), wobei eine systematische Verzerrung im Sinne des Big-Fish-Little-Pond-Effektes auch im Sportunterricht auftritt (Gerlach, 2006). Während das FSK sowohl ein normatives Ziel von Sportunterricht darstellt und vielfach Zusammenhänge mit sportunterrichtlichen Leistungen interessiert haben, wurden Peer-Leistungseinschätzungen bisher nicht thematisiert. Hierbei stellt sich die Frage, inwieweit die Schüler:innen ihre eigene sowie die Leistungsfähigkeit ihrer Mitschüler:innen akkurat einschätzen können, und welchen Einfluss die wahrgenommene Leistungsfähigkeit auf sportunterrichtsspezifische Peerbeziehungen hat.
        Der vorliegende Beitrag untersucht, inwiefern sportunterrichtliches FSK sowie Peer- und Lehrkrafteinschätzungen der sportlichen Leistungsfähigkeit untereinander sowie mit der sozialen Eingebundenheit in fachspezifischen instrumentellen Netzwerken zusammenhängen und inwiefern diese Perspektiven die soziale Eingebundenheit in diesen Kontexten aufklären. Hierfür wurden 373 Schüler:innen und ihre jeweiligen Sportlehrkräfte mittels Fragebögen befragt. Die Peer-Einschätzungen wurden über Nominierungsfragen erhoben, indem sowohl besonders leistungsstarke als auch -schwache Mitschüler:innen angegeben werden sollten.
        Für die Auswertungen werden sowohl Zusammenhänge zwischen attributbasierten Daten in den Blick genommen, wobei die Peernominierungen der Leistungsfähigkeit in einen Gesamtscore umgewandelt wurden, als auch netzwerkanalytische Zusammenhänge zwischen den Peernominierungen der Leistungsfähigkeit und Peerbeziehungen in Gruppenarbeiten und Spielsituationen mittels netzwerkspezifischer Regressionsanalysen.
        Die Ergebnisse zeigen erwartbar hohe Übereinstimmungen zwischen FSK und Lehrkraftbewertung und sehr große Korrelationen zwischen Lehrkraftbewertung und Peer-Score. Auf Gesamtgruppenebene sind insbesondere die Schüler:innen gut in sportunterrichtliche Netzwerke eingebunden, die einen hohen Peer-Score aufweisen. Für individuelle Nominierungen dominieren hingegen die individuellen Einschätzungen der Schüler:innen. Es zeigt sich, dass Schüler:innen die Leistungsfähigkeit ihrer Peers insgesamt gut einschätzen können, jedoch individuelle Einschätzungen (möglicherweise auf Grund differierender Leistungsnormen) vom Konsens der Klasse abweichen.

        Literatur

        Gerlach, E. (2006). Selbstkonzepte und Bezugsgruppeneffekte. Zeitschrift für Sportpsychologie, 13(3), 104–114.
        Grimminger, E. (2012). Anerkennungs- und Missachtungsprozesse im Sportunterricht: Die Bedeutung von Machtquellen für die Gestaltung sozialer Peer-Beziehungen. Sportwissenschaft, 42(2), 105-114.
        Marsh, H.W. (1990). A multidimensional, hierarchical model of self-concept: Theoretical and empirical justification. Educational Psychology Review, 2 (2), 77-172.

        Speaker: Cornelius Holler (Uni Heidelberg, Institut für Sport und Sportwissenschaft)
      • 16:20
        Soziale Eingebundenheit und Interesse im Sportunterricht 20m

        Die Person-Gegenstands-Theorie differenziert das individuelle Interesse als zeit- und situationsübergreifende Tendenz einer Person, sich wiederholt mit einem Gegenstand auseinanderzusetzen und das aktuelle Interesse, welches den psychologischen Zustand einer Person während einer zeit- und situationsspezifischen Interessenhandlung bezeichnet. (Krapp, 2018). Im Lehr-Lern-Geschehen fungiert Interesse daher (1) als motivationaler Faktor und (2) als eigenständiges pädagogisches Bildungsziel. Vor diesem Hintergrund haben Maßnahmen zur Förderung des Interesses bei Schüler:innen eine hohe Bedeutung. Diskutiert werden in der Interessenforschung Maßnahmen zur Förderung von Autonomie, Kompetenzerleben und sozialer Eingebundenheit sowie die Adressierung von Neuartigkeit und persönlicher Relevanz (Renninger et al., 2019). Bislang liegen jedoch kaum empirische Befunde zur Wirksamkeit interessenförderlicher Maßnahmen speziell im Sportunterricht vor. Daher untersucht der vorliegende Beitrag, inwiefern soziale Eingebundenheit mit dem aktuellen Interessenerleben im Sportunterricht zusammenhängt.

        Es wurden 248 Schüler:innen im Sportunterricht befragt. Dazu wurde der Fragebogen zur Erfassung des aktuellen Interesses (AI-Spo) nach einer Gruppenarbeit eingesetzt. Dieser beinhaltet drei Subskalen (gefühlsbezogene Valenz, wertbezogene Valenz, epistemische Orientierung) mit jeweils fünf Items (Haag & Sohnsmeyer, 2022). Die Peer-Einschätzungen wurden im Sinne der sozialen Netzwerkanalyse mittels Nominierungsfrage erhoben (Mit wem würdest du besonders gerne zusammenarbeiten?). Analysiert wurde der Zusammenhang zwischen dem aktuellen Interesse und

        • dem standardisierten Eingebundheitsscore, der das Verhältnis aus der Anzahl eingehender Nennungen zur Anzahl möglicher Nennungen ausdrückt.
        • dem Jaccard-Index, der das Verhältnis der prozentualen Übereinstimmung des gewünschten und des tatsächlichen Netzwerks in der durchgeführten Gruppenarbeit angibt.

        Die Ergebnisse zeigen erwartungswidrig keine Zusammenhänge zwischen der allgemeinen sozialen Eingebundenheit und dem aktuellen Interesse im Sportunterricht. Es finden sich aber signifikante Korrelationen zwischen dem Jaccard-Index und dem aktuellen Interesse. Je höher der Anteil erwünschter Gruppenmitglieder in der Gruppenarbeit, desto höher das aktuelle Interesse. Die Effekte der Gruppenzusammensetzung sind als klein einzustufen, können aber als Hinweis interpretiert werden, dass die gewählte Sozialform das aktuelle Interesse im Sportunterricht beeinflusst.

        Literatur
        Haag, J. & Sohnsmeyer, J. (2022). Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung des Aktuellen Interesses im Sportunterricht. In M. Golenia, M. Jürgens, K. Kohake & N. Neuber (Hrsg.), Wissenstransfer – ein zentrales Thema für die Sportpädagogik? doi.org/10.17879/03079724451.
        Krapp, A. (2018). Interesse. In D.H. Rost, J.R. Sparfeldt & S.R. Buch (Hrsg.), Handwörterbuch Pädagogische Psychologie (5. Aufl., S. 311-323). Beltz
        Renninger, K.A., Bachrach, J.E. & Hidi, S. (2019). Triggering and maintaining interest in early phases of interest development. Learning, Culture and Social Interaction, 23, 100260.

        Speakers: Jan Sohnsmeyer (Universität Heidelberg), Julius Haag (Universität Heidelberg)
    • 15:00 17:00
      AK 4.2: Physical Literacy im sportpädagogischen Diskurs (auf Englisch) Hörsaal

      Hörsaal

      Convener: Clemens Töpfer (Friedrich-Schiller-Universität Jena)
      • 15:00
        Physical Literacy: Konzept & Forschungsperspektiven – ein kritischer Blick 20m

        Das Konzept "Physical Literacy" (PL) hat in den letzten Jahren in Deutschland erstaunlicherweise eine neue Aktualität erfahren, obwohl es auch bei weniger stark international tätigen Sportpädagog:innen bereits seit Jahren aus dem internationalen Sprachraum bekannt war. Beim Arbeitskreis „körperliche Grundbildung“ beim dvs-Hochschultag 2019 (Wendeborn & Büsch, 2019) in Berlin wurde es überraschenderweise mit körperlicher Grundbildung gleichgesetzt und im letzten Kinder- und Jugendsportbericht der Alfried-Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (Breuer, Joisten & Schmidt, 2020) tauchte der Begriff erstaunlicherweise an mehreren Stellen ganz zentral u.a. in den Handlungsempfehlungen auf.
        Der einleitende Beitrag in den Arbeitskreis greift vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage das von Margret Withehead und der International Physical Literacy Association (IPLA; 2017) erarbeitete theoretische Konzept auf und beschreibt seinen Bedeutungswandel u.a. anhand der Veränderung der Definition zu PL und die aktuelle Kritik aus dem internationalen Raum. In der Folge werden die einzelnen Komponenten von Physical Literacy Motivation and Confidence (Affective), Physical Competence (Physical), Knowledge and Understanding (Cognitive) und die Konsequenzen (Engagement in Physical Activities for Life (Behavioural) dargestellt. In der Folge werden Beispiele dargestellt, wie PL in der Sport- und Bildungspolitik einzelner Länder verwendet wird und wie (problematisch) empirische Untersuchungen aus dem internationalen Sprachraum dazu konzipiert sind. Diese werden kritisch unter die Lupe genommen.
        Abschließend erfolgt eine erste Analyse zu Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu in Deutschland bestehenden Konzepten (z.B. zum Kompetenzdiskurs) und eine erste und vorläufige Stellungahme, ob PL möglicherweise im deutschsprachigen Sprachraum Verwendung finden kann und sollte.

        International Physical Literacy Association. (2017). Physical Literacy Definition. Zugriff unter https://www.physical-literacy.org.uk/
        Wendeborn, T & Büsch, D. (2019). Körperliche Grundbildung und Sportunterricht. In A. Arampatzis, S. Braun; K. Schmitt & B. Wolfarth (Hrsg.), Sport im öffentlichen Raum (S. 236). Hamburg: Czwalina.
        Breuer, C., Joisten, C. & Schmidt, W. (Hrsg.). (2019). Vierter Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht. Schorndorf: Hofmann.

        Speaker: Erin Gerlach (UHH)
      • 15:20
        Konzeptueller Stand zu Physical Literacy in Deutschland: eine sportpädagogische Perspektive 20m

        Ausgangspunkte
        International hat die UNESCO (2015) Physical Literacy (PL) als Fundament und expliziten Outcome von Sportunterricht definiert. PL umfasst dabei im Kern eine physische, kognitive sowie affektive Dimension von Bewegung (Whitehead, 2010). Obgleich insbesondere im anglophonen Sprachraum PL mittlerweile weit verbreitet ist, zeigt sich die deutschsprachige Sportpädagogik bislang noch recht zurückhaltend (u.a. Töpfer et al., 2021). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Rolle PL in der sportpädagogischen Diskussion im deutschsprachigen Raum spielt.
        Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, Schnittstellen zwischen PL und der deutschsprachigen Sportpädagogik herauszuarbeiten. Im ersten Schritt sollen Schnittstellen zu vorhandenen Konzepten in der deutschsprachigen Sportpädagogik skizziert werden. Daran anknüpfend werden im zweiten Schritt Schnittstellen zu zentralen (sport-)pädagogischen Begriffen aufgezeigt. Die Befunde werden dabei narrativ aus dem Forschungsstand aktueller Literatur herausgearbeitet.

        Befunde
        Bislang wurde PL im Zusammenhang mit vier deutschsprachigen Konzepten explizit genannt: 1) In der sportbezogenen Gesundheitskompetenz wird beispielsweise explizit auf „health-related knowledge and understanding“ als Teil von PL verwiesen. 2) Im Entwurf zur Kompetenzorientierung im Sport wird auf die zentrale Rolle von Wissen im weitesten Sinne von PL referiert. 3) In der grundlegenden Körper- und Bewegungsbildung wird PL als englischsprachiges Pendant verstanden. 4) In der bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz werden ganzheitlich in Anlehnung an PL die drei oben genannten Dimensionen abgebildet.

        Aus Sicht des (sport-)pädagogischen Theorie- und Forschungsstandes deuten sich grundlegend Schnittstellen zu den Begriffen Bildung, Handlungsfähigkeit und Kompetenz an. Gerade vor dem Hintergrund der philosophischen Grundlagen von PL sowie den etablierten Dimensionen des Konzepts zeigen sich bei allen drei Begriffen unterschiedlich große Überschneidungspunkte. Eine vergleichende Einordnung zu PL wird dabei gerade dadurch erschwert, dass die drei deutschsprachigen Begriffe selbst teils sehr unterschiedlich gedeutet werden.

        Zusammenfassend zeigen sich mehrere Schnittstellen sowohl zu vorhandenen sportpädagogischen Konzepten als auch zu etablierten sportpädagogischen Begriffen. Weitere tiefgründigere Betrachtungen werden zukünftig erforderlich sein, um PL im Lichte der deutschsprachigen Sportpädagogik konkreter verorten zu können.

        Literatur
        Töpfer, C., Jaunig, J., & Carl, J. (2021). Physical Literacy – to be discussed: eine Perspektive aus Sicht der deutschsprachigen Sportwissenschaft. German Journal of Exercise and Sport Research. https://doi.org/10.1007/s12662-021-00754-2
        UNESCO (2015). Quality Physical Education (QPE): guidelines for policy makers. https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000231101
        Whitehead, M. (Ed.). (2010). Physical literacy: Throughout the lifecourse. Routledge.

        Speaker: Clemens Töpfer (Friedrich-Schiller-Universität Jena)
      • 15:40
        Bildung und Physical Literacy: Eine vergleichende Analyse in konstruktiver Absicht 20m

        Problemstellung
        Das Konzept Physical Literacy (PL) wird international kontrovers diskutiert und in bildungspolitischen Papieren aufgegriffen (Young et al., 2021). Auch in der deutschsprachigen Sportwissenschaft findet das Konzept zunehmend Beachtung (Töpfer et al., 2021). Eine Auseinandersetzung mit dem Konzept PL vor dem Hintergrund ‚einheimischer‘ sportpädagogischer bzw. bildungstheoretischer Konzepte steht bis dato noch aus, erscheint jedoch notwendig, um sowohl einem unreflektierten Import des Konzepts in die deutschsprachige Diskussion vorzubeugen als auch um den Anschluss an den internationalen Diskurs zu PL nicht zu verlieren. Ziel des Vorhabens ist es daher, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Konzepte PL und Bildung (vor dem Hintergrund eines Erziehenden Sportunterrichts, u.a. Prohl, 2010) herauszuarbeiten.

        Methode
        Systematisch werden die Diskurse zu beiden Konzepten nachgezeichnet, um theoretische bzw. philosophische Begründungs- und Diskursmuster als auch die Konzepte an sich zu vergleichen. Festgestellte Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden anschließend kategorisiert.

        Ergebnisse
        Im Ergebnis zeigen sich vor allem Gemeinsamkeiten in der theoretischen Fundierung (z.B. Phänomenologie, Menschenbild), jedoch Unterschiede in der darauf basierenden Diskussion über Operationalisierungen der Konzepte. Die deutschsprachige Sportpädagogik scheint sowohl in dieser Hinsicht als auch bezüglich einer didaktischen Umsetzung theoriesensibler bzw. -konformer zu argumentieren.

        Fazit
        Die Studie bestätigt erste Annahmen zum Vergleich der beiden Konzepte (Aggerholm & Giese, 2023). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Konzept PL zum Teil anschlussfähig an nationale Diskurse ist, jedoch wenig konstruktive Impulse einzubringen vermag. Vielmehr zeigt sich, dass die deutschsprachige Sportpädagogik entsprechend anschlussfähig an (kritische) Diskussionen zum Konzept PL ist und dort auch konstruktive Beiträge beisteuern kann.

        Literatur
        Aggerholm & Giese (2023). Bildung-Theoretical Approaches in German-Speaking and International Sport Pedagogy. In E. Balz & T. Bindel (Hrsg.), Bildungszugänge im Sport (S. 27-49). Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-38895-9_3
        Prohl (2006). Grundriss der Sportpädagogik. Limpert.
        Töpfer, C., Jaunig, J. & Carl, J. (2021). Physical Literacy – to be discussed: eine Perspektive aus Sicht der deutschsprachigen Sportwissenschaft. German Journal of Exercise and Sport Research, 52, 186–192. https://doi.org/10.1007/s12662-021-00754-2
        Young, L., O’Connor, J. & Alfrey, L. (2021): Mapping the physical literacy controversy: an analysis of key actors within scholarly literature, Physical Education and Sport Pedagogy. https://doi.org/10.1080/17408989.2021.2014437

        Speaker: Michael Braksiek (Universität Vechta)
      • 16:00
        Kompetenzorientierung und Physical Literacy am Beispiel der motorischen Basiskompetenzen 20m

        Die internationale Verbreitung des Konzepts Physical Literacy (PL) erreichte jüngst auch die Sportpädagogik (Töpfer et al., 2022). Ein Grund für diese Resonanz kann darin gesehen werden, dass das Konzept holistische Grundansprüche postuliert und gleichzeitig die Zusammenhänge von motivation, confidence, physical competence und knowledge/understanding einfach darstellt. Dagegen wirken sportpädagogische Grundbegriffe (Bildung, Erziehung, Entwicklung, usw.) behäbig. Dennoch prägen sie bis heute den deutschsprachigen Diskurs (Scheid & Oesterhelt, 2021). Im Sinne des Tagungsthemas wird daher die Frage gestellt, welchen Wert zur Kalibrierung und zur Selbstvergewisserung das PL-Konzept für die Sportpädagogik hat.

        Es wird die These vertreten, dass PL ein Entwicklungskonzept darstellt und es dem Kompetenzparadigma ähnlich ist. Beide Zugänge betrachten menschliche Entwicklung als ganzheitlichen Prozess und integrieren zunächst keine normativen Überlegungen. Um die Frage zu bearbeiten, wird das PL-Konzept mit der Kompetenzorientierung im Sportunterricht abgeglichen und exemplarisch auf motorische Basiskompetenzen (MB) und deren Förderung eingegangen.

        Die Überlegungen zeigten, dass die Kompetenzkomponenten Können, Wissen, Wollen (Kurz, 2008) bedeutungsähnlich zu den (oben genannten) PL-Begriffen sind. Sobald allerdings eine sportpädagogisch fundierte Förderung von MB abgeleitet wird, muss Bewegung im Wesentlichen das Medium der Kompetenzentwicklung bleiben und das Subjekt als „Auslöser“ dieser Entwicklung betrachtet werden. PL-Interventionen wirken in diesem Zusammenhang häufig funktional und erwecken den Anschein, dass vordergründig der Körper und die entsprechende körperlichen Aktivität fokussiert wird (vgl. Carl et al., 2022). Insgesamt zeigte sich also auch, dass die Kompetenzentwicklung nicht losgelöst von bildungstheoretischen Überlegungen betrachtet werden kann.

        Selbstvergewissernd kann demnach geschlossen werden, dass die Sportpädagogik den PL-Diskurs inhaltlich bereits integriert und dass das Fachgebiet darüber hinaus auch normative Wirkungen entfalten kann. Dennoch fällt der „Platzbedarf“ einer stringenten Argumentationskette auf, indessen sich eine Internationalisierung der Forschung eher über zugänglichere Konzepte beschreiten lässt. Hier könnte ein Ausgangspunkt zur Kalibrierung der Sportpädagogik liegen.

        Literatur
        Carl, J. et al. (2022). How are physical literacy interventions conceptualized? – A systematic review on intervention design and content. Psychol Sport Exerc, 58, 102091.
        Kurz, D. (2008). Der Auftrag des Schulsports (1). Sportunterricht, 57(7), 211-218.
        Scheid, V., & Oesterhelt, V. (2021). Grundbegriffe der Sportpädagogik. In E. Balz, S. Reuker, V. Scheid & R. Sygusch (Hrsg.), Sportpädagogik. Eine Grundlegung (S. 17-32). Stuttgart: Kohlhammer.
        Töpfer, C. et al. (2022). Physical Literacy – to be discussed: eine Perspektive aus Sicht der deutschsprachigen Sportwissenschaft. Ger J Exerc Sport Res, 52(1), 186-192.

        Speaker: Benjamin Niederkofler (Freie Universität Bozen-Bolzano)
      • 16:20
        Gesundheitsbildung und Physical Literacy: Anschluss- und Forschungsperspektiven 20m

        Das zunehmend auch im sportpädagogischen Diskurs beachtete Konzept Physical Literacy geht davon aus, dass ein Komplex verschiedener Dispositionen, d.h. kognitive (Wissen und Verständnis), affektive (Motivation und Selbstvertrauen) und physische (körperliche Kompetenz) voraussetzend dafür sind, um lebenslang körperliche Aktivitäten wertzuschätzen und Verantwortung dafür zu übernehmen (International Physical Literacy Association [IPLA], 2017). Eine zentrale Argumentationsrichtung im deutschsprachigen Raum zeichnet sich dadurch aus, dass sie Physical Literacy verstärkt mit fachbezogenen Konzepten der Gesundheitskompetenz in Bezug setzt (Töpfer, Jaunig & Carl, 2022). Bisher wird im Konzept der Gesundheitskompetenz deutlich auf kognitive Dispositionen fokussiert, so dass insbesondere auf Ebene des gesundheitsbezogenen Wissens und Verstehens Verbindungen zum Konzept Physical Literacy hergestellt werden (Töpfer, Jungheim, Lohmann, Sygusch, Tittlbach & Brandl-Bredenbeck, 2022). Damit stellt sich die Frage, wie weitere Dispositionen für aktive und gesunde Lebensstile wie z. B. motorisch-körperliche sowie motivationale Facetten operationalisiert, in ihren Wirkweisen und wechselseitigen Zusammenhängen beforscht werden können, so dass dem holistischen Anspruch von Physical Literacy im Sinne eines mehrdimensionalen Verständnisses von Gesundheitsbildung Rechnung getragen werden kann.
        Im Vortrag wird hierzu eine heuristische Modellskizze zur empirischen Überprüfung der verschiedenen Wirkannahmen zur Diskussion gestellt. In der Struktur eines Angebot-Nutzungs-Modells der Wirkweise des (Sport-)Unterrichts werden Struktur- und Prozessmerkmale beschrieben sowie zwischen kurz-, mittel- und langfristige Ergebnismerkmalen (Output, Outcome und Impact) unterschieden (Gogoll & Gerlach, 2020). Sie bringt die verschiedenen Wirkdimensionen in zeitliche Sequenz und hilft wechselseitige Einflüsse bzw. Zusammenhänge zu modellieren und zu analysieren.

        Literatur
        Gogoll, A. & Gerlach, E. (2020). Bewegung, Spiel und Sport - zwischen pädagogischem Wunsch und empirischer Wirklichkeit. In I. van Ackeren, H. Bremer, F. Kessl, H.-C. Koller, N. Pfaff, C. Rotter et al. (Hrsg.), Bewegungen. Beiträge zum 26. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (Schriften der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), Bd. 26, S. 463-475). Opladen: Verlag Barbara Budrich.
        International Physical Literacy Association. Physical Literacy Definition. Zugriff unter https://www.physical-literacy.org.uk/
        Töpfer, C., Jaunig, J. & Carl, J. (2022). Physical Literacy – to be discussed: eine Perspektive aus Sicht der deutschsprachigen Sportwissenschaft. German Journal of Exercise and Sport Research, 52 (1), 186-192. doi:10.1007/s12662-021-00754-2
        Töpfer, C., Jungheim, L., Lohmann, J., Sygusch, R., Tittlbach, S. & Brandl-Bredenbeck, H. P. (2022). Gesundheitskompetenz im Sportunterricht entwickeln. sportunterricht, 71 (8). doi:10.30426/SU-2022-08-2

        Speaker: Wiebke Langer (University of Hamburg)
    • 15:00 17:00
      AK 4.3: Zwischen Ausgrenzung und Teilhabe?! Zur Schüler:innenperspektive in einem zeitgemäßen Sportunterricht Lesesaal

      Lesesaal

      Convener: Stefan Meier
      • 15:00
        Der Schulhof aus der Perspektive von Schüler*innen, die einen Rollstuhl nutzen – Teilergebnisse einer explorativen Interviewstudie 20m

        Einleitung und theoretischer Hintergrund
        Vor dem Anspruch einer Schule der Vielfalt (HRK & KMK, 2015) stellt sich die Herausforderung, materiell-räumliche Bewegungsangebote auf dem Schulhof barrierefrei – also zugänglich und nutz-bar für alle potenziellen Nutzerinnen – zu gestalten und gleichzeitig seinen Auf- und Herausforde-rungscharakter zu erhalten, um das Potenzial für Bewegungslernen und -bildung zu wahren (Bü-kers, 2023). Gefährden körperbezogene Normalitätsideale hinsichtlich Ausgestaltung und Nutzung die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, droht hier ein (weiteres) „Scheitern an der Norm“ (Giese & Sauerbier, 2018). Der Beitrag beleuchtet dieses potenzielle Spannungsverhältnis näher und verfolgt dafür die Fragestellung: „Wie erleben und deuten Schülerinnen, die einen Rollstuhl nutzen, die materiell-räumlichen Gegebenheiten ihrer Schulhöfe sowie ihre Pausensituation?“

        Methode
        Zur Beantwortung dieser Frage wurden Daten aus Leitfaden-Interviews mit 14 Schüler*innen im Alter zwischen 7 und 15 Jahren mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung, die einen Rollstuhl nutzen, analysiert. Die Interviewten (5 weiblich, 9 männlich) besuchen inklusive Schulen (N = 6) und spezielle Sonderschulen (N = 8) Die Interviews wurden überwiegend bei gemeinsamen Schulhofbegehungen geführt und im Sinne der Grounded Theory Methodologie ausgewertet (Strauss & Corbin, 1996).

        Ergebnisse
        Wenngleich nahezu alle Befragten ihre Vorliebe für die Pause äußern und betonen, wie wichtig diese für sie zur Erholung vom Unterrichtsalltag ist, berichten sie ebenso von materiell-räumlichen Barrie-repotenzialen auf ihren Schulhöfen, die sie in ihrer Raumaneignung behindern. Exemplarisch wer-den Hauptkategorien ausgeführt, die verdeutlichen, dass aktuelle Schulhöfe Diskriminierungspoten-ziale aufweisen. So z. B. die Hauptkategorie No-Go-Areas, die das Phänomen aufgreift, dass Be-reiche des Schulhofs aufgrund ihrer instabilen oder nicht rollgerechten Gestaltung von den Inter-viewten als für sie feindselige Areale gedeutet werden. Ebenso die Hauptkategorie Wunsch nach „höheren Aussichten“, in der sich deutlich widerspiegelt, dass Spielgeräte und v. a. Kletterland-schaften bis dato oft ausschließlich für Fußgänger*innen geplant und ausgestaltet werden.

        Diskussion
        Ganz im Tagungssinne der ‚Selbstvergewisserung‘ soll anhand der präsentierten Ergebnisse und angesichts der (aktuellen) Ansprüche einer diversitätsbegrüßenden Schulkultur diskutiert werden, inwieweit vorliegende materiell-räumliche Gegebenheiten von Bewegungsräumen (hier: Schulhöfen) und die damit verbundene Normvorstellungen an Körper und Körperlichkeit zu erhalten oder neuzu-denken sind.

        Literatur
        Bükers, F. (2023). Barrierefreiheit im Kontext von Bewegung, Spiel und Sport. Beiträge zur theoretischen Konzeptualisierung und Qualifizierung für Inklusion (Dissertationsschrift), Universität Hamburg.
        Derecik, A. (2011). Der Schulhof als bewegungsorientierter Sozialraum. Eine sportpädagogische Untersuchung zum informellen Lernen an Ganztagsschulen. Meyer & Meyer.
        Giese, M. & Sauerbier, E. (2018). Scheitern an der Norm. Ableistische und autoethnographische Reflexionen zum sportpädagogischen Umgang mit Körperbehinderungen. Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 87(4), 276–288.
        HRK & KMK (2015). Lehrerbildung für eine Schule der Vielfalt. Abgerufen von: https://www.hrk.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/HRK-KMK-Empfehlung_Inklusion_in_LB_032015.pdf, zugegriffen am: 19. Februar 2023.
        Strauss, A. & Corbin, J. (1996). Grounded Theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Beltz.

        Speakers: Frederik Bükers (Universität Hamburg), Tim Heemsoth (Universität Flensburg), Claus Krieger (Universität Hamburg), Mr Christoph Henriksen
      • 15:20
        Teilhabebarrieren im inklusiven Sportunterricht aus der Perspektive von Schüler:innen mit dem Förderschwerpunkt Sehen 20m

        Der Beitrag verfolgt das Ziel, subjektive Konstruktionen von Teilhabehemmnissen blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler im inklusiven Sportunterricht zu rekonstruieren. Das Forschungsvorhaben greift dabei ein Desiderat von Haegele et al. (2020) sowie von Ruin und Meier (2018) auf, wonach die Sichtweise von Schüler:innen als „eine vernachlässigte Perspektive im Diskurs um inklusiven Sportunterricht“ (ebd., S. 68) zu betrachten ist. Im Sinne von Artikel 8 der CRPD – dem Artikel zur Bewusstseinsbildung – geht es darum, dafür zu sensibilisieren, welche Barrieren zu überwinden sind, um gemeinsame Schulsettings für Menschen mit und ohne sonderpädagogischem Förderschwerpunkt Sehen (FSS) möglichst barrierearm zu gestalten.

        Die explorative Studie adressiert dazu blinde und sehbehinderte Jugendliche (bsJ), die das Ziel der allgemeinen Hochschulreife verfolgen, während der SEK I durchgängig inklusiv beschult wurden und sich am Übergang zur SEK II für den Wechsel auf eine Förderschule und eine Internatsunterbringung entschieden haben. Befragt wurden sechs sehbehinderte Schülerinnen und vier Schüler im Alter zwischen 17 und 19 Jahren mit episodischen Interviews. Dieser Bildungsübergang erscheint besonders relevant, da „gerade am Übergang in die SEK II ein erhöhtes Exklusionsrisiko aus dem Schulsystem besteht“ (Felbermayr, 2019, S. 179) und Schüler:innen mit Behinderung in der deutschsprachigen, schulpädagogischen Transitionsforschung bisher kaum Berücksichtigung finden (Rabenstein & Gerlach, 2016, S. 206).

        Die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse zeigen, dass der Sportunterricht als ein besonders problematisches Fach beschrieben wird, in dem sich leibliche, leistungsorientierte und inhaltliche Teilhabebarrieren bündeln und – für alle sichtbar – körperlich zur Aufführung gebracht werden. Im Gegensatz zu der in den internationalen APE-Diskursen weitestgehend unhinterfragten Annahme, dass angemessen implementierte inklusive Praktiken zu positiven Erfahrungen bei SmB führen, überwiegen in den Interviews negative Erfahrungen. Explizit im Hinblick auf bsJ fungieren der Grad der Sehbehinderung sowie Phasen der Sehverschlechterung als zusätzliche Katalysatoren der Exklusionsprozesse. Es erscheint notwendig, das exkludierende Potenzial des Sportunterrichts aus der Perspektive marginalisierter Personengruppen stärker als bisher in den Blick zu nehmen, um die tatsächliche Inklusivität inklusiven Sportunterrichts zu befördern.

        Literatur
        Felbermayr, K. (2019). „It’s all about the process.“ Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 88(3), 178-190.
        Haegele, J., Giese, M., Wilson, W., & Oldörp, F. (2020). Bruchlinien der Inklusion: Forschungsprogrammatische Überlegungen zu einer international sichtbaren sportpädagogische Inklusionsforschung. German Journal of Exercise and Sport Research, 50(3), 417–425.
        Ruin, S., & Meier, S. (2018). „Fragt doch mal uns!“ ‒ Potenziale und Herausforderungen im inklusiven Sportunterricht aus Schülerperspektive. Leipziger sportwissenschaftliche Beiträge, 59(1), 67-87.

        Speaker: Martin Giese
      • 15:40
        Ö-Norm versus individuelle Bedarfe? Teilhabebarrieren in Förderschulen mit Schwerpunkt Sehen 20m

        Forschungserkenntnisse über das in- bzw. exkludierende Potenzial des Sportunterrichts aus der Perspektive von Schülerinnen mit Behinderung, in diesem Fall Blindheit und Sehbeeinträchtigung (BuS), gelten mit wenigen Ausnahmen als rar, sowohl in inklusiven Settings als auch in spezialisierten Förderschulen (Giese, 2021). Im Beitrag werden erste Ergebnisse aus einem Projekt präsentiert, das sich mit der partizipativen Entwicklung digitaler Unterstützungssysteme im Sport(-unterricht) für Menschen mit BuS beschäftigt.
        Hierzu wird zunächst der Frage nachgegangen, wie Schüler
        innen mit BuS Teilhabe/-barrieren im Sportunterricht im Förderschulsetting erleben. Um bestehende gesellschaftliche Machthierarchien zwischen Menschen mit und ohne Behinderung sowie Forschenden und Beforschten nicht zu reproduzieren, kommt ein partizipativer Forschungsansatz zur Anwendung. Dieser verfolgt das Ziel, die sozio-materielle Wirklichkeit von Akteurinnen aus der Innenperspektive zu rekonstruieren sowie durch Teilhabe am Forschungsprozess Ermächtigung und soziale Transformation anzustoßen (Wöhrer et al., 2017). In Anlehnung an den Mosaic Approach (Clark, 2005) wurden 19 Schülerinnen (7m, 12w) der SEK I und SEK II einer Förderschule mit Schwerpunkt Sehen mittels qualitativen Leitfadeninterviews in Kleingruppen befragt und führten die Forschenden anschließend auf eine Schultour, auf der Fotos von für den Sportunterricht bedeutsamen Orten und Materialien angefertigt wurden. Das Datenmaterial wurde um Feldprotokolle und Interviews mit Sportlehrkräften ergänzt und mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring, 2010) entlang drei deduktiver Kategorien Räume, Gegenstände und Personen (Clark, 2005) ausgewertet, um die sozio-materielle Wirklichkeit des Sportunterrichts mit ihren erlebten Teilhabebarrieren aus der Schülerinnenperspektive zu rekonstruieren.
        Die Ergebnisse verweisen unter anderem auf Kollisionspunkte individueller Raum- und Materialbedarfe mit gesetzlich regulierten Ö-Norm-Vorgaben, aus denen Teilhabebarrieren erwachsen, was nicht zuletzt an einer für diese Zielgruppen spezialisierten Schule verwunderlich erscheint. Mit Blick auf die grundlegenden, auch an Regelschulen anzustrebenden Bemühungen um Inklusion kann die Schüler
        innenperspektive auf Teilhabe/-barrieren maßgebliche Orientierungspunkte bieten.
        Clark, A. (2005). Ways of seeing: Using the Mosaic approach to listen to young children’s perspectives. In A. Clark, A. T. et al. (Hrsg.), Beyond listening: Children’s perspectives on early childhood services (S. 29-49). Bristol University Press.
        Giese, M. (2021). Subjektive Konstruktionen von Teilhabebarrieren im inklusiven Sportunterricht von blinden und sehbeeinträchtigten SchülerInnen. ZSF, 9(2), 6-23.
        Mayring, P. (2010). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Beltz.
        Wöhrer, V. et al. (2017). Partizipative Aktionsforschung mit Kindern und Jugendlichen. Springer.

        Speakers: Brigitta Höger (Universität Wien & Pädagogische Hochschule Oberösterreich), Stefan Meier
      • 16:00
        Perspektiven von SchülerInnen mit und ohne Förderbedarf auf Rollstuhlbasketball im Sportunterricht 20m

        Einleitung
        Die inklusive Schule stellt Sportlehrkräften die Aufgabe, einer sehr heterogenen Gruppe ein för-derndes und forderndes Lernsetting anzubieten. Das vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft geförderte Forschungsprojekts RoBaTaS – Rollstuhlbasketball vermitteln und Talente in der Schule spielend finden (Aktenzeichen: 070402/19-22) verfolgte die Entwicklung und Evaluation eines Ver-mittlungskonzepts für Rollstuhlbasketball im Schulsport von Regel- und Förderschule, welches den Anforderungen eines äußerst heterogenen Lernsettings entspricht. Im Beitrag werden die Perspek-tiven der Schüler*innen der Regelschule thematisiert. Hierbei handelt es sich um SchülerInnen mit und ohne Förderbedarf.

        Methode
        Dazu wurde von Wissenschaftlerinnen, Trainerinnen des Deutschen Rollstuhlsportverbandes und Sportehrkräften gemeinsam ein Unterrichtskonzept entwickelt und in sieben Lerngruppen (vier Lerngruppen an speziellen Sonderschulen, drei Regelschulklassen) der Stufen acht bis 10 umge-setzt. Hierbei wurden Spiel- und Übungsformen entwickelt und miteinander kombiniert, bei denen Rollstuhlnutzerinnen und Fußgängerinnen gemeinsam spielen und üben können. Die Evaluation erfolgte über die Rekonstruktion der Perspektiven der Schülerinnen mithilfe von Leitfaden gestütz-ten Interviews. Die Auswertung der Interviewdaten erfolgte mithilfe der Kodierverfahren der Grouded Theory (Strauss & Corbin, 1996). Nach einem ersten Durchlauf in drei Lerngruppen, er-folgte eine erste, vorläufige Auswertung und die Entwicklung eines vorläufigen Kategoriensystems. Im Anschluss wurde nach einem ausführlichen Reflexionsprozess zwischen Forscherinnen, Leh-rerinnen und Trainerinnen eine weitere Erhebungsphase in vier Lerngruppen durchgeführt. Auch diese Daten wurden offen und axial kodiert und daraus ein finales Kategoriensystem entwickelt.

        Ergebnisse & Diskussion
        Die Schüler*innen-Interviews aus der Regelschule zeigen die Betonung des Miteinanders, sowie die Neugierde und Begeisterung, welche das Spielen im Rollstuhl ausübt. Das Sporttreiben im Rollstuhl hat einen hohen Aufforderungscharakter und das Unbekannte scheint hier reizvoll. Ebenso werden defizitorientierte Sichtweisen auf das Phänomen der (Körper-)Behinderung sichtbar. Das Fahren im Rollstuhl wird als deutliche Abweichung von der Normalität gekennzeichnet, und für Kinder und Ju-gendliche, die immer auf einen Rollstuhl angewiesen sind, wird Mitleid zum Ausdruck gebracht.

        Literatur
        Greve, S. & Süßenbach, J. (2022). Students' perspectives on wheelchair basketball in mainstream and special schools. Frontiers in Education, 7, 963593. https://doi.org/10.3389/feduc.2022.963593
        Strauss, A. & Corbin, J. (1996). Grounded Theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Beltz.

        Speakers: Steffen Greve (Leuphana Universität Lüneburg), Jessica Süßenbach (Leuphana Universität Lüneburg), Stephan Schiemann
    • 15:00 17:00
      AK 4.4: Sportpädagogischer Forschungsdiskurs PC-Pool Raum

      PC-Pool Raum

      Convener: Anne Rischke
      • 15:00
        Geschlechter- und Diversitätsforschung in der Sportpädagogik zwischen den Stühlen – oder gar daneben? 20m

        Abstract

        Diversität ist kein neuer Gegenstand sportpädagogischer Forschung, gewinnt jedoch mit zunehmender Aufmerksamkeit für die Vielfalt der Sporttreibenden auch in der Praxis an Bedeutung. So stehen etwa Sportlehrkräfte vor der Herausforderung eines angemessenen Umgangs mit geschlechterdiversen Schüler*innen, ohne dass ihnen hierfür aktuelle, theoretisch fundierte Konzepte vorliegen.
        Im Vortrag soll anhand eines Literaturdiskurses ausgewählter sportwissenschaftlicher Bezugsdisziplinen der Frage nachgegangen werden, wo sich die Sportpädagogik bzgl. Geschlechter- und Diversitätsfragen theoretisch verortet.

        So untersucht die Erziehungswissenschaft Geschlechterthemen bereits intersektional und auf Basis der Dekonstruktion von Binaritäten (Riegel, 2016). Auch wenn sich sportpädagogische Arbeiten vergleichsweise offen bezüglich geschlechtertheoretischer Ansätze zeigen, werden dekonstruktivistische sowie heteronormativitätskritische Ansätze nicht konsequent berücksichtigt (Heckemeyer, 2019). Damit bleibt die sportpädagogische Forschung hinter den Forschungen ihrer Bezugsdisziplin zurück.

        Mit dem Blick auf naturwissenschaftlich orientierte Bezugsdisziplinen ist zu erkennen, dass z.B. die Sportmedizin durch Fachtraditionen bedingt einem Gender Bias unterliegt und damit zur Reproduktion binärgeschlechtlicher Ordnungen beiträgt (Hartmann-Tews & Rulofs, 2014, Zehnder, 2014). Hier stellt sich die Frage, inwiefern die binären Denkordnungen der Naturwissenschaften durch die Sportpädagogik aufgegriffen werden.

        Aufgrund der zentralen Bedeutung des Körpers in sportbezogenen Settings gilt es die Konstruktion körperbezogener Kategorien, wie Geschlecht oder Behinderung, aus sportpädagogischer Perspektive zu reflektieren. Ausgehend von ersten Analysen ist die Verortung der Sportpädagogik kritisch zu diskutieren und zu fragen, ob der Einbezug dekonstruktivistischer sowie machtkritischer Theorien ein Gewinn für die Diversitätsforschung im Sport sein kann.

        Literatur

        Hartmann-Tews, I., & Rulofs, B. (2014). Gender Bias in der Forschung – ein blinder Fleck der Sportmedizin? In D. Schulz, S. Völker & E. Kleinau (Hrsg.), Gender in Bewegung: Aktuelle Spannungsfelder der Gender und Queer Studies (1. Aufl., S. 241-255). transcript.

        Heckemeyer, K. (2019). Sportwissenschaften: Geschlechterforschung als konstitutiver Beitrag zur Analyse sozialer Ordnungen im Sport. In B. Kortendiek, B. Riegraf & K. Sabisch (Hrsg.), Handbuch interdisziplinäre Geschlechterforschung (S. 691-698). Springer VS.

        Riegel, C. (2016). Bildung – Intersektionalität – Othering. Pädagogisches Handeln in widersprüchlichen Verhältnissen. transcript.

        Zehnder, K. (2014). Man rennt ja nicht mit dem Penis – Eine Analyse medizinisch vergeschlechtlich-ter Frauenkörper im Sport. Body Politics, 2(3), 125–144. https://doi.org/10.4324/9780429442469-3

        Speakers: Ronja Kim Haase (Universität Bielefeld), Valerie Kastrup (Universität Bielefeld)
      • 15:20
        Sportförderunterricht – eine Betrachtung aus unterschiedlichen Perspektiven 20m

        Sportförderunterricht ist eine zusätzliche unterrichtliche Veranstaltung für Schüler*innen mit motorischen und psycho-sozialen Auffälligkeiten und zielt darauf ab, diese zu kompensieren, die Bewegungsentwicklung positiv zu beeinflussen sowie die Persönlichkeitsentwicklung durch Bewegung, Spiel und Sport zu fördern (KMK, 2022). In den letzten Jahren wurde der wissenschaftliche Diskurs in der Sportpädagogik um den Sportförderunterricht besonders durch die Themen Inklusion und individuelle Förderung geprägt. Im Kern geht es darum, ob Sportförderunterricht als Form der äußeren Differenzierung im inklusiven Schulsport seine Berechtigung findet bzw. wie er als Maßnahme der individuellen Förderung unter Berücksichtigung des Doppelauftrags des Schulsports eingeordnet werden kann.
        Im Vortrag werden zunächst wichtige Begriffe erläutert und zentrale Bezugsdokumente vorgestellt, aus denen sich die Förderpflicht in Schule und Schulsport ergibt. Durch eine Strukturierung bildungswissenschaftlicher (Hasselhorn et al., 2019), (grundschul)pädagogischer (Sandfuchs, 2019) und sportpädagogischer Perspektiven (Kurth & Klein, 2017; Pfitzner & Neuber, 2012; Tiemann & Hofmann, 2010), sollen verschiedene Einblicke in den aktuellen Diskurs zur Frage der Angemessenheit individueller Förderung in Form äußerer Differenzierung als (Sport-)Förderunterricht eröffnet werden - steht dies doch möglicherweise im Spannungsfeld zur der aus dem Inklusionsziel abgeleiteten Forderung „keine Sonderstellung für Einzelne!“ (Hasselhorn et al., 2019). Abschließend werden Entwicklungspotenziale des Sportförderunterrichts aufgezeigt.

        Literatur:
        Hasselhorn, M., Decristan, J., Klieme, E. (2019): Individuelle Förderung. In O. Köller, M. Hasselhorn, F. W. Hesse, K. Maaz., J. Schrader (Hrsg), Das Bildungswesen in Deutschland: Bestand und Potenziale (S. 375-401). Klinkhardt.
        KMK (Kultusministerkonferenz) (2022): Grundsätze für die Durchführung von Sportförderunterricht [Elektronische Version]
        Kurth, A., Klein, D. (2017): Sportförderunterricht aktuell. Zwischen Inklusion und individueller Förderung. Sportunterricht, 66 (3), 71 – 76.
        Pfitzner, M., & Neuber, N (2012). Individuelle Förderung. Fachdidaktische Konzepte, Bedingungen und didaktische Empfehlungen. sportpädagogik, 5, 2-8.
        Sandfuchs, U. (2019). Fördern in innerer und äußerer Differenzierung. In E. Kiel, B. Herzig, U. Maier, U. Sandfuchs (Hrsg.), Handbuch Unterrichten an allgemeinbildenden Schulen (S. 193-202). Klinkhardt.
        Tiemann, H., Hofmann, A. R. (2010): Vom Sportförderunterricht zum Sportunterricht in inklusiven Settings. In H. Lange, S. Sinning (Hrsg.): Handbuch Methoden im Sport (S. 106-116). Spitta.

        Speaker: Andrea Kurth (Deutsche Sporthochschule Köln)
      • 15:40
        Das Forschungsprofil der Sportpädagogik/-didaktik als Kontext für wissenschaftliche Karrieren 20m

        Karrieren sind „gerichtete, aber kontingente und riskante Sequenzen von sozialen Posi-tionen“ (Mayer, 2002, S. 422), die je nach Branche abhängig sind von einer bereichs-spezifischen Gemengelage aus Akteuren, Praktiken und Strukturen. Karrieren in der Wissenschaft sind wesentlich durch strukturelle Merkmale des akademischen Systems geprägt. Disziplinäre Konstellationen spielen in diesem Zusammenhang eine wesentli-che Rolle.

        Wissenschaftliche Disziplinen lassen sich als „epistemische Wissensordnungen“, „insti-tutionelle Strukturen“ sowie „soziale Institutionen“ betrachten (Wissenschaftsrat, 2020, S. 8). Für die Disziplin Sportpädagogik/-didaktik liegen in Hinblick auf die Produktion von Wissen vielfältige theoretische und empirische Standortbestimmungen vor (z. B. Jaitner et al., 2021). Auch die disziplinäre Struktur(entwicklung) ist regelmäßiger Gegenstand von Reflexion (z. B. Thiele, 2021). Wir fokussieren die soziale Dimension und stellen ein Forschungsprojekt vor, welches das kollektive Forschungsprofil der Sportpädagogik/-didaktik u. a. als Kontext für wissenschaftliche Karrieren untersucht. Die Studie kann u. a. Hinweise darauf geben, welche Karrierewege von welchen Forschungspraktiken be-günstigt werden (z. B. Akkumulation bestimmter Forschungsfelder) und welche stärkerer Passungsarbeit bedürfen (z. B. Leerstellen).

        Theoretisch konzipieren wir dazu wissenschaftliche Karrieren als soziale Herstellungs-leistungen zwischen Habitus von (Nachwuchs-)Wissenschaftler:innen und objektivierten Strukturen des Feldes (Elven et al., 2018). Mit Blick auf die inhaltliche Dimension geht es zur Bearbeitung von Karrieren dann v. a. auch um ein Sich-Ins-Verhältnis-Setzen zum Forschungsprofil der Disziplin. Um dieses zu beschreiben, wird eine strukturierende Qualitative Inhaltsanalyse (Kuckartz & Rädiker, 2022) zu sportpädagogischen/-didaktischen Forschungsschwerpunkten und -projekten in Deutschland durchgeführt. Im Beitrag stellen wir die Studie vor und präsentieren erste Ergebnisse.

        Literatur
        Elven, J., Schwarz, J., Weber, S. M., & Wieners, S. (2018). Organisation, Sozialisation und Passungs-verhältnisse im wissenschaftlichen Feld: Potenziale qualitativer Mehrebenenanalysen für die re-konstruktive Laufbahnforschung. Zeitschrift für Qualitative Forschung, 19(1+2), 307-323.
        Jaitner, D., Körner, S., & Serwe-Pandrick, E. (2021). „Claim vs. reality” – A German case study on modes and functions of sport-pedagogical communication. Frontiers in Sports and Active Living (Physi-cal Education and Pedagogy), 3, 775322.
        Kuckartz, U., & Rädiker, S. (2022). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstüt-zung (5. Aufl.). Beltz Juventa.
        Mayer, K. U. (2002). Wissenschaft als Beruf oder Karriere? In W. Glatzer, R. Habich, & K. U. Mayer (Hrsg.), Sozialer Wandel und gesellschaftliche Dauerbeobachtung (S. 421-438). VS Verlag für Sozialwissenschaften.
        Thiele, J. (2021). Sportpädagogik: Differenzierungsprozesse und aktuelle Entwicklungen. In A. Güllich & M. Krüger (Hrsg.), Sport in Kultur und Gesellschaft (S. 3-13). Springer VS.
        Wissenschaftsrat. (2020). Wissenschaft im Spannungsfeld von Disziplinarität und Interdisziplinarität. Po-sitionspapier. Drs. 8694-20.

        Speakers: Daniel Schiller (Universität Osnabrück), David Jaitner (TU Braunschweig)
      • 16:00
        Der Sportunterricht an Förderschulen - ein "blinder Fleck" der Sportpädagogik? 20m

        Ausgangspunkt des Beitrags ist die Annahme Thieles (2021, S. 12), dass für die außerschulische Sportpädagogik „blinde Flecke konstatierbar sind, die einer systematischen Bearbeitung harren“. Hieran anschließend möchten wir die These entfalten, dass auch in dem für die Sportpädagogik zentralen Arbeitsgebiet des Schulsports solche dauerhaften Ausblendungen bestehen. Konkretisiert wird diese These mit Blick auf den Sportunterricht an Förderschulen, der Hölter (1996, S. 47) zufolge im „Windschatten der Fachliteratur, Richtlinien und Fachaufsicht“ eine von der allgemeinen Sportpädagogik abgekoppelte Fachkultur entwickelt hat. Hiermit in Zusammenhang stehen dürfte die langjährige Vernachlässigung sonderpädagogischer Fragen im sportpädagogischen Diskurs, was sich bis in die jüngste Zeit hinein auch in einer weitgehenden Nichtbeachtung des Sportunterrichts an Förderschulen im Rahmen der empirischen Schulsportforschung zeigt (zsf. Brand, Rischke & Zimlich, 2016). In der Diskussion um einen inklusiven Schulsport haben Schüler*innen, denen ein sogenannter sonderpädagogischer Förderbedarf zugeschrieben wird, zwar zunehmende Aufmerksamkeit erhalten (z.B. Giese & Weigelt, 2017). Immerhin 55,5% von ihnen wurden aber laut KMK (2022) im Schuljahr 2021/22 weiterhin in Förderschulen unterrichtet, deren institutionelles Bestehen trotz der Reformbemühungen um ein inklusiver werdendes deutsches Bildungssystem keineswegs konsequent beendet wurde. Jenseits einer wertenden Positionierung zu der ambivalenten Rolle schulischer Sonderstrukturen im Kontext inklusiver Bildung, werden Ursachen sowie Implikationen des Ent- und Fortbestehens dieses „blinden Flecks“ der Sportpädagogik abschließend vor dem Hintergrund möglicher Spannungsfelder ihres disziplinären Selbstverständnisses diskutiert und im Sinne des Tagungsthemas auf die Frage bezogen, ob „Informationen zu einer Kalibrierung der Sportpädagogik abgeleitet werden können“ (CfP, 2023)

        Literatur
        Brand, S., Rischke, A., & Zimlich, M. (2016). Sonderpädagogische Professionalität im Kontext inklusiver Schulen aus sportpädagogischer Perspektive. Zugriff unter: https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/381
        Giese, M., & Weigelt, L., (2017). Inklusiver Sport- und Bewegungsunterricht: Theorie und Praxis aus Sicht der Förderschwerpunkte. Meyer & Meyer.
        Hölter, G. (1996). „Suchbewegungen im Windschatten“. Zur Profilierung einer Bewegungserziehung aus sportdidaktischer und sonderpädagogischer Sicht. In H. Aschebrock (Red.), Bewegungserziehung und Sport in der sonderpädagogischen Förderung (S. 46-58). Verl. für Schule und Weiterbildung.
        KMK (2022). Sonderpädagogische Förderung in Förderschulen 2021/2022. Zugriff unter:https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Statistik/Dokumentationen/Aus_Sopae_2021.pdf
        Thiele, J. (2021). Sportpädagogik: Differenzierungsprozesse und aktuelle Entwicklungen. In A. Güllich, & M. Krüger (Hrsg.), Sport in Kultur und Gesellschaft (S. 1-12). Springer.

        Speakers: Anne Rischke, Matthias Zimlich (Uni Würzburg)
      • 16:20
        Wider die Position – Zur Beantwortung der Frage, warum sich Wissenschaft Hindernisse in den Weg stellen sollte. 20m

        Die Sportpädagogik ist eine Disziplin, die epistemische Brüche und Zäsuren respektive divergierende Zielerwartungen balancieren muss. Als Teil der Sportwissenschaft ist, der ihr zugeschriebene Platz zwischen den Stühlen, der Pluralität von Zugängen dieses Wissenschaftsfelds geschuldet, die sich auf das Phänomen Sport beziehen, aber auch aus dem Phänomen Sport resultieren oder sogar vom Sport säkularisiert Bewandtnis erfahren. Zu nennen sind in Bezug zu letzterem insb. ästhetische, kulturelle, erkenntnistheoretische, gesundheitliche aber auch medizinische Fragestellungen, die sich durch Verortungsdynamiken ab- und eingrenzen. Dadurch zeichnen sich erhebliche epistemische Krisen ab (z.B. Krise des olympischen Spitzensports, Krise der dicken Kinder, etc.), auf welche oftmals quasi-technologisch mit einer Mehr-desselben-Strategie (Kliewer, 2020) reagiert wird (‚anwendungsbezogene Wissenschaft‘, ‘von der Praxis für die Praxis ‘).
        Der geplante Beitrag möchte einen Vorschlag unterbreiten, auf solche Krisen mit transdisziplinärer Verwissenschaftlichung (Bachelard, 1987 [1938]) zu reagieren. Dazu wird die Frage nach Erkenntnisfortschritt gestellt, welcher „unter dem Begriff des Hindernisses angegangen werden“ muss (ebd., S. 46). Einer wissenschaftlichen Bildung muss es in erster Linie darum gehen (und das ist conditio sine qua non für einen Bildungsbegriff) die Differenz – bzw. den epistemologischen „Bruch“ (ebd., S. 54) – zwischen Alltagsdenken und wissenschaftlicher Erkenntnis anzuerkennen (ebd., S. 345). Daher soll gefragt werden, welche Antworten transferlogische Überlegungen auf jene differenztheoretischen Fragen des epistemologischen Bruchs haben.
        Um dieses Vorhaben zu verdeutlichen, wird es exemplarisch am aktuellen Diskurs zu dem Thema „Zwischen Bewegungszeit und kognitiver Aktivierung“ (dvs-Workshop Schulsport 2030) durchgeführt. Hier wird die Frage um eine Neuausrichtung des Schulsports (Gerlach & Sygusch, 2022) prominent sowie kontrovers – aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven – diskutiert. In Anlehnung an den Ausschreibungstext zur Tagung wird aufgezeigt, wie Wissenschaftsverständnis und Gegenstandsbestimmung die Position der Sportpädagogik bestimmen und eine Korrektur oder Neubestimmung von transdisziplinärer Erkenntnispraxis profitieren könnte.

        Literatur
        Bachelard, G. (1987 [1938] ). Die Bildung des wissenschaftlichen Geistes: Beitrag zu einer Psychoanalyse der objektiven Erkenntnis (1. Aufl.). Suhrkamp-Taschenbuch
        Gerlach, E. & Sygusch, R. (2022). Schulsport 2030: Zwischen Bewegungszeit und kognitiver Aktivierung. Abgerufen von https://www.sportwissenschaft.de/veranstaltungen/dvs-tagungen/dvs-tagungen-2023/23-schulsport-2030/
        Kliewer, J. (2020). Gesundheitsberichterstattung im Spannungsverhältnis von Theorie und Praxis: Transdisziplinäre Betrachtungen der Grundlagen sowie des Wirkungsanspruchs von Gesundheitsberichterstattungen mit dem Fokus eines universitären Settings. Masterthesis, Goethe Universität Frankfurt.

        Speakers: Christian Gaum (Ruhr-Universität Bochum), Joshua Kliewer (Goethe-Universität Frankfurt)
    • 15:00 17:00
      AK 4.5: Mitsprechen, Mitbestimmen und Mitgestalten – Partizipationsmöglichkeiten bei Bewegung, Spiel und Sport in schulischen Angeboten und im Sportverein FEL03

      FEL03

      Convener: Christoph Kreinbucher-Bekerle (Uni Graz)
      • 15:00
        Bewerten und beteiligen? Schüler*innen-Partizipation bei der Leistungsbeurteilung aus der Perspektive von Sportlehrkräften 20m

        Problemstellung
        Bei der Leistungsbeurteilung stehen Lehrkräfte angesichts der widersprüchlichen Funktionen vor der Herausforderung, Schüler*innen zu bewerten und zugleich Beteiligungs-möglichkeiten für sie zu schaffen (Beutel & Beutel, 2010). Der Sportunterricht bietet als demokratisches Forum insgesamt günstige Bedingungen zur Implementation von Parti-zipation (Neuber, 2019). In diesem Beitrag werden erstens Situationstypen der Partizipa-tion bei der Leistungsbeurteilung im Sportunterricht ermittelt und zweitens Motive zur Umsetzung dieser aus der Perspektive von Sportlehrkräften rekonstruiert.

        Theoretischer Hintergrund
        Die sogenannte neue Lernkultur erfordert einen selbstverantworteten Lern- und Leistungsprozess und damit eine Partizipation der Schüler*innen (Winter, 2020). In Anleh-nung an offene Konzepte (Bohl, 2009) sowie alternative Beurteilungsmethoden (Beutel & Pant, 2020) werden verschiedene Aspekte der Leistungsbeurteilung interdisziplinär her-geleitet und für den Sportunterricht konkretisiert.

        Methode
        Die Stichprobe umfasst 18 Sportlehrkräfte an weiterführenden Schulen, die mit problem-zentrierten Interviews befragt wurden. Die Daten werden als wörtliche Transkriptionen aufbereitet und mithilfe einer inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse mittels deduktiv-induktiver Kategorienbildung ausgewertet (Kuckartz, 2018).

        Ergebnisse
        Anhand der Ergebnisse lassen sich die partizipationsrelevanten Situationstypen Leis-tungsvereinbarung, -erbringung, -feststellung, -bewertung und -reflexion ermitteln und jeweils weiter ausdifferenzieren. Die Lehrkräfte ermöglichen hierbei in unterschiedli-chem Maße Partizipation zwischen (Fremd-,) Mit- und Selbstbestimmung. Die rekonstruierten Motive der Lehrkräfte zur Ermöglichung von Partizipation variieren zwischen unterrichtsimmanenten, pragmatisch-organisatorischen oder persönlichkeitsentwicklungsbe-zogenen Beweggründen und werden im Beitrag detailliert dargestellt.

        Literatur
        Beutel, S.-I., & Beutel, W. (Hrsg.). (2010). Beteiligt oder bewertet? Leistungsbeurteilung und Demokra-tiepädagogik. Wochenschau.
        Beutel, S.-I., & Pant, H.A. (2020). Lernen ohne Noten: Alternative Konzepte der Leistungsbeurteilung. Kohlhammer.
        Bohl, T. (2009). Prüfen und Bewerten im Offenen Unterricht. Beltz.
        Kuckartz, U. (2018). Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Beltz Juven-ta.
        Neuber, N. (2019). Demokratie und Schulsport - Ein vielversprechende Beziehung? Sportpädagogik, 43(2), 52-54.
        Winter, F. (2020). Leistungsbewertung: Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit den Schülerleistungen (8., unveränderte Aufl.). Schneider Hohengehren.

        Speaker: Lorena Menze (Universität Potsdam)
      • 15:20
        Entwicklung und Erprobung eines Fragebogens zu Beteiligungsmöglichkeiten von Schüler:innen im Sportunterricht 20m

        Einleitung
        Demokratische Partizipation und Beteiligungsmöglichkeiten von Schüler:innen gelten als wesentlicher Bildungsauftrag und Querschnittsthematik für die Schulentwicklung (Budde, 2010; Beutel, 2016). Dies zeigt sich bereits in vereinzelten Arbeiten zum Sportunterricht (Derecik & Menze, 2019), wobei es bislang noch keinen standardisierten Fragebogen zur Erhebung von Beteiligungsmöglichkeiten von Schüler:innen gibt.

        Methode
        Daher wurde ein solcher auf Basis demokratischer Partizipation im Allgemeinen (Eikel, 2007) sowie Gestaltungsmöglichkeiten rund um den Sportunterricht (Miethling & Krieger, 2004) in einem Matrixdesign mit 21 Items konzipiert. An einer ersten Erprobung nahmen 253 Schüler:innen (11-15 Jahre, M = 12,3; SD = 1,22; 48,2% weiblich) und deren 10 Lehrkräfte teil (28-64 Jahre, M = 45,2; SD = 14,09), bei der zur Validierung weitere Skalen aus dem Themenkomplex Inklusion, Partizipation und den psychologischen Grundbedürfnissen (BPNS) verwendet wurden.

        Ergebnisse
        Reliabilitäts- und Validitätsanalysen ergeben ein hohes Cronbach-Alpha von 0,82 für 12 Items und eine hohe Konsistenz mit anderen Skalen („agentic engagement“: r = .40; p < .001; BPNS: r = .61; p < .001). Der finale Fragebogen umfasst drei Ebenen der Beteiligung und leitet inhaltsspezifische sowie übergeordnete Themen ab. Schüler:innen und ihre Lehrkräfte scheinen Beteiligungsmöglichkeiten unterschiedlich zu beurteilen, so zeigen sich positivere Werte bei Lehrkräften als bei Schüler:innen (t13,54 = 4,01; p = 0,003).

        Diskussion
        Der neu konzipierte und erstmals erprobte Fragebogen zu Beteiligungsmöglichkeiten im Sportunterricht scheint ein brauchbares Erhebungsinstrument zu sein und ist sensitiv hinsichtlich möglicher Unterschiede zwischen Schüler:innen und deren Lehrkräfte. Mit dem Einsatz des aktuellen Fragebogens bietet sich eine gemeinsame Gestaltung schulischen Unterrichts an, um die eigene Unterrichtspraxis zu reflektieren und mögliche Zugänge zu Beteiligungsmöglichkeiten zu eröffnen.

        Literatur
        Beutel, W. (2016). Demokratiepädagogik als Querschnittsaufgabe aktueller Schulentwicklung. DDS – Die Deutsche Schule, 108(3), 226-238.
        Budde, J. (2010). Inszenierte Mitbestimmung?! Soziale und demokratische Kompetenzen. Zeitschrift für Pädagogik, 56 (3), 384-401.
        Derecik, A. & Menze, L. (2019). Mittendrin und auch dabei? – Demokratische Partizipation im Sportunterricht und in Sportangeboten im Ganztag. Zeitschrift für sportpädagogische Forschung, 7(1), 49-66.
        Eikel, A. (2007). Demokratische Partizipation in der Schule. In A. Eikel & G. De Haan (Hrsg.), Demokratische Partizipation in der Schule, S. 7-41, Wochenschau.
        Miethling, W.-D. & Krieger, C. (2004). Schüler im Sportunterricht: Die Rekonstruktion relevanter Themen und Situationen des Sportunterrichts aus Schülersicht (RETHESIS). Hofmann.

        Speakers: Christoph Kreinbucher-Bekerle (Uni Graz), Sebastian Ruin (Universität Graz)
      • 15:40
        Partizipationskultur in Ganztagsschulen – Chancen der Partizipationsförderung über Bewegung und Sport 20m

        Ausgangslage
        Die Vierte Worldvision Kinderstudie (2018) zeigt, dass im System Schule die Partizipati-on von Kindern noch nicht selbstverständlich mitgedacht bzw. umgesetzt wird, obwohl sich die Fachwelt einig darüber ist, dass die Teilhabe von Kindern positive Auswirkun-gen sowohl auf die individuelle Persönlichkeitsentwicklung als auch auf die sozialen Gruppen und Systeme hat, in den sich die Kinder bewegen. Ganztagsschulen werden dabei besondere Möglichkeiten zur Partizipationsförderung zugeschrieben (Wagener, 2013, S. 75). Nach Stötzel und Wagener (2014, S. 60) können Partizipationschancen des Ganztags nur genutzt werden, wenn ein gemeinsames, ganztägiges Bildungskonzept umgesetzt wird. Sport- und Bewegungsangebote und -anlässe können vielfältige Mög-lichkeiten für Partizipation von Schülern bieten. Sie sind erfahrungsorientiert und interak-tiv (vgl. Neuber 2019, S. 52) und lassen Partizipation erleben und erfahren und können somit einen wesentlichen Beitrag zur Demokratieerziehung leisten.

        Methode
        Über eine qualitative Dokumentenanalyse nach Mayring (2015) werden die aktuellen Schulprogramme und Internetauftritte der teilnehmenden Grundschulen gesichtet und auf partizipative Strukturen und Lernarrangements hin untersucht. Den zweiten methodi-schen Zugang bilden leitfadengestützte Gruppeninterviews mit unterschiedlichen Akteu-ren der Ganztagsgrundschule.

        Ergebnisse
        Erste, vorläufige Ergebnisse aus der Dokumentenanalyse zeigen, dass es eine Vielzahl an partizipationsfördernden Strukturen und Arrangements in Ganztagsgrundschulen gibt, die nur in Teilen miteinander inhaltlich und strukturell über den ganzen Tag in Verbin-dung stehen. Die leitfadengestützten Interviews geben erste Hinweise auf ein ähnliches Verständnis der unterschiedlichen Professionen im Hinblick auf Schülerpartizipation. Al-lerdings sind bisher an wenigen Stellen die konkrete Zusammenarbeit Professionen bzw. die Nutzung gemeinsamer Strukturen und Arrangements für die Partizipationsförde-rung zu erkennen. Die Rückmeldungen der Ganztagsakteure lassen darauf schließen, dass Sport- und Bewegungsanlässe sich für die Förderung der Schülerpartizipation eig-nen. Ob dies über Sport und Bewegung stärker geschieht als in anderen Fächern und durch andere Bereiche, ist noch unklar.

        Literatur
        Andresen, S. & Neumann, S. Kinder in Deutschland 2018: Was ist los in unserer Welt? (Kinder in Deutschland). Weinheim, Basel. Kantar Public; World Vision Deutschland e.V.; Julius Beltz GmbH & Co. KG.
        Mayring, P. (2015). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken (12. überarbeitete Ausgabe). Beltz.
        Neuber, N. (2019). Demokratie und Schulsport - eine vielversprechende Beziehung? Sportpädagogik, 43(2), 52–54.
        Stötzel, J. & Wagener, A. L. (2014). Historische Entwicklungen und Zielsetzungen von Ganztagsschulen in Deutschland. In T. Coelen & L. Stecher (Hrsg.). Die Ganztagsschule. Eine Einführung. S. 49-64.
        Wagener, A. L. (2013). Partizipation von Kindern an (Ganztags-)Grundschulen. Ziele, Möglichkeiten und Bedingungen aus Sicht verschiedener Akteure. Weinheim und Basel: Beltz Juventa Verlag.

        Speaker: Anika Krumhöfner (WWU Münster)
      • 16:00
        Die Perspektiven von Schüler:innen auf bewegungsbezogene Schulfahrten in Hinblick auf Partizipation und Mitbestimmung 20m

        Einleitung
        Bewegungsbezogene Schulfahrten als Teil des außerunterrichtlichen Schulsports leisten neben dem Sportunterricht einen wesentlichen Beitrag zur Bewegungsförderung (Naul et al., 2020), wobei Teilhabemöglichkeiten aller Schüler:innen erst in einzelnen empiri-schen Arbeiten angedeutet wurden (Kreinbucher-Bekerle et al., 2021). Aufgrund einer hohen Flexibilität in der Gestaltung (Balz, 2010), könnten solche Angebote als geeigne-tes Handlungsfeld für die Erprobung demokratischer Partizipation dienen (Derecik & Menze, 2019). Die Schüler:innen-Perspektive wurde dahingehend bislang noch nicht berücksichtigt.

        Methode
        47 Schüler:innen (M = 13,9 Jahre; SD = 0,87; 38,3% weiblich) wurden in 14 leitfadenge-stützten Gruppeninterviews zu ihrer Perspektive auf bewegungsbezogene Schulfahrten befragt. Der Leitfaden gliederte sich in die Teilbereiche Angebotsformen, Vorbereitung, Teilnahmemöglichkeiten, Feedback und Covid-19-bezogene Einflüsse.

        Ergebnisse
        Die Schüler:innen nennen unterschiedliche Angebote von bewegungsbezogenen Schul-fahrten wie Klassenfahrten oder Wandertage. Sechs Kategorien wurden in einer qualita-tiven Inhaltsanalyse abgeleitet: a) Persönliche Relevanz, b) Motive für (Nicht-)Teilnahme, c) Positive Erfahrungen, d) Herausforderungen, e) Wünsche und Ideen, f) Feedbackmög-lichkeiten. Bei persönlicher Relevanz und Motiven werden hauptsächlich sozial-erzieherische Funktionen von bewegungsbezogenen Fahrten angedeutet, als heraus-fordernde Situationen gelten Covid-19 Restriktionen. Zahlreiche Ideen zur Gestaltung von bewegungsbezogenen Schulfahrten werden angeführt, Schüler:innen würden je-doch mehr in diese eingebunden werden und adäquate Möglichkeiten für Rückmeldun-gen erhalten.

        Diskussion
        Die Ergebnisse verdeutlichen die Relevanz von bewegungsbezogenen Schulfahrten für Schüler:innen. Auffällig erscheint der Wunsch mehr Möglichkeiten der Beteiligung und Mitbestimmung in Vorbereitung und Durchführung zu erhalten. Eine Berücksichtigung dieser Perspektive scheint essentiell, um die Qualität der Angebote zu erhöhen und Schüler:innen vielfältige und freudvolle Möglichkeiten bei Bewegung, Spiel und Sport zu ermöglichen.

        Literatur
        Balz, E. (2010). Außerunterrichtlicher Schulsport. In N. Fessler, A. Hummel & G. Stibbe (Hrsg.), Hand-buch Schulsport (S. 373-387). Schorndorf: Hofmann.
        Derecik, A. & Menze, L. (2019). Mittendrin und auch dabei? – Demokratische Partizipation im Sportun-terricht und in Sportangeboten im Ganztag. Zeitschrift für sportpädagogische Forschung, 7(1), 49-66.
        Kreinbucher-Bekerle, C., Kalcher, M. & Gasteiger-Klicpera, B. (2021). Die Teilnahme an bewegungsbe-zogenen Schulfahrten von Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen aus Elternperspek-tive. Zeitschrift für sportpädagogische Forschung, 6(2), 25-39.
        Naul, R., Aschebrock, H., Niehues, D., Utesch, T (2020). Germany: Home of Curricular and Extra-Curricular School Sports. In R. Naul & C. Scheuer (Hrsg.), Research on Physical Education and School Sport in Europe (106-154). Meyer & Meyer.

        Speakers: Christoph Kreinbucher-Bekerle (Uni Graz), Julia Mikosch (Universität Graz)
      • 16:20
        Mitsprechen, Mitbestimmen und Mitgestalten – Möglichkeiten der Partizipation im Sportverein aus der Perspektive junger Erwachsener 20m

        Schlüsselwörter: Partizipation, Sportverein
        Problemstellung
        Mit der Forderung einer Partizipationsförderung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, ist der Wunsch verbunden, dass sie sich positiv auf die tätigen Individuen, als auch die Institution auswirkt – so z.B. im Sportverein. Die Perspektive von Heranwachsenden sollte bei der Forderung nach mehr Beteiligung in den Blick genommen werden. Ihre Bereitschaft kann eine wichtige Größe für gelingende Partizipation darstellen (Fatke & Schneider, 2005). Ursprung der Theorie der Mitbestimmung, Mitsprache und Mitgestaltung liegt im gemeinsamen Handeln von Menschen (Eikel, 2007). Zur Zeit der Corona Pandemie hat die Sportpraxis „zusammen vor Ort“ aber in einem relevanten Zeitraum nicht stattfinden können. Etablierte Strukturen der Beteiligung konnten nicht aufrechterhalten werden, so wurden (notgedrungen) auch neue Formate erprobt. Eine genauere Analyse von Partizipationsmöglichkeiten aus der Sicht junger Erwachsener im Sportverein, sollen in diesem Beitrag unter besonderer Berücksichtigung der Corona Pandemie dargestellt werden.
        Methode
        Im Sinne einer Methodentriangulation werden Daten aus zwei Erhebungsphasen für die Betrachtung der Fragestellung nach Partizipationsmöglichkeiten von Heranwachsender im Sportverein genutzt. Die Stichprobe der ersten Erhebung umfasst 12 Sportler:innen (17-27 Jahren), die mit einem qualitativen, problemzentrierten Interview kurz nach dem Lockdown im Sommer 2021 befragt wurden. Ergänzend wurden zum Ende des Jahres 2022 sechs Fokus-Gruppen-Interviews mit Sportler:innen durchgeführt, die in unterschiedlichen partizipativen Sportvereinsstrukturen aktiv sind. Die Daten werden als wörtliche Transkriptionen aufbereitet. Die Auswertung erfolgt mittels inhaltlich strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse, sowie einer deduktiv-induktiven Kategorienbildung (Kuckartz, 2018).
        Ergebnisse
        Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass Heranwachsende traditionelle Formen der Partizipation (z.B. Amt im Jugendvorstand) als relevant erachten, darüber hinaus aber innovative Ideen der Mitbestimmung, Mitsprache und Mitgestaltung umsetzen wollen. Die veränderten Bedingungen während der Pandemie scheinen neue Formate und Freiräume für Partizipation ermöglicht zu haben (z.B. im Bereich der digitalen Räume). Gleichzeitig brachen funktionierende Strukturen der Partizipation junger Sportler:innen weg. Chancen und Herausforderungen für eine Partizipationsförderungen im Sportverein werden in den Bereichen der Sportgruppe und des Vereins analysiert und Verbindungen zwischen beiden Ebenen aufgezeigt.
        Literatur
        Eikel, A. & Haan, G. d. (Hrsg.). (2007). Demokratische Partizipation in der Schule. Ermöglichen, fördern, umsetzen. Schwalbach: Wochenschau-Verlag.
        Fatke, R. & Schneider, H. (2005). Kinder- und Jugendpartizipation in Deutschland. Daten, Fakten, Perspektiven. Gütersloh.
        Kuckartz, U. (2018). Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Beltz Juventa.

        Speakers: Sarah Quade (Universität Münster), Nils Neuber (Uni Münster)
    • 15:00 17:00
      AK 4.6: Zwischen Generik und Fachspezifität – Aktuelle Unterrichts- und Professionalisierungsforschung im Fach Sport Turnhalle (oben)

      Turnhalle (oben)

      Convener: Sophie Engelhardt (Eberhard Karls Universität Tübingen)
      • 15:00
        Entwicklung eines lerngegenstandsbezogenen Rahmenmodells von Unterrichtsqualität 20m

        Die Unterrichtsforschung entwickelte Unterrichtsqualitätsmodelle, die als weitestgehend fachübergreifend begriffen wurden und werden. Es wurde jedoch deutlich, dass die verschiedenen (Sub-)Dimensionen der Unterrichtsqualität fachspezifisch ausdifferenziert werden müssen, um die Unterrichtsprozesse in den Fächern adäquat beschreiben zu können (u.a. Praetorius et al., 2020).
        Damit rückt eine fachdidaktische Unterrichtsforschung in den Fokus, welche ausgehend vom jeweiligen Gegenstand des Faches (z. B. Bewegung, Experimente, Kommunikation) spezifische Lehr- und Lernprozesse beschreiben und konkrete (Sub-)Dimensionen qualitätsvollen Fachunterrichts ableiten. In Abhängigkeit der didaktischen und lerntheoretischen Fundierung der Fächer werden unterschiedliche Kognitionen als bedeutsam erachtet, um fachbezogene Lernprozesse bei Schüler*innen zu unterstützen. Damit stellt sich die Frage, ob sich ein Rahmenmodell qualitätsvollen Fachunterrichts erarbeiten lässt.
        In mehreren Austauschtreffen der fach- und disziplinübergreifenden Arbeitsgruppe 5 des Leibniz-Netzwerk Unterrichtsforschung (Mitglieder: C. Bertram, C. Herrmann, S. Keller, A. Lindmeier, A. Praetorius, P. Schreyer, M. Steffensky, S. Taut, I. Winkler) wurden Ähnlichkeiten und Unterschiede der fachspezifischen Konzeptionen über die Fächer (u.a. Englisch, Mathematik, Deutsch, Sport, Chemie, Geschichte) verglichen, um ein einheitliches Verständnis von Unterrichtsqualität zu generieren.
        Es wurde deutlich, dass gewisse Qualitätsdimensionen (z. B. Klassenführung und sozio-emotionale Unterstützung) in allen Fächern wichtig sind, jedoch unterschiedliche Relevanz besitzen und auf Ebene der Subdimensionen unterschiedlich ausdifferenziert werden (z. B. Sicherheit im Fach Sport). Insbesondere die kognitive Aktivierung wird in jeder Fachdidaktik unterschiedlich definiert und erweitert. So wird beispielsweise im Fach Sport auch eine kognitiv-motorische Aktivierung (Herrmann & Gerlach, 2020) und im Literaturunterricht eine kognitiv-emotionale Aktivierung (Hesse & Winkler, 2022) vorgeschlagen. Entsprechend wird diskutiert, ob und wie die Dimension Aktivierung lernziel- und gegenstandsorientiert ausdifferenziert werden kann. Es wird geprüft, ob der kognitiven Aktivierung weitere Typen der lerngegenstandsbezogenen Aktivierung zur Seite gestellt werden soll. Ziel ist die Entwicklung eines lerngegenstandsbezogenen Rahmenmodells von Unterrichtsqualität.

        Herrmann, C. & Gerlach, E. (2020). Unterrichtsqualität im Fach Sport – Ein Überblicksbeitrag zum Forschungsstand in Theorie und Empirie. Unterrichtswissenschaft, 48, 361–384.
        Hesse, F. & Winkler, I. (2022). Fachliche Qualität im Literaturunterricht. Zeitschrift für Sprachlich-Literarisches Lernen und Deutschdidaktik, 2.
        Praetorius, A.‑K., Herrmann, C., Gerlach, E., Zülsdorf-Kersting, M., Heinitz, B. & Nehring, A. (2020). Unterrichtsqualität in den Fachdidaktiken im deutschsprachigen Raum – zwischen Generik und Fachspezifik. Unterrichtswissenschaft, 48(3), 409–446.

        Speakers: Christian Herrmann, Angelo Crapa (Pädagogische Hochschule Zürich)
      • 15:20
        Dimensionen von Unterrichtsqualität im Fach Sport - eine europäische Delphi-Studie 20m

        Einleitung
        Die Qualität des Unterrichts hat einen deutlichen Einfluss auf den Lernerfolg von Schülern:innen. Dementsprechend hat die Bestimmung von Merkmalen guten Sportunterrichts und die systematische Analyse ihrer Bedeutung für den Lernerfolg weitreichende Bedeutung für den Sportunterricht (Herrmann & Gerlach, 2020). Bislang gibt es jedoch in Europa keinen allgemeinen Konsens darüber, was guten Sportunterricht ausmacht. Ein Ziel des von Erasmus+ geförderten Projekts QualiTePE ist es, ein gemeinsames Verständnis von hochwertigem Sportunterricht zu erzielen und das sogenannte QualiTePE-Rahmenkonzept zu entwickeln. Dieses Rahmenkonzept kann die europäische Standardisierung einer praxisorientierten formativen Evaluation der Unterrichtsqualität fördern.
        Methode
        Es wurde eine Delphi-Studie (Häder, 2014) mit 324 europäischen Fachexperten durchgeführt, die aus drei Online-Befragungsrunden bestand. Eine qualitative Vorrunde zur Operationalisierung eines vorläufigen fachspezifischen Rahmenkonzepts auf Basis des MAIN-Teach-Modells (Charalambous & Praetorius, 2020) mit insgesamt acht Dimensionen und 28 Sub-Dimensionen wurde in zwei Folgerunden von einem internationalen Expertenpanel mittels Ratings und Rankings standardisiert bewertet sowie qualitativ kommentiert.
        Ergebnisse
        Ein hoher Konsens mit nur geringen Unterschieden (Schwellenwert von 90%) wurde bei einer finalen Rangliste von 20 Sub-Dimensionen erreicht, die wiederum sechs übergeordneten Dimensionen zugeordnet sind und damit die Grundlage für das finale QualiTePE-Rahmenkonzept bilden. Die höchste Übereinstimmung wurde bei den fachspezifisch konkretisierten Sub-Dimensionen der generischen Basisdimensionen „Sozial-emotionale Unterstützung und soziales Klima“ und „Klassenmanagement“ erzielt sowie bei der Dimension „Auswahl und Präsentation von Inhalten und Zielbestimmung“.
        Diskussion
        Insgesamt wurde deutlich, dass ein Konsens über Dimensionen von Unterrichtsqualität im Sport auf Ebene fachspezifisch konkretisierter Sub-Dimensionen zwischen den europäischen Expert:innen erreicht werden konnte. Dennoch zeigen sich auch länderspezifische Unterschiede. Im Vortrag werden dementsprechend die Ergebnisse des deutschen Panels im Vergleich zu denen des gesamten europäischen Expertenpanels betrachtet.
        Literatur
        Charalambous, C. Y. & Praetorius, A.-K. (2020). Creating a forum for researching teaching and its quality more synergistically. Studies in Educational Evaluation, 67, 100894. doi:10.1016/j.stueduc.2020.100894
        Häder, M. (2014). Delphi-Befragungen. Ein Arbeitsbuch (Springer-Lehrbuch, 3. Auflage). Wiesbaden: Sprin-ger VS.
        Herrmann, C. & Gerlach, E. (2020). Unterrichtsqualität im Fach Sport – Ein Überblicksbeitrag zum Forschungsstand in Theorie und Empirie. Unterrichtswissenschaft, 48 (3), 361-384. doi:10.1007/s42010-020-00080-w

        Speakers: Wiebke Langer (University of Hamburg), Erin Gerlach (University of Hamburg)
      • 15:40
        Sportdidaktische Aktivierungskonzepte – Eine grundlagentheoretische Analyse 20m

        Einleitung
        In der empirischen Unterrichtsforschung wird deklariert, dass lerntheoretische Bezüge des Konstrukts ‚kognitiven Aktivierung‘ in der überfachlichen bzw. vornehmlich mathematikdidaktischen Forschung divergieren (Praetorius & Gräsel, 2021). Dies hat nicht nur auf empirischer Ebene Konsequenzen (Nicht-Vergleichbarkeit von Studienergebnissen), sondern wirft auch grundlegende Fragen zur jeweiligen Konzeptualisierung von ‚Aktivierung‘ und den damit verbundenen Unterschieden auf didaktischer Ebene auf (Pauli, Drollinger-Vetter, Hugener & Lipowsky, 2008). Mit Blick auf fachspezifische Lernprozesse werden diese Herausforderungen noch um die Frage nach dem fachlichen Gegenstand verschärft (Reusser & Pauli, 2021). Der Beitrag stellt sich jenen Herausforderungen und richtet dazu den Blick auf unterschiedliche sportdidaktische Aktivierungskonzepte (Wibowo, Krieger, Gerlach & Bükers, 2021).

        Forschungsmethode
        Im vorzustellenden Veröffentlichungsprojekt soll über eine hermeneutische Analyse herausgearbeitet werden, auf welche spezifischen Lerntheorien (z.B. Ausprägungen des Konstruktivismus), Gegenstandstheorien (z.B. Orientierung an Sport- oder Bewegungstheorien) oder auch gegenstandsbezogene Lerntheorien (z.B. Bewegungslerntheorie) aktuelle sportdidaktische Aktivierungskonzepte Bezug nehmen.

        Anliegen des Vortrags
        Ziel des Vortrags ist es, einen ersten Überblick zu den gegenstandsgebundenen lerntheoretischen Bezügen der sportdidaktischen Aktivierungskonzepte zu generieren. Auf diese Weise soll auch mit Blick auf die generischen Basisdimensionen zur Unterrichtsqualität (Praetorius & Gräsel, 2021) ein fachspezifischer Diskurs über Anschlussfähigkeiten, Ergänzungspotenziale oder auch Unvereinbarkeiten der sportdidaktischen Konzepte angestoßen werden. Die Vergleichsarbeit orientiert sich an den Prinzipien der Praxisverantwortung & Gegenstandspflicht (Prohl, 2013) und beabsichtigt, mit der Aufstellung einer gegenstandsbezogenen Heuristik einen Beitrag zur transparenten Verortung und präzisen Umsetzung (zukünftiger) empirischer Vorhaben zu leisten.

        Literatur
        Pauli, C., Drollinger-Vetter, B., Hugener, I. & Lipowsky, F. (2008). Kognitive Aktivierung im Mathematikunterricht. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 22 (2), 127-133.

        Praetorius, A.-K. & Gräsel, C. (2021). Noch immer auf der Suche nach dem heiligen Gral: Wie generisch oder fachspezifisch sind Dimensionen der Unterrichtsqualität?. Unterrichtswissenschaft 49(2), 167-188.

        Prohl, R. (2013). Sportpädagogik als Wissenschaftsdisziplin – Eine Standortbestimmung mit empirischem Ausblick. Zeitschrift für sportpädagogische Forschung, 1 (1), 5-30.

        Reusser, K. & Pauli, C. (2021). Unterrichtsqualität ist immer generisch und fachspezifisch. Ein Kommentar aus kognitions- und lehr-lerntheoretischer Sicht. Unterrichtswissenschaft 49 (2), 189-202.

        Wibowo, J., Krieger, C., Gerlach, E., & Bükers, F. (Hrsg.). (2021). Aktivierung im Sportunterricht. Hamburg. doi:10.25592/AktivierungImSU

        Speakers: Meike Hartmann (Philipps-Universität Marburg), Christian Gaum (Ruhr-Universität Bochum), Louis Hoogendoorn (Philipps-Universität Marburg)
      • 16:00
        Bildungswissenschaftliche Dimensionen der Unterrichtsqualität in fachspezifischen Überzeugungen angehender Sportlehrkräfte 20m

        Einleitung
        Klassenführung, konstruktive Unterstützung und kognitive Aktivierung gelten als generische Basisdimensionen von Unterrichtsqualität, auf die Lehrkräfte fachspezifisch hinwirken sollen (Praetorius et al., 2018). Angehende Sportlehrkräfte entwickeln bereits vor Beginn der Lehrerbildung unterrichtsbezogene Überzeugungen, die auf sozial geteilten Erfahrungen beruhen und die weitere berufliche Entwicklung (z. B. Aufnahme und Verarbeitung von Professionswissen) beeinflussen (Ferry, 2018). Wir untersuchen, wie sich bildungswissenschaftliche Dimensionen der Unterrichtsqualität in geteilten fachspezifischen Überzeugungen angehender Sportlehrkräfte zu Beginn ihrer Ausbildung widerspiegeln.

        Methode
        Es wurden drei Gruppendiskussionen mit Sportlehramtsstudierenden im ersten Semester (Ngesamt = 13, Mage = 19,4 Jahre) durchgeführt. Um Einblicke in geteilte Überzeugungen zu erhalten, wurden die Teilnehmenden zur gemeinsamen Unterrichtsplanung aufgefordert und die Daten mittels thematischer Analyse analysiert (Braun & Clark, 2022).

        Ergebnisse
        Aus Perspektive der Studierenden soll Sportunterricht zum schulischen wie außerschulischen Sport befähigen (Qualifizieren, Motivieren). Dafür wird das Leiten der Sportunterrichtsstunde (z. B. Strukturieren der Unterrichtseinheit, Verhaltensmanagement) als zentrale Handlungsvoraussetzung betrachtet. Die Unterstützung der Lernprozesse geschieht aus Perspektive der Studierenden dadurch, dass allen Schüler:innen ein niederschwelliger Zugang zum Sport geschaffen werden soll (z. B. Komplexitätsreduktion durch Vereinfachungsstrategien, motivierende Erfahrungen). Im Hinblick auf kognitive Aktivierung dominiert die Überzeugung einer transmissiven Wissensvermittlung, die die Planung kognitiv aktivierender Lernaufgaben (z. B. offene Problemstellungen, Reflexion) immer wieder begrenzt. Die Überzeugungen der Studierenden speisen sich aus einem Rückgriff auf eigene Erfahrungen als Schüler:innen im Sportunterricht (Affirmation, Ablehnung).

        Diskussion
        Während sich die generischen Basisdimensionen Klassenführung und konstruktive Unterstützung in ihrer fachspezifischen Konkretisierung in den untersuchten Überzeugungen auf breiter Basis geteilt und elaboriert widerspiegeln, erweist sich kognitive Aktivierung als wenig elaboriert und offen für ambivalente Deutungen.

        Literatur
        Braun, V. & Clarke, V. (2020). One size fits all? What counts as quality practice in (reflexive) thematic analysis? Qualitative Research in Psychology, 1-25. doi:10.1080/14780887.2020.1769238
        Ferry, M. (2018). Physical education preservice teachers’ perceptions of the subject and profession: development during 2005–2016. Physical Education and Sport Pedagogy, 23(4), 358–370.
        Praetorius, A.-K., Klieme, E., Herbert, B., & Pinger, P. (2018). Generic dimensions of teaching quality: the German framework of Three Basic Dimensions. ZDM, 50(3), 407–426.

        Speakers: Sophie Engelhardt (Eberhard Karls Universität Tübingen), Julia Hapke (Universität Tübingen)
      • 16:20
        Präkonzepte zum Unterrichten von Sportlehramtsstudierenden 20m

        Präkonzepte zum Unterrichten von Sportlehramtsstudierenden
        Lisa Ullrich, Tim Heemsoth & Claus Krieger
        Universität Hamburg

        Schlüsselwörter: Präkonzepte; Lehr-Lern-Überzeugungen; Professionelle Handlungskompetenz; Sportunterricht.

        Einleitung
        Sportlehramtsstudierende verfügen über zahlreiche sportbezogene Vorerfahrungen sowie damit verbundenen Präkonzepte bzw. subjektive Vorstellungen zum sinnvollen Unterrichten. Da Lern- und Entwicklungsverläufe im Studium auf ebensolchen Vorerfahrungen aufbauen und neue Inhalte mit diesen in Beziehung gesetzt werden, wird angenommen, dass derartige Präkonzepte darüber mitentscheiden, wie angehende Lehrkräfte professionelle Handlungskompetenzen aufbauen (Heemsoth & Kleickmann, 2018; Miethling, 2013). Bis dato fehlt jedoch eine systematische Beschreibung möglicher Präkonzepte von Sportlehramtsstudierenden. Zudem stellt sich die Frage, wie solche Präkonzepte mit Lehr-Lern-Überzeugungen zusammenhängen.

        Methode
        Es wurden N =190 angehende Sportlehrkräfte im 3.-5. Semester aufgefordert, aus ihrer Sicht sinnvolle unterrichtliche Vorgehensweisen im Hinblick auf fünf unterschiedliche Unterrichtsinhalte schriftlich zu formulieren. Die Daten wurden mittels typenbildender qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet (Kuckartz, 2018). Darüber hinaus wurden die Teilnehmenden im Hinblick auf ihre transmissiven (sieben Items, α = .72) oder konstruktivistischen (fünf Items, α = .61) Lehr-Lern-Überzeugungen befragt.

        Ergebnisse
        Es konnten vier Präkonzepte beschrieben werden: „Erkunden lassen“ (Typ A), „Erkunden reflektieren“ (Typ B), „Einem Lehrweg folgen“ (Typ C) und „Einen Lernweg reflektieren“ (Typ D). Diese Typen unterscheiden sich insbesondere dadurch, inwieweit den Schüler:innen inhaltliche und/oder methodische Mitbestimmungsmöglichkeiten eingeräumt werden und ob Reflexionsanlässe geplant werden. Ihre inhaltliche Validität konnte durch bedeutsame Zusammenhänge (bis zu r = .31) mit Lehr-Lern-Überzeugungen bestätigt werden.

        Diskussion
        Diese Studie greift mit der Erforschung von Präkonzepten eine naturwissenschaftliche Tradition auf und ermöglicht so ein besseres Verständnis von vorunterrichtlichen Vorstellungen von Sportlehramtsstudierenden zum sinnvollen Unterrichten, woran fachdi-daktische Lehre in Zukunft anknüpfen könnte.

        Literatur
        Heemsoth, T., & Kleickmann, T. (2018). Learning to plan self-controlled physical education: Good vs. problematic teaching examples. Teaching and Teacher Education, 71, 168-178. https://doi.org/10.1016/j.tate.2017.12.021
        Kuckartz, U. (2018). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung (Band 4). Beltz Juventa.
        Miethling, W.-D. (2013). Zur Entwicklung von Sportlehrer/innen. Sportwissenschaft, 43, 197-205. https://doi.org/10.1007/s12662-013-0299-3

        Speakers: Lisa Ullrich, Tim Heemsoth (Universität Flensburg)
    • 17:00 17:30
      Pause 30m
    • 17:30 19:30
      Sektionssitzung Sporthalle

      Sporthalle

    • 19:30 20:00
      Abfahrt zum Hafen 30m
    • 20:00 00:00
      StrandPauli – Gesellschaftsabend 4h StrandPauli

      StrandPauli

    • 09:00 10:30
      AK 5.1: Beiträge zur Kompetenzdiagnostik und Kompetenzentwicklung bei Sportlehrkräften sowie den Schüler:innen Lesesaal

      Lesesaal

      Convener: Matthias Baumgartner (Pädagogische Hochschule St.Gallen)
      • 09:00
        Von Wissen zu Performanz am Beispiel der Klassenführung im Sportunterricht (WiPe-Sport): Empirische Validierung der Testinstrumente 20m

        Einleitung
        Im integrativen Kompetenzverständnis werden professionelle Kompetenzen von (Sport-)Lehrkräften als Kontinuum zwischen drei verschiedenen Kompetenzfacetten betrachtet (Blömeke et al., 2022). Bislang liegen nur wenige Studien zu den möglichen Wirkungs- und Entwicklungsammenhängen zwischen den Facetten und deren Einfluss auf die Unterrichtsqualität (z.B. Blömeke et al., 2022). Im SNF-Projekt “WiPe-Sport” wird diese Forschungslücke am Beispiel der Klassenführung im Sportunterricht bearbeitet. Da bislang nur für den performativen Bereich der Klassenführung ein validiertes Testinstrument vorliegt (Baumgartner et al., 2020), wurde in einem ersten Schritt Tests zur Erfassung des klassenführungsbezogenen Wissens und zur Messung der diesbezüglichen WIE-Fähigkeiten für (angehende) Sportlehrkräfte entwickelt. In diesem Beitrag werden die Ergebnisse der empirischen Testvalidierung der Tests vorgestellt.
        Methode
        Bei der Entwicklung der Tests wurde darauf geachtet, alle neun Dimensionen der klassenführungsbezogenen Performanz (Baumgartner et al., 2020) abzubilden. Der Wissenstest fokussiert dabei auf das deklarative Wissen über evidenzbasierte Praktiken. Für den videobasierten WIE-Test wurden zehn Videovignetten generiert. Geschlossene Testfragen, die im Anschluss an die Betrachtung der Unterrichtssequenzen dargelegt werden, dienen dazu, die WIE-Fähigkeiten zu messen. Die empirische Konstruktvalidierung erfolgte mit einer Pilotierungsstudie bei Studierenden aus vier Pädagogischen Hochschulen (n = 877). Die empirische Validität des Tests wurde mit Hilfe von Item-Response-Modellierung überprüft. Als externes Prüfkriterium wurde ein Vergleich der Testleistung der Studierenden in unterschiedlichen Studienphasen herangezogen.
        Ergebnisse
        Für beide Tests bietet bei der IRT-Modellierung die Wahl des 2pl – Modells im Vergleich mit dem Rasch-Model einen besseren Modell-Fit. Der zusätzliche (Diskriminations-)Parameter ermöglicht den Behalt von Items geringerer Sensitivität und somit eine breitere Abbildung des Inhalts bei ausreichender Reliabilität (EAP > 0.6). Es liegen keine Items mit auffälligen In- bzw. Out-Fit-Indizes (0.8;1.2/-2;2) vor. Die unterschiedliche Verortung auf der Logit-Skala von Items und Studierenden weist auf einen relativ einfachen Test hin. Als externer Validitätshinweis lassen sich signifikante Unterschiede zwischen den Studierenden im ersten und dem dritten Studienjahr zeigen.
        Literatur
        Baumgartner, M., Oesterhelt, V. & Reuker, S. (2020). Konstruktion und Validierung eines multidimensionalen Beobachtungsinstruments zur Erfassung der klassenführungsbezogenen Performanzen von sportunterrichtenden Lehrkräften (KlaPe-Sport). German Journal of Exercise and Sport Research, 50(4), 511-522.
        Blömeke, S., Jentsch, A., Ross, N., Kaiser, G., & König, J. (2022). Opening up the black box: Teacher competence, instructional quality, and students’ learning progress. Learning and Instruction, 79, 101600.

        Speakers: Eric Jeisy, Clemens Berthold, Matthias Baumgartner
      • 09:20
        Entwicklung des klassenführungsbezogenen Wissens und der Wahrnehmungs-, Interpretations- und Entscheidungsqualität bei angehenden Sportlehrkräften - eine Interventionsstudie 20m

        Hintergrund/Fragestellung
        Im kompetenzorientierten Forschungsparadigma wurde ein integratives Verständnis professioneller Kompetenzen etabliert, in welchem die drei Kompetenzfacetten (prof. Wissen; UV1); situierte Wahrnehmungs-, Interpretations- und Entscheidungsprozesse (WIE; UV2); Performanz (AV)) verbunden werden (Baumgartner, 2022). Das vom SNF geförderte Projekt „WiPe–Sport“ untersucht sowohl die facettenübergreifenden Zusammenhänge als auch den Einfluss verschiedener Entwicklungskomponenten (z.B. Förderung des prof. Wissens durch Literaturarbeit) auf die Performanz (AV) im Bereich der Klassenführung im Sportunterricht. Im Beitrag wird der Fokus auf die Kompetenzentwicklung gerichtet. Es wird die Frage aufgegriffen, welche Effekte vier unterschiedliche Interventionen auf die Entwicklung des klassenführungsbezogenen Wissens und der diesbezüglichen WIE haben.

        Methode
        In der Studie durchlaufen vier Untersuchungsgruppen (UG; n = 20-25) verschiedene Interventionsstufen (quasi-experimentelle Intervention; vierstufiger Hauptfaktor UG; zweistufiger Hauptfaktor Messzeitpunkt). Drei UG erhalten jeweils eine zunehmend gesteigerte Dosis (UG1: Intervention Förderung klassenführungsbezogenen Wissens; UG2: Intervention 1 und Förderung klassenführungsbezogene WIE; UG3: Intervention 1 und 2 sowie videobasiertes Feedback von Dozierenden auf das eigene klassenführungsbezogene Handeln; UG4: Gruppe Standardintervention, die ein Praktikum absolviert). Das klassenführungsbezogene Wissen, die diesbezügliche WIE und die Performanz werden vor und nach den Interventionen (Hauptfaktor Messzeitpunkt) mit den in der ersten Phase des Projekts entwickelten Testinstrumenten erfasst.

        Ergebnisse / Ausblick
        Die inferenzstatistischen Analysen bezüglich der Effekte der vier Interventionen auf das klassenführungsbezogene Wissen und die WIE werden an der Tagung präsentiert. Erste Zwischenresultate zeigen, dass in der UG3 geringe bis moderate Effekte auf die positive Entwicklung des klassenführungsbezogenen Wissens, jedoch keine Wirkung bezüglich der WIE festzustellen ist. Vor dem Hintergrund der generierten Daten werden praktische Implikationen für die Aus- und Weiterbildung von Sportlehrkräften abgeleitet. Ausblickend stellt sich die Frage, welche Korrelationen zwischen dem klassenführungsbezogenen Wissen, der WIE und der Performanz bestehen. Diese Frage wird in der nächsten Studienphase bearbeitet.

        Literatur
        Baumgartner, M. (2022). Professionelle Kompetenz(en) von Sportlehrkräften – Begriffe, Traditionen, Modellierungen und Perspektiven. In R. Sygusch, J. Hapke, S. Liebl & C. Töpfer (Hrsg.), Kompetenzorientierung im Sport. Grundlagen, Modellentwurf und Anwendungsbeispiele (S. 27-41). Schorndorf: Hofmann.

        Speakers: Clemens Berthold, Matthias Baumgartner (Pädagogische Hochschule St.Gallen), Eric Jeisy, Dominik Zulian
      • 09:40
        Entwicklung motorischer Basiskompetenzen und Zusammenhänge mit Sportvereinspartizipation 20m

        In der Kindheit entwickeln Kinder kontinuierlich ihr motorisches Können. Motorische Basiskompetenzen (MOBAK) stellen dabei eine zentrale Voraussetzung zur Teilhabe an der Sport- und Bewegungskultur und dem Erwerb sportspezifischer Fertigkeiten dar (Herrmann et al., 2016). Kinder haben eine Auswahl an formellen (z.B. Sportverein) sowie informellen (freies Spielen) Settings, in welchen sie ihr motorisches Repertoire üben und verbessern können (Neuber & Golenia, 2018). Ziel des Beitrags ist es, die motorische Kompetenzentwicklung sowie Zusammenhänge mit der Sportpartizipation aufzuzeigen.
        Im Rahmen der vom Schweizer Nationalfonds (SNF) geförderten Studie „Entwicklung motorischer Basiskompetenzen in der Kindheit (EMOKK)” konnten die MOBAKs von N=659 Kindergartenkindern (51% Jungen) und N=393 Kinder der 1. und 2. Klasse (49.4% Jungen) zu zwei Messzeitpunkten erfasst werden. Zudem wurden die Eltern zum informellen Sporttreiben der Kinder (Art und Häufigkeit) sowie (formellen) Sportvereinspartizipation der Kinder befragt. In ersten Analysen wurde die Entwicklung der MOBAKs mittels Kovarianzanalysen mit Messwiederholung berechnet.
        Bereits im Kindergarten zeigten Jungen bessere Ergebnisse im „Etwas-Bewegen“ wohingegen Mädchen besser im „Sich-Bewegen“ waren. Von der ersten zur zweiten Klasse nahm die Sportvereinspartizipation zu (F(1,467)=28.546, p<.001, η2=.058), wobei Jungen häufiger im Sportverein waren als Mädchen. Kinder der 1. und 2. Klasse, welche im Sportverein aktiv waren, zeigten zu beiden Messzeitpunkten bessere Leistungen im «Etwas-Bewegen» (t1: d=.42; t2: d=.68) und «Sich-Bewegen» (t1: d=.38; t2: d=.40) als Kinder, welche nicht im Sportverein waren. Im Längsschnitt entwickelten sich die MOBAKs beider Gruppen parallel, es konnte kein Interaktionseffekt beobachtet werden („Etwas-Bewegen“: F(1,351)=1.229, p=.268, η2=.003; „Sich-Bewegen“: F(1,347)=.170, p=.680, η2<.001).
        Kinder, welche im Vereinssport aktiv sind, weisen ein höheres Level an MOBAKs auf, was im Längsschnitt bestehen zu bleiben scheint. Dies deutet auf einen sehr frühen Selektionseffekt sowie die Bedeutsamkeit der MOBAKs für den Vereinssport hin. Der Vereinssport stellt einen formellen Lernort im Leben von Kindern dar. In vertiefenden Analysen werden auch Variablen zum informellen Sporttreiben in die Berechnungen integriert.

        Herrmann, C., Gerlach, E., & Seelig, H. (2016). Motorische Basiskompetenzen in der Grundschule.
        Sportwissenschaft, 46(2), 60–73. https://doi.org/10.1007/s12662-015-0378-8
        Herrmann, C., Heim, C., & Seelig, H. (2017). Diagnose und Entwicklung motorischer Basiskompetenzen. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 49(4), 173–185. https://doi.org/10.1026/0049-8637/a000180
        Neuber, N., & Golenia, M. (2018). Lernorte für Kinder und Jugendliche im Sport. In A. Güllich & M. Krüger (Hrsg.), Sport in Kultur und Gesellschaft: Handbuch Sport und Sportwissenschaft (S. 1–17). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-53385-7_24-1

        Speakers: Christian Herrmann (Pädagogische Hochschule Zürich), Ilaria Ferrari (Pädagogische Hochschule Zürich), Johanna Kress (Pädagogische Hochschule Zürich), Harald Seelig (DSBG Basel), Kathrin Bretz (Pädagogische Hochschule Zürich)
      • 10:00
        Lernaufgaben zur Förderung der motorischen Basiskompetenzen im Kindergarten 20m

        Motorische Basiskompetenzen sind im Kindesalter eine zentrale Grundlage, um aktiv an der Vielfalt der Bewegungskultur teilzunehmen. Für eine gezielte Förderung sind sowohl eine regelmässige Überprüfung mittels Testaufgaben (Herrmann et al., 2020) als auch adäquate Lernsettings notwendig, die in der Planung und Durchführung kompetenzorientierten Unterrichts einzusetzen sind. Ein Lernsetting kann zum Beispiel durch Lernaufgaben geprägt sein, die das selbstständige und kreative Vorgehen der Kinder unterstützen, einen kooperativen Austausch untereinander und eine Reflexion des Lösungswegs ermöglichen. Kompetenzorientierte Lernaufgaben im Kindergarten zielen auf den Erwerb von neuen Kenntnissen und Bewegungshandlungen ab, die auf neue Situationen oder zur Lösung neuer Bewegungsaufgaben übertragen werden können. Sie knüpfen an das Wissen der Kinder an, lassen eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten zu und bieten die Möglichkeit zur motorischen und kognitiven Differenzierung (Ferrari et al., 2023).

        Im von der Gesundheitsförderung Schweiz (GFCH) geförderten Tool zu Förderung der motorischen Basiskompetenzen wurden kompetenzorientierte Lernaufgaben in Anlehnung an den Schweizer Sportlehrplan (D-EDK, 2017) erarbeitet und in verschiedenen Kindergartenklassen getestet. Den theoriegeleiteten Hintergrund bilden ein dialogisches Lehr-Lern-Modell und Qualitätskriterien für die Lernaufgaben. Die entwickelten Aufgaben wurden den Kompetenzbereichen „Bewegen an Geräten“, „Laufen-Springen-Werfen“, „Spielen“, „Gleiten-Rollen-Fahren“ und „Bewegen-Darstellen-Tanzen“ zugeordnet (D-EDK, 2017). In Zukunft sollen die Lernaufgaben in Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen, sowie in konkreten Interventionsstudien, die eine Verbesserung der motorischen Basiskompetenzen der Kinder anstreben, eingesetzt werden.

        Im Vortrag werden der theoretische Hintergrund, das Lehr-Lern Modell sowie ausgewählte Lernaufgaben präsentiert.

        Literaturverzeichnis
        D-EDK. (2017). Lehrplan 21. https://zh.lehrplan.ch/
        Ferrari, I., Steinmann, P., Herrmann, Ch., Huber, L., Lüthy, P., Schmocker, E., Steiger, S. & Kühnis, J. (2023). Lernaufgaben zur Förderung der motorischen Kompetenzen im Kindergarten. Sportunterricht 72(4)
        Herrmann, Ch., Ferrari, I., Wälti, M., Wacker, S. & Kühnis, J. (2020). MOBAK-KG: Motorische Basiskompetenzen im Kindergarten: Testmanual (3. Aufl.). https://doi.org/10.5281/zenodo.3774435

        Speakers: Ilaria Ferrari (PH Zürich), Patricia Steinmann (EHSM Magglingen), Jürgen Kühnis (PH Schwyz), Christian Herrmann (PH Zürich)
    • 09:00 10:30
      AK 5.2: Sportunterricht zwischen Schulentwicklung und Inklusiver Pädagogik - Befunde und Perspektiven Fel 03

      Fel 03

      Convener: Franziska Heidrich (Universität Wien)
      • 09:01
        Intra- und interdisziplinäre sowie multiprofessionelle Kooperation als Bedingungen inklusiver Schulsportentwicklung 20m

        Die professionelle Kooperation von Lehrkräften gilt „als zentraler Faktor für die Realisie-rung einer Reihe von bildungspolitischen Reformen der letzten drei Jahrzehnte“ (Fabel-Lamla & Gräsel, 2022, S. 2). Insbesondere im Kontext der Reformbemühungen um eine inklusionsorientierte Schulentwicklung, „gilt die Kooperation zwischen pädagogischen Fachkräften und Lehrkräften unterschiedlicher Disziplinen als wesentliche Bedingung“ (Lütje-Klose & Miller, 2017, S. 203), während im schulischen Alltag weiterhin eine „Kultur der pädagogischen Unabhängigkeit“ dominiert (Richter & Pant, 2016, S. 10).
        Während die inklusionsbezogene Kooperation in der erziehungswissenschaftlichen Dis-kussion intensiv bearbeitet wird, wurde das Thema aus einer sportpädagogischen Per-spektive bislang nur sporadisch aufgegriffen, was auch deshalb problematisch erscheint, weil Formen der professionsübergreifenden Kooperation im Schulsport anscheinend sel-tener als in anderen Fächern zustande kommen (Brand, Rischke & Zimlich, 2016).
        Vor diesem Hintergrund werden (inter-)nationale sportpädagogische Erkenntnisse in Form eines narrativen Reviews (Ferrari, 2015) entlang der Unterscheidung von intra- und interdisziplinärer sowie multiprofessioneller Kooperation (Neumann, 2019) dargestellt. Auf Basis dieser „Bestandsaufnahme“ werden fachspezifische Problembereiche und Entwicklungsperspektiven der inklusionsbezogenen Kooperation identifiziert und diskutiert, wobei dem Ausbalancieren unterschiedlicher Akteursperspektiven (Rischke & Reuker, 2020) ein besonderes Augenmerk geschenkt wird.

        Literatur
        Brand, S., Rischke, A., & Zimlich, M. (2016). Sonderpädagogische Professionalität im Kontext inklusiver Schulen aus sportpädagogischer Perspektive. Zugriff unter https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/381
        Fabel-Lamla, M., & Gräsel, C. (2022). Professionelle Kooperation in der Schule. In T. Hascher, T. Idel, & W. Helsper (Hrsg.), Handbuch Schulforschung. Springer VS.
        Lütje-Klose, B., & Miller, S. (2017). Kooperation von Lehrkräften mit allgemeinem und sonderpädagogischem Lehramt in inklusiven Settings. In B. Lütje-Klose, S. Miller, S. Schwab, & B. Streese (Hrsg.), Inklusion: Profile für die Schul- und Unterrichtsentwicklung in Deutschland, Österreich und der Schweiz. (S. 203-213). Waxmann.
        Neumann, P. (2019). Kooperation selbst bestimmt? Zugriff unter https://doi.org/10.31244/9783830990437
        Ferrari, R. (2015). Writing narrative style literature reviews. Medical Writing, 24(4), 230-235.
        Richter, D., & Pant, H. A. (2016). Lehrerkooperation in Deutschland. Zugriff unter https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/lehrerkooperation-in-deutschland/
        Rischke, A., & Reuker, S. (2020). „Inklusion ist nichts für Einzelkämpfer“ – Oder: Perspektiven der Kooperation von Lehrkräften mit allgemeinem und sonderpädagogischem Lehramt im inklusiven Sportunterricht. Sportunterricht, 69(8), 347-351.

        Speakers: Sabine Reuker (Sporthochschule Köln), Anne Rischke
      • 09:21
        Die Rolle der Sportpädagogik in der Prävention interpersonaler Gewalt als Thema inklusiver Schul- und Organisationsentwicklung 20m

        Aktuelle Studien zu interpersonaler Gewalt im Sport haben gezeigt, dass von der Gesellschaft marginalisierte Personengruppen signifikant stärker von interpersonaler Gewalt betroffen sind, und dass Betroffene generell wenig Vertrauen in organisationsinterne Hilfe haben: 30 bis 50% berichten niemandem von den erlebten Gewalterfahrungen und nur 5% vertrauen sich einer Person innerhalb der Organisation an (Hartill et al., 2022). Der aktuelle Fall einer späten Aufdeckung von dutzenden Missbrauchsfällen durch eine Sportlehrkraft in Österreich legt dies auch für schulische Bildungssettings nahe. Neben der Frage, wie Übergriffe über Jahre hinweg im Setting Schule unentdeckt bleiben konnten, eröffnen sich auch Folgefragen nach der erweiterten Verantwortung von Schule, Schulsport und Sportpädagog*innen im Kontext inklusiver Schulentwicklung sowie des Beitrags der Sportpädagogik generell im Rahmen von Forschung und Ausbildung.
        Während für den organisierten Sport Daten zu Prävalenz und Prävention z.T. vorliegen, fehlen für den Schulsport empirische Befunde. Wagner und Rulofs (2017) haben in Anlehnung an Präventionskonzepte des außerschulischen Kinder- und Jugendsports erste Überlegungen für die Schulsportentwicklung abgeleitet. Dabei wird deutlich, dass die Entwicklung und Implementierung von Schutzkonzepten eine wesentliche Aufgabe schulischer Organisationsentwicklung ist, zu der Sportlehrkräfte aufgrund der potenziellen „Risiken“ des Faches in besonderer Weise beitragen sollten (Rulofs & Palzkill, 2018).
        Vor diesem Hintergrund wird diskutiert, welchen Beitrag die Sportpädagogik im Rahmen von Forschung und Ausbildung leisten kann, damit Sportlehrkräfte spezifische Gefährdungen für interpersonale Gewalt im Rahmen organisationsspezifischer Risikoanalysen identifizieren und Präventionsmaßnahmen in einer Kultur der Achtsamkeit umsetzen können (Wolff, 2015). Wie Sportlehrkräfte ihre Rolle im Rahmen schulischer Präventionsarbeit und inklusiver Schulentwicklung sehen, wird anhand exemplarischer Interviewbeispiele verdeutlicht.

        Hartill, M., Rulofs, B., Lang, M., Vertommen, T., Diketmüller, R., … & Stativa, E. (2021). CASES: Child abuse in sport: European Statistics – Project Report. Edge Hill University.
        Rulofs, B. & Palzkill, B. (2018). Sexualisierte Gewalt im Schul- und Vereinssport. In A. Retkowski, A. Treibel & E. Tuider (Hrsg.), Handbuch sexualisierte Gewalt und pädagogische Kontexte. Theorie, Forschung, Praxis. (S. 433-441). Beltz/Juventa.
        Wagner, I. & Rulofs, B. (2017). Prävention sexualisierter Gewalt im außerschulischen Kinder- und Jugendsport als Modell für die Schulsportentwicklung. Sportunterricht, 66(9), 275-279.
        Wolff, M. (2015). Sexueller Missbrauch in Institutionen. In J.M. Fegert, U. Hoffmann, E. König, J. Niehues & H. Liebhardt (Hrsg.), Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Ein Handbuch zur Prävention und Intervention für Fachkräfte im medizinischen, psychotherapeutischen und pädagogischen Bereich (S. 293-298). Springer.

        Speaker: Rosa Diketmueller (Universität Wien)
      • 09:41
        Race und Klasse im Sportunterricht aus Perspektive angehender Sportlehrkräfte - zwischen den Stühlen von Reproduktion und Transformation 20m

        Pädagogisches Handeln von Sportlehrkräften ist in komplexer Weise an der Aufrechterhaltung und Veränderung intersektional verfasster und machtdurchzogener Differenzverhältnisse beteiligt, die in pädagogischen Räumen wirksam sind (Riegel, 2022). Ausgehend von postkolonialen und rassismuskritischen Perspektiven (Said, 2003) geraten unter dem Konzept von Othering (Riegel, 2016) die affirmativen und reproduzierenden vs. widerständigen und transformierenden Handlungs- und Deutungsmuster sowie pädagogischen Orientierungen von Sportlehrkräften in den Blick. Bestehende Befunde legen nahe, dass sich in diesen binär-geschlechtlich strukturierte rassistische Zuschreibungen aktualisieren, durch die Schüler:innen mit Migrationshintergrund machtvoll als „Andere“ positioniert werden (Bartsch, 2020). Auf der Suche nach Ausgangspunkten für diversitätssensiblisierende Professionalisierungsprozesse in der Sportlehrer:innenbildung, die auf Irritation und das “Verlernen” hegemonialer Handlungs- und Deutungsmuster abzielen (Gottuck, 2019), fragt der Beitrag nach diversitätsbezogenen Deutungsmustern angehender Sportlehrkräfte. Mittels qualitativer Leitfadeninterviews wurden 57 MA-Studierende (28w, 29m) zu ihrer Sichtweise zur (erwarteten) Bedeutsamkeit von Diversität im Sportunterricht befragt. Die Transkripte wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse deduktiv entlang eines vierdimensionalen Kategoriesystems von Gender, Race, Klasse und Körper (Riegel, 2016) ausgewertet. Die fokussierte Analyse der Kategorien Race und Klasse sowie deren intersektionalen Verschränkungen zeigen, dass Studierende in der Reproduktion von stereotypen Differenzzuschreibungen zwischen Thematisierung, Problematisierung und Handlungsbedarf einerseits sowie De-Thematisierung und Relativierung andererseits oszillieren (“Beim Sportunterricht ist es [Kopftuch] halt auch wirklich störend, teilweise” (49:30)). Stellenweise findet eine Dekonstruktion im Sinne impliziter Anspielungen auf Machtverhältnisse und die kritische Reflexion der eigenen Eingebundenheit in der Rolle als Lehrkraft statt. Insgesamt ist die Auseinandersetzung von Ambivalenz und fließenden Übergängen geprägt. An den Intersektionen zeigt sich ein additives Verständnis von unterschiedlich gelagerten Differenzverhältnissen.

        Bartsch, F. (2020). Sportunterricht im Kontext von Flucht und Migration—Eine postkoloniale Perspektive. ZSF, 8(2), 99-119.
        Gottuck, S. (2019). Macht—Sehen—Differenzen (be-)deuten. Cultural Studies als Analyseperspektive im Kontext pädagogischer Professionalisierung. In S. Gottuck et al. (Hrsg.), Sehen lernen und verlernen: Perspektiven pädagogischer Professionalisierung (S. 95-126). Springer.
        Riegel, C. (2016). Bildung—Intersektionalität—Othering: Pädagogisches Handeln in widersprüchlichen Verhältnissen. Transcript.
        Riegel, C. (2022). Differenzverhältnisse in pädagogischen Räumen. In Y. Akbaba et al. (Hrsg.), Lehren und Lernen in Differenzverhältnissen (S. 3-22). Springer.
        Said, E. W. (2003). Orientalism. Penguin.

        Speakers: Brigitta Höger (Universität Wien & Pädagogische Hochschule Oberösterreich), Franziska Heidrich (Universität Wien), Stefan Meier (Universität Wien)
      • 10:01
        Diversitätssensible Sportunterrichtsentwicklung als partizipativer Forschungsprozess 20m

        Eine zunehmende Wahrnehmung von Diversität in schulischen Kontexten und deren wachsende Anerkennung in erziehungswissenschaftlichen Diskussionszusammenhän-gen (u.a. Walgenbach, 2017) bestärken den grundlegenden pädagogischen Anspruch, Lernende in ihrer je einmaligen Lebenslage anzuerkennen. Dies ist auf fachspezifisch besondere Weise auch im schulischen Sportunterricht relevant. Befunde aus der Professionsforschung zeigen jedoch, dass sich Sportlehrkräfte auf einen Unterricht im Kontext von Diversität und Inklusion vielfach nicht adäquat vorbereitet fühlen, was mit einer mangelnden diversitätsbezogenen Professionalisierung und einem geringen Selbstwirksamkeitsempfinden von Lehrpersonen einhergeht; zudem sind pädagogische Haltungen, die Diversität als Problem akzentuieren sowie exklusive, (wettkampf-)sportlichen biografischen Prägungen von Sportlehrkräften in diesem Zusammenhang bedeutsam (zusammenfassend Frohn & Grimminger-Seidensticker, 2020).

        Um der Frage nachzugehen, wie in diesen spannungsreichen Bezügen ein sensibler und konstruktiver Umgang mit Diversität im Sportunterricht angebahnt werden kann, wird in diesem Beitrag ein partizipativer Forschungsansatz (Moser, 1995) verfolgt, in dem Lehrkräfte, Schüler:innen und universitäre Fachdidaktiker:innen an 12 ausgewählten, weiterführenden Schulen diversitätssensiblen Unterricht entwickeln, erproben und evalu-ieren. Anhand von leitfadengestützten Interviews (ausgewertet mit einer deduktiv-induktiv angelegten qualitativen Inhaltsanalyse, Kuckartz, 2018) an drei Projektschulen werden Perspektiven auf die Herausforderungen und Chancen, hinsichtlich eines diver-sitätssensiblen Sportunterrichts aufgezeigt. Darauf aufbauend wird dargelegt, wie von diesen Perspektiven ausgehend an neun weiteren Projektschulen zu dieser Thematik weitergearbeitet wird. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse soll diskutiert wer-den, wie eine gemeinsame Unterrichtsentwicklung – bei der Unterrichtsentwicklung we-der als rein fachdidaktische noch als rein schulpraktische Aufgabe gesehen wird, son-dern ‚zwischen den Stühlen‘ entwickelt wird – für alle beteiligten Akteure vorteilhaft aus-gestaltet und für die Professionalisierung von Lehrkräften nutzbar gemacht werden kann.

        Literatur
        Moser, H. (1995). Grundlagen der Praxisforschung. Lambertus.
        Walgenbach, K. (2017). Heterogenität - Intersektionalität - Diversity in der Erziehungs-wissenschaft. Budrich.
        Frohn, J., & Grimminger-Seidensticker, E. (2020). Zum Umgang mit Heterogenität im Sportunterricht. In E. Balz, C. Krieger, W.-D. Miethling, R.-P. Pack & H. Aschebrock (Hrsg.), Edition Schulsport: Bd. 20. Empirie des Schulsports (3. Aufl., S. 242-272). Meyer & Meyer.
        Kuckartz, U. (2018). Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstüt-zung (4. Aufl.). Beltz.

        Speakers: Jana Baumgärtner (Universität Graz), Dr Christoph Kreinbucher-Bekerle (Universität Graz), Prof. Sebastian Ruin (Universität Graz), Bianca Sandbichler (Universität Graz)
    • 09:00 10:30
      AK 5.3: Bewegung & Teilhabe fördern Hörsaal

      Hörsaal

      Convener: Christopher Heim (Universität Frankfurt)
      • 09:00
        Entwicklung einer Skala zur Erfassung elterlicher Unterstützung für die körperlich-sportliche Aktivität von Kindern im Grundschulalter 20m

        Einleitung
        Mehrere Übersichtsarbeiten zeigen, dass elterliches Unterstützungsverhalten einen Ein-fluss auf die körperlich-sportliche Aktivität von Kindern hat (z. B. Trost & Loprinzi, 2011). Kritik auf methodischer Ebene besteht u. a. darin, dass dieses Verhalten häufig eindi-mensional erfasst wird, obwohl sich verschiedene Dimensionen unterscheiden lassen. Die in der Literatur am häufigsten angenommenen Dimensionen sind Unterstützung (1) als Vorbild, (2) durch Partizipation, (3) emotionaler Art, (4) instrumenteller Art und (5) in-formativer Art. Es liegt zudem kein validiertes deutschsprachiges Instrument zur Erfas-sung dieses Verhaltens für Kinder im Grundschulalter vor. Ziel der vorliegenden Studie war daher die Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung des elterlichen Unterstützungsverhaltens für die körperlich-sportliche Aktivität in den o. g. fünf Dimensionen.

        Methode
        Auf Basis bestehender Instrumente (z. B. Sallis et al., 1987) wurde ein Pool von 53 Items generiert (10-12 Items pro Dimension; sechsstufige Antwortskala) und Eltern von Grund-schulkindern zur Beantwortung vorgelegt. Aufgrund der ungleichen Verteilung der ant-wortenden Elternteile wurden für die Itemanalyse und -selektion die Daten von N = 489 weiblichen Elternteilen (Alter: M = 39.6 Jahre, SD = 5.6; 62 % sportlich aktiv; 24 % Sport-vereinsmitglied) herangezogen, deren Kinder etwa zur Hälfte (52 %) männlich waren (Alter: M = 8.0 Jahre, SD = 1.2; 79 % sportlich aktiv; 66 % Sportvereinsmitglied).

        Ergebnisse
        Aufgrund der Ergebnisse einer klassischen Itemanalyse sowie eines exploratorischen Strukturgleichungsmodells (ESEM mit MLR-Schätzer) wurden sukzessive Items elimi-niert. Die Subskala informative Unterstützung erwies sich als nicht haltbar. Die finale Version des Fragebogens besteht daher aus den vier Dimensionen Unterstützung als Vorbild (McDonald’s ω = .91), Unterstützung durch Partizipation (ω = .78), emotionale Unterstützung (ω = .73) und instrumentelle Unterstützung (ω = .70) mit je vier Items. Es ergaben sich konfirmatorisch gute Fitwerte (CFI = .962, RMSEA = .041).

        Diskussion
        Sollte sich die psychometrische Güte des Fragebogens in weiteren Studien bestätigen (u. a. Kreuzvalidierung an unabhängiger Stichprobe, Messinvarianz zwischen männli-chen und weiblichen Elternteilen, konvergente Validität), könnte der Einfluss des elterli-chen Unterstützungsverhaltens zukünftig differenzierter untersucht werden, u. a. unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Fragen.

        Literatur
        Sallis, J. F., Grossman, R. M., Pinski, R. B., Patterson, T. L. & Nader, P. R. (1987). The development of scales to measure social support for diet and exercise behaviors. Preventive Medicine, 16, 825-836. https://doi.org/10.1016/0091-7435(87)90022-3
        Trost, S. G. & Loprinzi, P. D. (2011). Parental influences on physical activity behavior in children and adolescents: A brief review. American Journal of Lifestyle Medicine, 5, 171-181. https://doi.org/ 10.1177/1559827610387236.

        Speakers: Fabienne Ennigkeit, Jasmin Czogalla, Christopher Heim (Universität Frankfurt)
      • 09:20
        Qualifizierte Bewegungsförderung im schulischen Ganztag an Grundschulen 20m

        Bewegung, Spiel und Sport (BeSS) im Schulalltag bieten Potenziale zur Vertiefung von Bildungs- und Erziehungsprozessen. Gleichzeit kann BeSS im Ganztag eine gesunde Entwicklung unterstützen (u.a. Joisten, 2020). Derart anspruchsvolle BeSS-Angebote setzen allerdings entsprechend qualifiziertes Personal im schulischen Ganztag voraus. In den kommenden Jahren werden durch das Ganztagsförderungsgesetz deutlich mehr Ganztagsplätze und damit auch zusätzliches Personal benötigt (SGB VIII). Daher ist davon auszugehen, dass sich Herausforderungen durch veränderte Personalstrukturen und damit einhergehende unterschiedliche Qualifikationsniveaus verschärfen. Bereits heute weist das im Ganztag tätige Personal im Bereich BeSS unterschiedlichste Qualifikationsniveaus auf, was sich vermutlich auf die Qualität von BeSS im Ganztag auswirkt (u.a. Naul & Neuber, 2015).

        In diesem Zusammenhang wird im Rahmen eines Transferprojekts eine Qualifizierung für das pädagogische Personal zur bewegungsorientierten Gestaltung des Ganztags an Grundschulen erarbeitet. Der partizipative Forschungsansatz bildet das Herzstück des Projekts (u.a. in Anlehnung an Mayer et al., 2022). Die Konzeptions- und Implementationsarbeit erfolgt im engen Dialog zwischen Akteur:innen der Wissenschaft und Praxis. Aktuell finden eine Bestandsaufnahme sowie zielgruppenspezifische Analysen mittels qualitativer und quantitativer Befragungen zu Rahmenbedingungen, Strukturen sowie zu Bedarfen aus der Praxis statt. Anschließend erfolgt die Entwicklungsarbeit der Qualifizierung und deren Implementation sowie die Untersuchung von Wirkzusammenhängen mittels einer Interventionsstudie an zwei Pilotschulen.

        Ziel dieses Beitrags ist die Vorstellung der Rahmung und des Designs des Transferprojekts zur qualifizierten Bewegungsförderung im schulischen Ganztag an Grundschulen. Darüber hinaus werden erste Ergebnisse des Projekts dargestellt und mit Blick auf den Transfer diskutiert.

        Literatur
        Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII), Kinder- und Jugendhilfe, idF vom 11.09.2012 (BGBl. I S. 2022), § 24, Abs. 4., Ganztagsförderungsgesetz (2021). http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk= Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl121s4602.pdf.
        Joisten, C. (2020). Bewegung als Fundament einer gesunden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. In C. Breuer, C. Joisten & W. Schmidt (Hrsg.), Vierter Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht: Gesundheit, Leistung und Gesellschaft (S. 78-98). Hofmann.
        Mayer, J., Kühnle, F., Dörnenburg, L. & Thiel, A. (2022). Individualisierte Athletenentwicklung als komplexe Managementaufgabe in Stützpunktnetzwerken des Leistungssports: Zur Programmentwicklung der PRIO-Intervention. Sport und Gesellschaft, 19(2), 189-214. https://doi.org/10.1515/sug-2022-0017.
        Naul, R. & Neuber, N. (2015). Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen. In Forschungsgruppe SpOGATA (Hrsg.), Evaluation der Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote an Ganztagsschulen in Nordrhein-Westfalen (S. 215-220). Meyer & Meyer.

        Speakers: Nicole Satzinger, Anne Strotmeyer, Ida Noetzel, Miriam Kehne
      • 09:40
        „…dann hab‘ ich mehr oder weniger aufgehört mit Sport“ – Teilhabe an Bewegung, Spiel und Sport bei Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen 20m

        Effekte von Bewegungsmangel auf die psychische Gesundheit sind heute gut belegt. Überblicksarbeiten zeigen, dass akuter und chronischer Bewegungsmangel bei Kindern und Jugendlichen in einem engen Zusammenhang mit dem Auftreten depressiver Symptome stehen, Ängste beeinflussen und deutliche Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden haben (Rodriguez-Ayllon et al. 2019; Hoare et al. 2016). Die individuelle Sicht von Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen auf ihr eigenes Bewegungs- und Sportengagement ist jedoch als Forschungsdesiderat zu bezeichnen. In einer Pilotstudie des Uniklinikums Münster (UKM) und des Instituts für Sportwissenschaft der WWU werden Bewegungs- und Sportaktivitäten dieser Jugendlichen in zwei Forschungsmodulen untersucht, um perspektivisch Fördermaßnahmen für diese besonders vulnerable Gruppe entwickeln zu können. Forschungsmodul 1 geht mittels Fragebogenbatterie der Frage nach, ob Jugendliche mit psychischen Erkrankungen wie angenommen weniger körperlich aktiv sind als gesunde und mit Sport und Bewegung häufiger Negativerfahrungen verknüpfen. In Forschungsmodul 2 werden die Erfahrungen mit Bewegung, Spiel und Sport in Schule und Freizeit, subjektive Barrieren aber auch erlebte Potentiale von Sport und Bewegung mittels problemzentrierter Interviews ermittelt. Der entwickelte Interviewleitfaden stützt sich u.a. auf die Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2017). Die Auswertung erfolgt mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring. Bisher wurden 11 Interviews mit Jugendlichen geführt, die aktuell stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des UKM in Behandlung sind.

        Im Vortrag werden methodisches Vorgehen sowie die Ergebnisse der Interviewstudie berichtet. Vorläufig zeigt sich ein heterogenes Bild wahrgenommener Barrieren. Insbesondere Sportangebote mit kleinen Gruppengrößen werden von den Jugendlichen gewünscht. Bezüglich der interdisziplinären Zusammenarbeit soll zudem die Rolle der Sportpädagogik im Gesamtverbund in den Blick genommen werden.

        Hoare, E., Milton, K., Foster, C. & Allender, S. (2016). The associations between sedentary behaviour and mental health among adolescents: a systematic review. International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity, 13(1), 1-22.
        Rodriguez-Ayllon, M., Cadenas-Sánchez, C., Estévez-López, F. et al. (2019). Role of Physical Activity and Sedentary Behavior in the Mental Health of Preschoolers, Children and Adolescents: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Medicine, 49(9), 1383–1410. https://doi.org/10.1007/s40279-019-01099-5.
        Ryan, R. M., & Deci, E. L. (2017). Self-determination theory: Basic psychological needs in motivation, development, and wellness. Guilford Publications.

        Speakers: Marion Golenia, Ute Große-Westermann, Sebastian Salomon, Nils Neuber, Kathrin Kohake, Dennis Dreiskämper, Maike Tietjens, Manuel Föcker, Matthias Marckhoff
    • 09:00 10:30
      AK 5.4: BNE im Sport PC-Pool Raum

      PC-Pool Raum

      Convener: Gunnar Liedtke (Universität Hamburg)
      • 09:00
        Gestaltung nachhaltiger Bergsportaktivitäten – Entwicklungsforschung zu Bewegungswagnissen 20m

        Einleitung
        Im Projekt «AlpenLernen» des Schweizerischen Alpenclubs können Schulklassen ihr Schulzimmer für 5 Tage mit der alpinen Umgebung einer SAC-Hütte tauschen. Dabei sollen die Kinder mit bergsportlichen Aktivitäten physisch, psychisch und sozial herausgefordert werden. Damit das pädagogische Potential der intendierten Wagniserfahrungen ausgeschöpft werden kann, sind allerdings spezifische Inszenierungen notwendig: Nach Neumann (2020) sind Bewegungswagnisse individuelle kompetenzabhängige Herausforderungen, die «bewusst aufgesucht (…), souverän ausgehalten (…) und mit Bedacht aufgelöst (…) werden» (S. 6). Die erlebten Emotionen sind beim Gelingen oder Misslingen entsprechend zu reflektieren. Obwohl das Potential von Bergsportaktivitäten in Fachkreisen Anerkennung findet, wird diese Reflexionsarbeit vernachlässigt (Damisch, 2000).
        Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit ist Absichten und Strategien eines Bergführers in der Umsetzung von Kletter- und Wanderaktivitäten zu dokumentieren und interpretieren, um Grundlagen für Lehrmaterialien zu Bewegungswagnissen zu entwickeln.

        Methodik
        Die vorliegende Einzelfallstudie orientiert sich am Forschungsansatz Design Research, welcher durch iterative Zyklen der Lerngegenstandstrukturierung, der Design-Entwicklung sowie deren Prüfung auf die Erarbeitung von wissenschaftlich fundierten Lehrunterlagen fokussiert (Prediger et al., 2015). Anhand von teilnehmender Beobachtung verschiedener Bergsportaktivitäten werden kritische Ereignisse in herausfordernden Situationen extrahiert und im Rahmen eines Interviews mit dem unterrichtenden Bergführer analysiert.

        Befunde
        Die Analysen der kritischen Ereignisse verweisen auf die Bedeutung von Angstbewältigung. Dabei kann festgestellt werden, dass der Bergführer Kompetenzerwerb wiederholt als Strategie einsetzt. Weiter versucht er über kognitiv-verbale Anweisungen angstreduzierend auf die Kinder einzuwirken oder nach herausfordernden Situationen zu loben. Reflexionen zu den individuellen Erfahrungen der Schüler*innen finden kaum statt. In Einzelgesprächen können z.T. nicht intendierte, unstrukturierte Reflexionen festgestellt werden. Aus Sicht des Bergführers sind Reflexionen nur dann angezeigt, wenn die Problemlösungsstrategien der Kinder nicht erfolgversprechend sind.

        Diskussion
        Die Strategien des Bergführers verweisen auf die hohe Bedeutung von technischen Instruktionen, um Bewegungswagnisse erfolgreich zu bewältigen. Obwohl Bergsportaktivitäten hohe physische Handlungs- und Erlebnisdimensionen aufweisen, werden letztere nicht thematisiert.

        Literatur
        Damisch, C., (2000). Erlebnispädagogik und Bergführer. Berg und Steigen, 32(3), 28-29.
        Neumann, P. (2020). Bewegungswagnisse aufsuchen, aushalten und auflösen. Ein (sportpädagogischer) Ansatz. erleben und lernen, 39(1), 4-7.
        Prediger, S., Gravemeijer, K., & Confrey, J. (2015). Design research with a focus on learning processes – An overview on achievements and challenges. ZDM, 47(6), 877-891.

        Speakers: Stefan Valkanover, Vitus Furrer, Tobias Zolliker
      • 09:20
        Erlebnisorientierte Naturexkursionen als Anlass zur Änderung menschlicher Werte 20m

        Hintergrund
        Viele Interventionen z.B. in bildungs- und gesundheitsbezogenen Settings verfolgen das Ziel, eine langfristige Verhaltensänderung einzuleiten, allerdings wird häufig berichtet, dass beobachtete Änderungen nur über kurze Zeiträume aufrechterhalten werden. Um nachhaltige Wirkungen zu erzielen – so die Idee dieser Studie – könnte es hilfreich sein, eine Veränderung der menschlichen Werte einzuleiten, die als Grundlage des Verhaltens angesehen werden. Allerdings gelten menschliche Werte im Erwachsenenalter als relativ stabil (Schwartz, 2012).
        In dieser Studie wird untersucht, inwieweit sich menschliche Werte im Rahmen einer Friluftsliv-Exkursion verändern, bei der intensive Naturerlebnisse in Verbindung mit Selbstreflexionen wichtiger Bestandteil des Programms sind.

        Methode
        N=58 Teilnehmende (Alter M=26,2; SD=5,6; Geschlecht: 55% weiblich; Studierende Uni Hamburg) aus verschiedenen 6 Friluftsliv-Exkursionen (Dauer: 8-10 Tage) nach Süd-Norwegen wurden evaluiert. Veränderungen der menschliche Werte wurden auf Basis des PVQ 21 (Schmidt, Bamberg, Davidov, Herrmann, & Schwartz, 2007) erhoben. Die Ergebnisse wurden mit einer Kontrollgruppe verglichen (N=52; Alter: M=25,9, SD=3,1; Geschlecht: 47% weiblich; Studierende Uni Hamburg). Zusätzlich wurden 12 Teilnehmende der Friluftsliv-Gruppe 6-8 Wochen nach der Reise befragt, die Interviewdaten mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet.

        Ergebnisse
        Laut PVQ 21 zeigten die Teilnehmenden der Friluftsliv-Reisen einen positiven Gruppeneffekt (Werte werden wichtiger) für Selbst-Transzendenz (Universalismus, Humanismus) und einen negativen Effekt (Werte werden weniger wichtig) für Selbst-Stärkung (Macht, Leistung). Nach drei Monaten waren die Veränderungen nicht mehr nachweisbar. Interviewdaten zeigten, dass Friluftsliv-Erfahrungen für die Teilnehmenden eine große Bedeutung hatten und zu persönlichen Verhaltensänderungen führten, z. B. im Ernährungsverhalten, im Freien verbrachte Zeit, Bewegungsumfang, allein verbrachte Zeit oder Zeit ohne Aktivität.

        Diskussion
        Friluftsliv-Exkursionen können Veränderungen im Bereich der motivationalen Werte anstoßen, die auch zu Veränderungen im Alltagsverhalten führen können. Diese Veränderungen haben eine starke individuelle Vielfalt und sind mit Hilfe von Gruppenstatistiken schwer zu erfassen. Allerdings laufen Veränderungen, die durch besondere Erlebnisse ausgelöst werden, Gefahr, nach einiger Zeit von Alltagserfahrungen überlagert zu werden.

        Literatur
        Schmidt, P., Bamberg, S., Davidov, E., Herrmann, J. & Schwartz, S. (2007). Die Messung von Werten mit dem «Portraits Value Questionnaire». Zeitschrift Für Sozialpsychologie, 38(4), 261–275. http://doi.org/10.1024/0044-3514.38.4.261
        Schwartz, S. H. (2012). An Overview of the Schwartz Theory of Basic Values. Online Readings in Psychology and Culture, 2, 1–20. http://doi.org/http://dx.doi.org/http://dx.doi.org/10.9707/2307-0919.1116

        Speakers: Gunnar Liedtke (Universität Hamburg), Bijan Ghaffari
    • 09:00 10:30
      Diskussionsforum 3: Fachfremder Sportunterricht in der Grundschule – Diskussion über die aktuelle Lage und mögliche Impulse für die Zukunft Sporthalle

      Sporthalle

      Convener: Steffen Greve (Leuphana Universität Lüneburg)
      • 09:00
        Fachfremder Sportunterricht in der Grundschule – Diskussion über die aktuelle Lage und mögliche Impulse für die Zukunft 20m

        Das Diskussionsforum setzt sich mit dem Problem des (zunehmenden) fachfremden Sportunterrichts in der Grundschule auseinander. Die damit entstehende Schieflage in Hinblick eines kompetenzorientierten Unterrichtens des Fachs Sport in der Primarstufe lässt sich landesübergreifend beobachten; zugleich fehlen aktuelle aussagekräftige Sta-tistiken oder Forschungsergebnisse. Im Positionspapier zur Stärkung des Lehramts Pri-marstufe im Fach Sport (FSW et al., 2019) wurde die Situation an Hochschulen sowie die Forderungen für ein zeitgemäßes Studium bereits dargelegt, ein entsprechendes Forum beim dvs-Hochschultag 2019 griff die Thematik ebenfalls auf. Die skizzierten Problembe-reiche und Entwicklungen unterstreichen den immer noch vorliegenden Diskussionsbe-darf, sowie die Notwendigkeit der Formulierung konkreter Erwartungshaltungen und An-sprüche, was ein Ziel dieses Forums abbildet. Zu Beginn des Formats wird Sebastian Liebl in einem Input den Status Quo erörtern und somit eine Überleitung zur Diskussion eröffnen. Es folgt eine Podiumsdiskussion mit verschiedenen Akteur*innen, u.a. aus For-schung, universitärer Lehre, der Lehrkräftefortbildung und der fachfremden Schulpraxis.

        Ziele des Diskussionsforums
        Das Forum will einen Überblick über die Situation geben und zur Diskussion sowie zur Entwicklung von Forschungsfragen anregen. Dies beginnt beispielsweise mit der Verge-genwärtigung, dass die Begrifflichkeit „fachfremd“ für unser Fach anders gelagert ist als in anderen Unterrichtsfächern. Hinzu kommt die Frage, welche Ansprüche wir als sport-pädagogische Community an die Ausbildung von Quer- und Seiteneinsteiger*innen in unserem Fach haben und ob und welche Standards hier zu formulieren sind.
        Die Ergebnisse des Forums sollen nach Möglichkeit in eine schriftliche Stellungnahme münden, um diesen Fragen auch bildungspolitisch Gewicht zu verleihen.

        Literatur
        FSW, dvs & DSLV (2019). Positionspapier zur Stärkung des Lehramts Primarstufe im Fach Sport. Selbstverlag.

        Speakers: Lena Gabriel (Universität Padaborn), Elke Gramespacher (Pädagogische Hochschule FHNW), Steffen Greve (Leuphana Universität Lüneburg), Erin Gerlach (Universität Hamburg), Stefan König (Pädagogische Hochschule Weingarten), Sebastian Liebl (FAU Erlangen-Nürnberg), Hilke Pallesen (Universität Halle), Petra Wolters (Universität Vechta), Benjamin Zander (Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Sportwissenschaften)
    • 10:30 11:00
      Pause 30m
    • 11:00 12:00
      Hauptvortrag 4: Spannungsfelder der Sportpädagogik Sporthalle

      Sporthalle

      Mit unserem Vortrag soll die sportpädagogische Diskussion über Spannungsfelder, in denen sich unsere wissenschaftliche Teildisziplin bewegt, aufgenommen und weitergeführt werden. Solche Spannungsfelder verstehen wir als Bereiche differenter Kräfte, die sich gegenseitig beeinflussen und eine gewisse Aufladung erzeugen (z. B. zwischen Fremd- und Selbstbestimmung) – wir sehen sie hier als entwicklungsrelevante Spielräume heterogener wissenschaftlicher Orientierungen für die Sportpädagogik (u. a. Mayntz et al., 2008; Gogoll & Messmer, 2012; Oesterhelt et al., 2008; Scherler, 1989).
      Zum Einstieg gilt es, diese Thematik wissenschaftlich einzuordnen und auf bereits diskutierte Spannungsfelder der Sportpädagogik knapp einzugehen: z. B. auf das ewige Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis pädagogischen Handelns (u. a. Wiesche, Fahlenbock & Gissel, 2016), zwischen normativen Konzepten und empirischen Fakten (u. a. Scherler, 1990; Balz, 2009) sowie zwischen Anwendungsorientierung und Selbstvergewisserung (u. a. Thiele & Schierz, 1998).
      Im Hauptteil geht es darum, ausgewählte und aktuell diskutierbare Spannungsfelder der Sportpädagogik etwas näher zu beleuchten und exemplarisch zu vertiefen: z. B. das Spannungsfeld zwischen Vergangenheitsbearbeitung und Zukunftsorientierung (u. a. Balz, Gabriel & Wibowo, 2022), das Spanungsfeld zwischen Normalisierung und Autonomie (u. a. Thiele, 2013) oder das Spannungsfeld zwischen Binnenperspektiven und Außenperspektiven (s. das Hamburger Tagungsthema).
      Zum Ausstieg ist beabsichtigt, weitere Spannungsfelder anzusprechen und diskursiv offenzuhalten: z. B. das Spannungsfeld zwischen Konstruktion und Dekonstruktion, zwischen Verschulung und Entschulung oder zwischen Konkurrenzlagen und Kooperationszwängen (Nickelsen, 2022).
      Zudem soll versucht werden, verschiedene Optionen auszuloten, sich in solchen Spannungsfeldern zwischen heterogenen Orientierungen (a/b) angemessen verorten und bewegen zu können: durch Polarisierung (entweder a/oder b), Separierung (sowohl a/als auch b), Negierung (weder a/noch b), Integration (a und b/zu c) und Dialektik (statt a oder b/neu c).

      Literatur
      Balz, E. (Hrsg.) (2009). Sollen und Sein in der Sportpädagogik. Beziehungen zwischen Normativem und Empirischem. Shaker.
      Balz, E., Gabriel, L. & Wibowo, J. (2022). Herausforderungen der Sportpädagogik. In E. Balz, S. Reuker, V. Scheid & R. Sygusch (Hrsg.), Sportpädagogik. Eine Grundlegung (S. 242-255). Kohlhammer.
      Gogoll, A, & Messmer, R. (Hrsg.). (2012). Sportpädagogik zwischen Stillstand und Beliebigkeit. BASPO.
      Mayntz, R., Neidhardt, f., Weingart, P. & Wegenroth, U. (Hrsg.) (2008). Wissensproduktion und Wissenstransfer. Wissen im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. Transcript.
      Nickelsen, K. (2022). Wechselwirkung. Kooperation und Konkurrenz in den Wissenschaften. Forschung & Lehre (10), 786-787.
      Oesterhelt, V., Hofmann, J., Schimanski, M., Scholz, M. & Altenberger, H. (Hrsg.) (2008). Sportpädagogik im Spannungsfeld gesellschaftlicher Erwartungen, wissenschaftlicher Ansprüche und empirischer Befunde. Czwalina.
      Scherler, K. (Red.) (1989). Sportpädagogik – wohin? Greinert.
      Scherler, K. (Hrsg.) (1990). Normative Sportpädagogik. Greinert.
      Thiele, J. (2013). „Normale Wissenschaft“ – die Sportpädagogik im Prozess der Normalisierung? In A. Gogoll & R. Messmer (Hrsg.), Sportpädagogik zwischen Stillstand und Beliebigkeit (S. 27-46). BASPO.
      Thiele, J. & Schierz, M. (Hrsg.) (1998). Standortbestimmung der Sportpädagogik. Zehn Jahre danach. Czwalina.
      Wiesche, D., Fahlenbock, M. & Gissel, N. (Hrsg.) (2016). Sportpädagogische Praxis – Ansatzpunkt und Prüfstein von Theorie. Czwalina.

      Conveners: Eckart Balz, Jonas Wibowo (Bergische Universität Wuppertal)
    • 12:00 12:15
      Verleihung Posterpreis Sporthalle

      Sporthalle

    • 12:15 13:00
      Offizielles Ende 45m Sporthalle

      Sporthalle