9–11 Nov 2018
Universität Hamburg
Europe/Berlin timezone

Arbeitsforum 1 - Postkoloniale Kritik und die Arbeit mit dialogischer Pädagogik weltweit - Moderation: Heinz-Peter Gerhardt (Frankfurt)

Not scheduled
3h
Raum 06 (Universität Hamburg, Von-Melle-Park 8)

Raum 06

Universität Hamburg, Von-Melle-Park 8

Von-Melle-Park 8

Description

Paulo Freire entwickelte seine Theorie und Praxis in deutlicher Abgrenzung zum kolonialen Erbe Brasiliens. Seine befreiende Pädagogik kann als groß angelegter Versuch verstanden werden, dieses Erbe in Brasilien und später weltweit im Rahmen eines globalen Lernens zu überwinden. Mit zunächst Fanon, A. Cabral u. a. als Wegbegleitern. Der koloniale Blick auf die Kolonisierten als Handelsware (Sklaven, Arbeitskräfte) und Tiere (vgl. z. B. „Völkerschauen“ in „Hagenbecks Tierpark“ ab 1865 z. B. in unserer Konferenzstadt Hamburg) führte und führt bei diesen zu einer „Kultur des Schweigens“. Und zu einer Internalisierung dieses Blickes. Mit Freires „anthropologischem Konzept der Kultur“ im Vorfeld und während seiner „kulturellen Aktionen für die Freiheit“ können sich in Bewusstseinsbildungsprozessen viele Unterdrückte zum ersten Mal als Menschen begreifen, sich zur Bildung und Selbstermächtigung begabt erfahren.
Die nationalistischen Verkürzungen vieler Befreiungsbewegungen an der Macht werden erklärbar: Nach der Befreiung fand oftmals nur ein Elitentausch statt. Aus Befreiern wurden Unterdrücker. Die für den Befreiungskampf einforderten allgemeinen Völker – und Menschenrechte wurden nach dem „Sieg im Volkskrieg“ ad acta gelegt.
Freires „Pädagogik der Unterdrückten“ (vor 50 Jahren erschien die portugiesische Erstausgabe) zwang ihn selbst ins Exil, zunächst nach Chile (1964 – 69), dann in die USA (69/70) und die Schweiz (1970 – 79), wo er die Dritte Welt in der Ersten kennenlernte. Die Diskriminierungserfahrungen der „Unterdrückten“, der vom Mensch-Sein-Ausgeschlossenen sind für Freire und seine Mitstreiter immer wiederkehrende Themen einer Dialogischen Pädagogik in allen Bereichen des Bildungswesens. Er selbst war mit wechselnden Teams in Chile, USA, Schweiz, Grenada, Nicaragua und Guinea-Bissau tätig. Er war ein früher "Pädagoge der Einen Welt", der mit seiner Arbeit im Rahmen der UNESCO bald zum Sinnbild wurde für die Bemühungen um globale Gerechtigkeit, für die Durchsetzung von Menschenrechtsbildung und für die weltweite Erziehung zum Frieden.
Die Demokratisierung der Gesellschaft und die Humanisierung aller Menschen, auch die der „Unterdrücker“, waren und sind für Freire und die befreiende Pädagogik Richtschnur allen pädagogischen und politischen Handelns. Freires Spätwerk „Pädagogik der Autonomie“, deutsche Übersetzung 2008, versucht sich an nichts weniger als an dieser Ethik für das pädagogische und damit auch politische Handeln in unserer Zeit.
Für das Forum 1 werden Beiträge erbeten, die Freire für den eigenen Praxisbereich „neu erfanden“ und dort eine Wirkung entfalteten. Dabei mussten befreiungspädagogische Begriffe wie Unterdrückung, Grenzsituationen, generative Themen, thematische Untersuchung/Aktionsforschung, Schüler -Lehrer/ Lehrer-Schüler, Bewusstseinsbildung neu gefasst und ergänzt worden. Diese Ergänzungen und Neufassungen interessieren besonders.
Willkommen im Forum sind auch Beiträge, die das pädagogische Erbe Paulo Freire sichern helfen: Neue Berichte und Analysen über sein Wirken und seine oder Anderer Verweise auf ergänzende Theorie- und Praxiszusammenhänge.
Dr. phil. Heinz Peter Gerhardt, Regierungsdirektor a.D. der Fachhochschule des Bundes, Brühl/ Rheinland. Dissertation über die „Theorie und Praxis Paulo Freires in Brasilien, 1978 bei H. J. Heydorn, E. Jouhy und E. Becker (J. W. Goethe Universität, Frankfurt). Im Auftrag der UNESCO/ Paris, Verfasser des Freire „Profils“ in der vierbändigen UNESCO Enzyklopädie „Thinkers on Education“ (Paris 1997). Teilweise mehrjährige Forschungs- und Lehraufenthalte in Brasilien, China , Pakistan, Peru und den USA. Leitung des Referats „Arabische Welt, Israel/Palästina und Iran“ (1987 – 90) beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), Bonn. Leiter des Referats „Schulische Bildung in Afrika“ (1979/80) bei der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung, Bonn (heute: Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, Bonn/ Eschborn)
E-Mail: hpgerhardt@freire.de

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