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Reflexionsprozesse sind an Sprache gebunden und können somit im Rahmen von Unterrichtsgesprächen verbalisiert werden. Im pädagogisch-didaktischen Kontext wird der Reflexion, interpretiert als lohnenswerte Verarbeitung von Erlebnissen, eine große Bedeutung bei der Einlösbarkeit der pädagogischen Ansprüche des Sportunterrichts zugesprochen (Wolters, 2022). Studien zeigen jedoch, dass Reflexionsgespräche im Sportunterricht den an sie gestellten Ansprüchen nur selten gerecht werden (Hapke, 2018). Da die Unterrichtspraxis in diesem Bereich nur unzureichend erforscht ist, wird im Rahmen des Dissertationsprojekts untersucht, wie Reflexionsgespräche unter variierenden Bedingungen von Sportlehrkräften und Schüler:innen in der Sekundarstufe I geführt werden.
Als Grundlage dient ein Datenkorpus aus dem QIS-Projekt (Erhorn & Langer, 2022). Dieser umfasst u.a. 23 Unterrichtsdoppelstunden aus der Sekundarstufe, die sowohl mit einer auf die Lehrkraft (inkl. Funkmikrofon) als auch auf die Lerngruppe ausgerichteten Kamera dokumentiert wurden. Das Datenmaterial wurde mittels Verfahrensweisen der Grounded Theory (vgl. Strauss & Corbin) ausgewertet und aufgrund dessen eine Typologie von Reflexionsgesprächen entwickelt (vgl. Kelle & Kluge, 2010).
Insgesamt konnten vier Reflexionsgesprächstypen gebildet werden, die sich sowohl hinsichtlich Ihrer Zielsetzung als auch ihrer Form unterscheiden: Der problemlösende Reflexionsdialog und -monolog, sowie der überprüfende und der rückbesinnende Reflexionsdialog. Auf differente Reflexionsanlässe folgten unterschiedliche Strategien der Lehrkräfte, um eine Irritation im Gespräch aufzugreifen. Die Ergebnisse geben einen Hinweis darauf, dass das Führen von Reflexionsgesprächen für Lehrkräfte ein von Ambivalenz geprägtes pädagogisches Handeln darstellt. Je nach Anlass muss vor dem Hintergrund pädagogischer Zielsetzungen und kontextueller Bedingungen durch die Lehrkraft abgewogen werden, ob bzw. in welcher Form mehr oder weniger irritierende Vorkommnisse aufgegriffen werden sollen. Um genauer zu verstehen, worin das Handeln der Lehrkräfte begründet liegt und wie es verbessert werden kann, sollten weitere Studien und eine Überführung in die Sportlehrkräftebildung fokussiert werden.
Literatur
Erhorn, J. & Langer, W. (2022). Qualifizierung angehender Sportlehrkräfte für einen inklusiven Sportunterricht. In D. Lutz et al. (Hrsg.), Qualifizierung für Inklusion. Sekundarstufe (S. 101-114). Münster: Waxmann.
Hapke, J. (2018). Pädagogische Perspektiven im Handeln von Sportlehrenden – eine zentrale Fachdidaktische Idee zwischen Anspruch und Wirklichkeit. ZSF, 6(1), 29-48.
Kelle, U. & Kluge, S. (2010). Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung. Wiesbaden: VS Verlag.
Strauss, A. L. & Corbin, J. (1996): Grounded Theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.
Wolters, P. (2022). Philosophiedidaktik als Ideengeberin für die Sportdidaktik? Sportunterricht, 71(1), 8-13.