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Aktuelle Studien zu interpersonaler Gewalt im Sport haben gezeigt, dass von der Gesellschaft marginalisierte Personengruppen signifikant stärker von interpersonaler Gewalt betroffen sind, und dass Betroffene generell wenig Vertrauen in organisationsinterne Hilfe haben: 30 bis 50% berichten niemandem von den erlebten Gewalterfahrungen und nur 5% vertrauen sich einer Person innerhalb der Organisation an (Hartill et al., 2022). Der aktuelle Fall einer späten Aufdeckung von dutzenden Missbrauchsfällen durch eine Sportlehrkraft in Österreich legt dies auch für schulische Bildungssettings nahe. Neben der Frage, wie Übergriffe über Jahre hinweg im Setting Schule unentdeckt bleiben konnten, eröffnen sich auch Folgefragen nach der erweiterten Verantwortung von Schule, Schulsport und Sportpädagog*innen im Kontext inklusiver Schulentwicklung sowie des Beitrags der Sportpädagogik generell im Rahmen von Forschung und Ausbildung.
Während für den organisierten Sport Daten zu Prävalenz und Prävention z.T. vorliegen, fehlen für den Schulsport empirische Befunde. Wagner und Rulofs (2017) haben in Anlehnung an Präventionskonzepte des außerschulischen Kinder- und Jugendsports erste Überlegungen für die Schulsportentwicklung abgeleitet. Dabei wird deutlich, dass die Entwicklung und Implementierung von Schutzkonzepten eine wesentliche Aufgabe schulischer Organisationsentwicklung ist, zu der Sportlehrkräfte aufgrund der potenziellen „Risiken“ des Faches in besonderer Weise beitragen sollten (Rulofs & Palzkill, 2018).
Vor diesem Hintergrund wird diskutiert, welchen Beitrag die Sportpädagogik im Rahmen von Forschung und Ausbildung leisten kann, damit Sportlehrkräfte spezifische Gefährdungen für interpersonale Gewalt im Rahmen organisationsspezifischer Risikoanalysen identifizieren und Präventionsmaßnahmen in einer Kultur der Achtsamkeit umsetzen können (Wolff, 2015). Wie Sportlehrkräfte ihre Rolle im Rahmen schulischer Präventionsarbeit und inklusiver Schulentwicklung sehen, wird anhand exemplarischer Interviewbeispiele verdeutlicht.
Hartill, M., Rulofs, B., Lang, M., Vertommen, T., Diketmüller, R., … & Stativa, E. (2021). CASES: Child abuse in sport: European Statistics – Project Report. Edge Hill University.
Rulofs, B. & Palzkill, B. (2018). Sexualisierte Gewalt im Schul- und Vereinssport. In A. Retkowski, A. Treibel & E. Tuider (Hrsg.), Handbuch sexualisierte Gewalt und pädagogische Kontexte. Theorie, Forschung, Praxis. (S. 433-441). Beltz/Juventa.
Wagner, I. & Rulofs, B. (2017). Prävention sexualisierter Gewalt im außerschulischen Kinder- und Jugendsport als Modell für die Schulsportentwicklung. Sportunterricht, 66(9), 275-279.
Wolff, M. (2015). Sexueller Missbrauch in Institutionen. In J.M. Fegert, U. Hoffmann, E. König, J. Niehues & H. Liebhardt (Hrsg.), Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Ein Handbuch zur Prävention und Intervention für Fachkräfte im medizinischen, psychotherapeutischen und pädagogischen Bereich (S. 293-298). Springer.
Arbeitskreis | Sportunterricht zwischen Schulentwicklung und Inklusiver Pädagogik - Befunde und Perspektiven |
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