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Description
Der Vortrag greift die Diskussion um die Begriffe Bewegungserziehung und Bewegungsförderung auf und fragt nach den wissenschaftstheoretischen Implikationen, die damit verbunden sind. Die Idee der Bewegungserziehung geht davon aus davon aus, dass es in der Sportpädagogik mindestens eine bildungstheoretisch-normative und eine erfahrungswissenschaftlich-empirische Perspektive gibt (Balz, 2009). Normative Begründungen können bspw. auf anthropologischer, entwicklungstheoretischer oder schulkultureller Basis erfolgen. Empirische Zugänge können qualitativ und quantitativ sein. Die Verbindung dieser beiden Perspektiven, „die in den Horizont bildungstheoretischer Fragen nach dem Wozu und Warum eingebettet sind, kann […] als wesentliches Merkmal der Sportpädagogik im Vergleich zu anderen sportwissenschaftlichen Disziplinen angesehen werden“ (Kuhlmann & Stibbe, 2022, S. 54).
Demgegenüber folgt die Idee der Bewegungsförderung in ihrer biomedizinischen Auslegung einem naturwissenschaftlichen Forschungsparadigma. Bewegung entspricht darin „der durch die Skelettmuskulatur erzeugten Bewegung des Körpers, die zu einem substanziellen Anstieg des Energieverbrauchs über den Ruheenergieverbrauch“ hinausführt (Rütten & Pfeifer, 2016, S. 19). Begründungen für Bewegungsaktivitäten von Kindern und Jugendlichen erfolgen aus medizinischer Perspektive: „Körperliche Aktivität hat positive Wirkungen auf das kardiovaskuläre und metabolische Risikoprofil, die motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die kognitive Leistungsfähigkeit […] sowie die Prävalenz von Übergewicht“ (Rütten & Pfeifer, 2016, S. 24). Gleichwohl wird der Begriff der Bewegungsförderung zunehmend im Kontext sportpädagogischer Arbeiten verwendet.
Ein Grund dafür kann in der „empirischen Wende“ der Sportpädagogik liegen. Hinzu kommt die zunehmende Orientierung an international sichtbarer Forschung, was mit einer Zunahme an englischsprachigen Publikationen und einer Tendenz zu empirisch-analytischen Arbeiten einhergeht. Die Sportpädagogik folgt damit einem allgemeinen Trend in der Sportwissenschaft. Wissenschaftspolitisch ist das nachvollziehbar, werden doch Professuren immer häufiger nach den Kriterien einer naturwissenschaftlichen Wissenschaftsidee besetzt. Auch die Mittelzuweisungen der Universitäten folgen zunehmend dieser Logik. Es bleibt jedoch zu klären, inwieweit die Sportpädagogik unter diesen Bedingungen ihrem Anspruch gerecht werden kann, Bewegungsaktivitäten von (jungen) Menschen umfassend zu begründen und zu erforschen.
Literatur
Balz, E. (Hrsg.). (2009). Sollen und Sein in der Sportpädagogik – Beziehungen zwischen Normativem und Empirischem. Shaker.
Kuhlmann, D. & Stibbe, G. (2022). Systematik der Sportpädagogik. In E. Balz, S. Reuker, V. Scheid & R. Sygusch (Hrsg.), Sportpädagogik – Eine Grundlegung (S. 48-59.). Kohlhammer.
Rütten, A. & Pfeifer, K. (2016). Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung (hrsg. von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung). BZgA.
Arbeitskreis | Von der Bewegungserziehung zur Bewegungsförderung – ein sportpädagogischer Paradigmenwechsel? |
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