Speaker
Description
Im Zuge der wiederkehrenden Selbstvergewisserung innerhalb der Sportpädagogik sind nicht zuletzt theoretische und methodologische (Neu-)Justierungen ausschlaggebend dafür, welche Forschungsgegenstände in den Blick genommen werden. Aktuelle Bemü-hungen können u. a. entlang einer praxeologischen Sportunterrichtsforschung (u. a. Wolff, 2017) ausgemacht werden, um sportunterrichtliche Praxis als eine materielle Voll-zugspraxis zu bestimmen. Diese Vorannahmen sind leitend für das nachfolgende For-schungsprojekt.
Im Anschluss an Foucaults (1976) Mikrophysik der Macht zeigt sich Sportunterricht als soziales Setting disziplinierter Körper, die einem engen Raster von Überwachungstech-niken unterliegen. Sportlehrer:innen fungieren in diesem Geflecht qua Rolle als verkör-perte Institution. Sie aktualisieren und materialisieren (Verhaltens-)Regeln, scheinen darüber zu verfügen, zu welchem Zeitpunkt sich welche Schüler:innen welcher Bewe-gungsaufgabe (nicht) widmen und wachen mit einem panoptischen Blick (ebd.) über das sich darbietende Geschehen.
In diesem aus Machtmechanismen gespannten Netz verblassen Schüler:innen jedoch keineswegs zu ohnmächtigen Statisten. Vielmehr scheinen sie in der Alltagspraxis ko-konstruktiv einen taktischen (de Certeau, 1988) Umgang zu entwickeln, der wiederum in (s)einer spezifischen Ausprägung eines doing pupil (Breidenstein, 2006) beobachtbar wird. Der Fokus liegt folglich auf Momenten des Nicht-Folgens und Umgehens sowie des (gleichzeitigen) Hervorbringens eigener (subversiver) Machttechniken von Schü-ler:innen.
Mithilfe eines praxistheoretisch fundierten fokussiert-ethnographischen Vorgehens wird der Frage nachgegangen, auf welche Weise sich Schüler:innen im Sportunterricht den etablierten Machtapparaturen entziehen. Grundlage der rekonstruierenden Analyse bil-den videographierte Sportunterrichtsstunden, die entlang der Video-Interaktions-Analyse (Knoblauch, 2004) ausgewertet werden.
In diesem Beitrag werden erste empirische Einblicke zu eben solchen widerständigen Praktiken von Schüler:innen im Sportunterricht gegeben und damit Facetten der sich zeigenden komplexen Zusammenhänge der materiellen Vollzugswirklichkeit aufgespürt. Erste Ergebnisse deuten u. a. darauf hin, dass widerständige Praktiken selten im Allein-gang, wesentlich häufiger jedoch in kooperativen Arrangements zur Aufführung kom-men.
Literatur
Breidenstein, G. (2006). Teilnahme am Unterricht. Ethnographische Studien zum Schülerjob. VS Verl. für Sozialwiss.
De Certeau, M. (1988). Die Kunst des Handelns. Merve.
Foucault, M. (1976). Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Suhrkamp.
Knoblauch, H. (2004). Video-Interaktions-Analyse. Sozialer Sinn, (1), 123-138.
Wolff, D. (2017). Soziale Ordnung im Sportunterricht. Eine Praxeographie. Transcript.